Seitdem die Bundesliga-Vereine nicht mehr an den Playoffs zur Champions League teilnehmen müssen, ist dieser Termin in Deutschland weitgehend in den Hintergrund gerückt. Dabei gab es in diesem Jahr reichlich deutsche Beteiligung.
Wanner-Abgang? "Das ist ein sehr guter Wechsel“
Eine bedenkliche Entwicklung
Youssoufa Moukoko (FC Kopenhagen) kämpfte gegen Moritz Broschinski und den FC Basel ebenso erfolgreich um die letzten Ticktes zur Königsklasse wie Nicolo Tresoldi (Club Brügge). Tim Oermann (Sturm Graz) darf nach der Niederlage gegen Bodo/Glimt immerhin noch Europa League spielen.
Fest in der Champions League spielt auch ein anderer Deutscher: Paul Wanner, seines Zeichens die neue Nummer Zehn bei der PSV Eindhoven. Sein fester Transfer für 15 Millionen Euro Ablöse in die Niederlande dürfte viele deutsche Beobachter überrascht haben, nachdem mehrere Bundesliga-Klubs wie Borussia Mönchengladbach, Werder Bremen und dem Hamburger SV auf eine Leihe schielten.
Talente haben einen klaren Karriereplan
Obwohl sich die Bayern mit Wanner und Eindhoven auf eine Rückkaufoption einigten, war der Abschied unschön. Max Eberls Worte auf der Pressekonferenz ließen durchscheinen, dass Wanner sich dem Konkurrenzkampf in der Bayern-Offensive nicht hätte stellen wollen.
Auch Trainer-Legende Hermann Gerland kritisierte Wanner ungewohnt scharf: „Mit seinem Talent hätte ich in dem Alter bei Bayern schon 100 Spiele gemacht“.
Wohlfühloase Eindhoven statt Haifischbecken München? So sollte man das nicht betrachten. Vielmehr wirkt es wie der nächste logische Schritt in einem stringenten Karriereplan. Den Sprung von kleinen Klubs direkt zu den Bayern haben viele Spieler bereut.
Eindhoven bekannt für Entwicklung von Talenten
Wanner erklärte bei seiner Vorstellung bei PSV, dass in Eindhoven viele talentierte Spieler ihren „next step“ gemacht haben. Beispiele gefällig? Cody Gakpo (Liverpool), Xavi Simons (Leipzig) und Leverkusens Neuzugang Malik Tillman.
„Er geht zu einem Topverein in einer Ausbildungsliga und darf Champions League spielen. Trainer Peter Bosz setzt auf Talente. Das ist ein sehr guter Wechsel“, sagte Tobias Kröger, Marktwert-Koordinator bei transfermarkt.de.
Bundesliga kein Ort für Talente?
Dieses Gesamtpaket konnte bzw. wollte in der Bundesliga kein Verein bieten. Die deutsche Spielklasse ist kein Ort, in dem Talente unter 21 Jahren viele Chancen erhalten. Und Offensivspieler wie Wanner haben es aufgrund des weit verbreiteten Pressingfußballs doppelt schwer.
Dieser Fußball führt kurzfristig zu Erfolg über die Defensive, vernachlässigt aber die Entwicklung im Angriff. Perfekt im Abstiegskampf, katastrophal für Talente.
Leihstationen werden oft nach Spielstil ausgewählt
Denn Talente brauchen drei Dinge: Raum, Zeit und Ballbesitz. In Heidenheim musste Wanner viele Wochen von der Bank zusehen, obwohl der Verein sich kaum Torchancen erspielte. Auch für den FC Bayern sind solche Leihen ungünstig.
„Die Klubs, aber auch die Spielerberater, sagen sich oft: Der Leih-Verein soll ähnlichen Fußball spielen, der sich unserem ähnelt“, sagt Dr. Andrej Dalinger, der als Jurist über viele Jahre an vielen Transfers mitgewirkt hat.
CL-Reform macht Teams wie Eindhoven attraktiver
Deswegen gehen Spieler wie Wanner, Tillman oder Nicolo Tresoldi den Weg nach Eindhoven oder Brügge. Dort ist die Karriere planbarer. Wenn sie sich durchsetzen, bekommen sie viele Ballaktionen und Torchancen.
Dazu sind diese Klubs durch die Europapokalreform noch attraktiver geworden. Acht Spiele gegen acht Gegner anstatt sechs gegen drei sind garantiert. Das gilt auch für die Europa League. Eindhoven schaffte es in der vergangenen Saison sogar ins Achtelfinale.
Hohe Ablösen schüren hohe Erwartungen
Entsprechend können sie auch Summen zahlen, die für zwei Drittel der Bundesliga nicht zu stemmen sind. Auf kleinerem Niveau gilt das auch für Spieler wie Tresoldi oder Oermann. Sie gelten als „Projekte“, die Zeit benötigen. Tresoldi kostete Brügge bis zu zehn Millionen Euro Ablöse.
Welcher deutsche Verein abseits der Top 6 hätte die Zeit, so viel Geld für einen jungen Mittelstürmer zu zahlen, ohne direkt zehn Saisontore zu erwarten?
Mönchengladbach hat Status als Ausbildungsklub verloren
Ein Beispiel: Mönchengladbach hat das Geld 2024 in den 30-jährigen Tim Kleindienst gesteckt. Der performt hervorragend, wird aber höchstwahrscheinlich die Ablöse nicht wieder einspielen.
Gladbachs Transfererlöse sanken nach dem Boom mit Deals für Marco Reus, Granit Xhaka und Thorgan Hazard zuletzt rapide. Dieser Trend geht einher mit nun fünf Jahren ohne Europapokal.
Nicht nur bei den Fohlen fehlt zu oft die Zeit, das Geld und vielleicht auch der Wille, deutsche Talente systematisch zu entwickeln. Deswegen muss man sich um die Zukunft der Bundesliga vielleicht mehr sorgen als um die der deutschen Talente. Für die gibt es immerhin noch die Nachbarstaaten.