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Ein Klub erfindet sich neu

Ein Klub erfindet sich neu

Werder Bremen hat auf dem Transfermarkt für viel Wirbel gesorgt. Die Strategie der Verantwortlichen scheint nach einem schlechten Saisonstart aufzugehen.
Werder Bremen hat mit der Leihe von Cameron Puertas eine weitere Kaderergänzung vorgenommen. Drei Tage nach Schluss des Transferfensters verkündet der Weser-Klub den Neuzugang.
Werder Bremen hat auf dem Transfermarkt für viel Wirbel gesorgt. Die Strategie der Verantwortlichen scheint nach einem schlechten Saisonstart aufzugehen.

Die Auswärtsgala von Werder Bremen in Mönchengladbach kam vielen Fans surreal vor. Noch vor wenigen Tagen als Abstiegskandidat betitelt, zeigte Werder im Borussiapark eine der attraktivsten Offensivleistungen aller Bundesliga-Vereine.

Vor allem das Tor zum 2:0 durch Jens Stage, vorbereitet von Samuel Mbangula, hatte etwas Surreales. Dass diese beiden Spieler gemeinsam für Werder auflaufen, war nicht unbedingt zu erwarten.

Nach dem Ende der vergangenen Saison war Stage neben Romano Schmid einer der Verkaufskandidaten, die Werder den geplanten Transferüberschuss von 7,5 Millionen Euro bescheren hätten können. Der Däne erreichte als klassischer Achter 2024/25 15 Scorerpunkte und war Top-Torjäger der Bremer Mannschaft. So einen laufstarken Alleskönner wünscht sich fast jeder Verein.

Verletzung bremste Stage aus

„Wir wollten Jens natürlich grundsätzlich halten, aber wie bei den anderen Spielern auch, war mit Spieler- und Beraterseite klar kommuniziert, dass man sich an einen Tisch setzt, wenn etwas Interessantes reinkommt“, gibt Werders Geschäftsführer Clemens Fritz gegenüber SPORT1 offen zu.

Doch eine Fußverletzung zu Beginn des Trainingsauftakts setzte ihn zwei Monate außer Gefecht. Konkrete Angebote gab es nicht. Genau in dieser Zeit finalisierte Werders sportliche Leitung den Königstransfer für Samuel Mbangula von Juventus Turin. 10 Millionen Euro zahlte Werder für den Belgier, den sie „schon aus dem Jugendbereich kannten und vollends überzeugt von ihm waren“.

Fritz betont den teuren Markt und sagt, das sei „kein Transfer, den wir jedes Jahr machen. Weil wir uns aber aufgrund seiner herausragenden sportlichen Qualitäten alle zu 100 Prozent einig waren, sind wir diesen Schritt gegangen“. Mbangula kam „definitiv“ auch, weil er zukünftig ein Kandidat für die benötigten Transferüberschüsse ist.

Diese fielen in diesem Jahr aus. Nur für Marvin Ducksch und Michael Zetterer gab es signifikante Ablösen.

Schwacher Saisonstart von Werder

Nach dem Pokalaus und der Niederlage in Frankfurt bekamen viele Fans die Sorge, dass die Zeit nicht mehr ausreicht, einen stabilen Kader zu bauen. Fritz räumt ein, dass auch er die Arbeit gerne schneller vollzogen hätte. Nach dem Mbangula-Transfer setzte Bremen ausschließlich auf Leihen. Und für Leihen muss man aus Erfahrung länger warten. „Das haben wir aber aus voller Überzeugung gemacht“, sagt Fritz.

Nur ist Trainer Horst Steffen in Elversberg gewohnt, mit unterlegenem Material die Flucht nach vorne anzutreten. Immer nach dem Prinzip: „So viel Defensive wie nötig, so viel Offensive wie möglich“ Und die neuen Spieler passen genau zu seinem Vorhaben.

Isaac Schmidt und Yukinari Sugawara sind auf dem Papier Außenverteidiger für eine Viererkette, schalten sich aber ständig vorne mit ein. Spielgestalter Cameron Puertas verstärkt das ohnehin schon technisch starke Mittelfeld. Dass eben diese Spieler nun auch Mittelstürmer Victor Boniface bedienen, dürfte mehr als zehn Abwehrreihen der Bundesliga extrem verunsichern. „Ihn kannst du nie außer Acht lassen“, sagt Fritz.

Der Deal für Boniface ist das Ergebnis dieses „überzeugten Wartens“. Fritz und Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes standen gemeinsam für die Nationalmannschaft auf dem Platz und pflegen einen regelmäßigen Austausch. „Natürlich fiel da auch der Name Boniface“, sagt Fritz. Als dessen Wechsel zur AC Mailand sich zerschlug, öffnete sich das Fenster für Werder.

Steffen will mit Werder offensiven Fußball spielen

Bedenken bleiben ob der defensiven Stabilität der Mannschaft. Selbst Gladbachs verunsicherte „Fohlen“ kamen auf 1,69 expected goals gegen Werder. Aber Steffen hat bereits gezeigt, dass seine Art anzugreifen, die beste Verteidigung sein kann. Elversberg erzielte in der vergangenen Saison gleichzeitig die zweitmeisten Tore und kassierte die zweitwenigsten Gegentore der zweiten Liga. Steffen denkt das Spiel ganzheitlich und gibt seinen Spielern spielerische Lösungen an die Hand.

Die sportliche Leitung geht Steffens offensiven Weg bewusst mit. Nicht wenige Entscheider hätten nach den ersten Auftritten, weitere Innenverteidiger geholt, um nicht auf Talente wie Karim Coulibaly angewiesen zu sein. Nicht wenige hätten Boniface und Puertas als Träumerei abgetan und sich in niedrigeren Regalen bedient.

Werder-Erinnerungen an eine glorreiche Ära

Eine Erfolgsgarantie ist das nicht. Man wird nicht jede Woche von Problemen beim Gegner profitieren wie zuletzt bei Mönchengladbach und Leverkusen. Und dennoch: Werder erfindet sich gerade in Rekordzeit neu, findet aber in Teilen zur eigenen Identität zurück.

„Einigeln gehört nicht zur Werder-DNA“, sagt Fritz und erinnert an die Zeit unter Thomas Schaaf. Viele Gegentore, mehr Tore und noch mehr Spektakel. Genau diese Ära begann übrigens mit einem Last-Minute-Transfer nach einem schlechten Saisonstart. Am 30. August 2002 kam ein gewisser Johan Micoud an die Weser. Auch der schien damals eine Nummer zu groß für die beschauliche Hansestadt. Der Rest ist bekanntermaßen Geschichte.