Klare Meinung statt Floskeln – dafür ist Grischa Prömel in der Bundesliga bekannt. Der Hoffenheimer Fußballer spricht im exklusiven Gespräch mit SPORT1 offen über seinen Weg als Profi, Bundestrainer Julian Nagelsmann und TSG-Kapitän Oliver Baumann.
Baumann als WM-Torhüter? "Niemand braucht sich Sorgen machen" - Grischa Prömel im exklusiven SPORT1-Interview
Prömel: „Oli tut mir nicht leid“
Außerdem erklärt der 32-Jährige, warum Kameras in der Kabine für ihn ein absolutes No-Go sind – und weshalb soziales Engagement für ihn mehr bedeutet als ein PR-Thema.
SPORT1: Herr Prömel, wie geht es Ihnen aktuell?
Grischa Prömel: Mir geht es wieder sehr gut. Zu Beginn der Saison habe ich einfach noch Zeit gebraucht. Aber wir haben das gemeinsam – mit der medizinischen Abteilung und dem ganzen Trainerteam – sehr gut hinbekommen. Es wurde so gesteuert, dass ich jetzt sagen kann: Ich fühle mich sehr, sehr gut und bin wieder bei 100 Prozent.
SPORT1: Gab es in der Reha-Phase auch Momente, in denen Sie mental richtig unten waren?
Prömel: Klar. Wenn man neun bis zwölf Monate raus ist, dann bricht das einem schon das Herz. Vor allem, weil ich mich vorher richtig gut gefühlt habe – ich war ja sogar im erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. So eine Verletzung wirft einen zurück. Aber das ist Fußball – Verletzungen gehören leider dazu. Entscheidend ist, wie man zurückkommt. Und dass man überhaupt wieder zurückkommt.
Prömel: „Ich muss geduldig bleiben“
SPORT1: Mussten Sie früher schon mit Rückschlägen kämpfen?
Prömel: Ich bin lange von Verletzungen verschont geblieben. Jetzt gab es zwei schwere in relativ kurzer Zeit – damit muss man erst einmal umgehen lernen. Ich war aber immer ein Typ, der wusste, was es heißt, sich durchzubeißen. Mir ist nie etwas in den Schoß gefallen. Das hat mich zu dem Spieler gemacht, der ich heute bin. Gerade aus schwierigen Phasen kann man viel mitnehmen – sie helfen einem, zu wachsen.
SPORT1: Gibt es ein Beispiel aus Ihrer Jugend?
Prömel: Wir sind drei Brüder, ich bin der Mittlere – auch nicht immer einfach. (lacht) Wenn ich dem Kleinen mal Unrecht getan habe, ist er gleich zum Großen gerannt, und dann standen sie zusammen da. Mein großer Bruder war immer stärker – das habe ich oft zu spüren bekommen.
SPORT1: Nach Ihrer Verletzung haben Sie sich zurückgekämpft, sind aber noch kein Stammspieler. Wie gehen Sie damit um?
Prömel: Ich bin erstmal einfach happy, dass ich wieder fit bin. Natürlich will ich meinen Platz zurückerobern. Ich traue mir zu, wieder über 90 Minuten zu spielen. Wir haben aber viel Qualität im Kader, und die Jungs, die zuletzt gespielt haben, haben es gut gemacht. Ich muss geduldig bleiben, Gas geben und es dem Trainer möglichst schwer machen, mich draußen zu lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich der Mannschaft helfen kann.
Asllani-Abgang? „Fisnik hat eine große Karriere vor sich“
SPORT1: Spüren Sie, dass Erfahrung heute weniger zählt als Entwicklungspotenzial?
Prömel: Erfahrung ist extrem wichtig. Es braucht einen gesunden Mix – junge, wilde Spieler und erfahrene Jungs, die in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, meine Erfahrungen weiterzugeben. Wir haben viele talentierte Spieler, etwa Fisnik Asllani. Mit ihm habe ich schon bei Union Berlin zusammengespielt. Er hat sich super entwickelt, das macht mich stolz. Wenn solche Spieler auf mich zukommen und um Rat fragen, zeigt das, dass man etwas richtig gemacht hat.
SPORT1: Asllani weckt bereits Begehrlichkeiten. Wird er zu halten sein?
Prömel: Wir sind alle glücklich, dass er uns mit wichtigen Toren hilft. Er ist ein extrem cleverer Spieler. Dass er Begehrlichkeiten weckt, ist doch klar. Fisnik hat noch eine große Karriere vor sich – davon sind in Hoffenheim alle überzeugt.
SPORT1: Welche Art von Führungsspieler möchten Sie sein?
Prömel: Ich möchte mit gutem Beispiel vorangehen und Werte vorleben: harte Arbeit, Ehrlichkeit, Verantwortung. Ich hatte keinen geraden Weg in die Bundesliga – kam über die 2. Liga und erst spät ins Nachwuchsleistungszentrum. Das zeigt: Wenn man an sich glaubt und arbeitet, ist vieles möglich.
Prömel: „Dafür bin ich Nagelsmann dankbar“
SPORT1: Braucht man Nachwuchsleistungszentren überhaupt noch in der heutigen Form?
Prömel: Ich kann nur aus meiner Sicht sprechen. Ich ging auf eine normale Schule, war nicht von klein auf in einem großen NLZ. Das hat mir gutgetan. Ich hatte Freunde außerhalb des Fußballs, keinen ständigen Druck oder dieses „Aussortieren“. Für mich war das der richtige Weg.
SPORT1: Welche Werte sind Ihnen im Fußball besonders wichtig?
Prömel: Demut, Bodenständigkeit und Dankbarkeit. Für mich ist es immer noch etwas Besonderes, in der Bundesliga zu spielen. Das wird nie Normalität werden. Wenn man sich stetig weiterentwickelt, wird viel Fleiß irgendwann belohnt.
„Wir sind für ihn durchs Feuer gegangen“
SPORT1: Julian Nagelsmann hat Ihren Fleiß schon früh erkannt. Haben Sie noch Kontakt?
Prömel: Nicht regelmäßig, aber wir sind immer wieder im Austausch. Er hat mir auch in der schweren Zeit mit der Verletzung geholfen – mit Rat und Zuspruch. Das hat mir extrem gutgetan und dafür bin ich Nagelsmann dankbar. Viele melden sich am Anfang, später wird es ruhiger. Umso mehr freut man sich, wenn sich jemand wie der Bundestrainer meldet.
SPORT1: Wie hat sie Nagelsmann geprägt?
Prömel: Er war immer ehrlich – hat mir Stärken und Schwächen gezeigt und mir Mut gemacht. Julian hat mir früh gesagt, dass ich es bis in die Bundesliga schaffen kann. Das hat mir damals sehr viel Kraft und Motivation gegeben. Schon in der U19 wollte er jedes Spiel gewinnen, selbst Testspiele. Da waren Trainingseinheiten dabei, die waren nicht normal. Wir sind für ihn durchs Feuer gegangen. Diese Mentalität hat uns geprägt.
„Nagelsmann wurde zu schnell kritisiert“
SPORT1: Wie nehmen Sie ihn als Bundestrainer wahr?
Prömel: Julian wurde teilweise zu schnell kritisiert. Nach der Heim-EM sind mehrere wichtige Stützen weggebrochen. Man muss ihm und der Mannschaft Zeit geben. Ich weiß, wie er arbeitet, und bin überzeugt, dass es erfolgreich wird. Ich bin ein Fan von Julian Nagelsmann – und überzeugt, dass wir eine starke WM erleben werden.
SPORT1: Sie haben sich mal kritisch zu Kameras in der Kabine geäußert. Warum ist dieser „geschützte Raum“ so wichtig?
Prömel: Ich habe kein Problem mit Kameras im Spielertunnel, aber die Kabine ist heilig. Das ist der geschützte und intime Raum einer Mannschaft. Wenn man dort Kameras reinlässt, verändert sich alles – man überlegt ständig, was man sagen und machen darf. Und das in der wichtigen Konzentrationsphase kurz vor dem Spiel. Ich finde das ehrlich gesagt nervig. TV-Kameras haben meiner Meinung nach am Spieltag nichts in einer Bundesligakabine verloren! Und ich bin mir sicher, dass nahezu alle Kollegen aus der Bundesliga das ähnlich sehen. Wenn es in der Kabine nicht funktioniert, läuft es auch im Spiel nicht.
SPORT1: Viele Spieler sprechen kaum noch Klartext. Warum?
Prömel: Viele versuchen, sich einfach selbst zu schützen. Das kann ich auch verstehen. Ich versuche, authentisch zu sein. Natürlich steht man als Spieler von Bayern oder Dortmund stärker im Fokus, aber ich finde es gut, wenn Profis trotzdem ihre Meinung sagen – mit Respekt.
Prömel setzt sich in Afrika ein
SPORT1: Sie engagieren sich auch sozial, etwa in Afrika. Warum liegt Ihnen das so am Herzen?
Prömel: Gerade während meiner Verletzungszeit habe ich gemerkt, wie sehr man auf Unterstützung angewiesen ist. Ich führe ein privilegiertes Leben und möchte etwas zurückgeben. In Afrika habe ich Kinder kennengelernt, die auf der Straße leben, ohne Schulbildung, ohne fließendes Wasser. Das ist brutal schockierend. Wenn man dort ein bisschen helfen kann, ist das unglaublich bereichernd. Für ein Kinderlachen braucht es nicht viel - und ich hoffe, dass ich mit meinem Engagement auch ein bisschen Aufmerksamkeit auf diese Realität lenken kann.
SPORT1: Wie politisch darf ein Profi heute sein?
Prömel: So politisch, wie er sich fühlt. Jeder muss selbst wissen, wozu er etwas sagen möchte. Wir Fußballer stehen im Rampenlicht, aber wir sind nicht allwissend.
SPORT1: Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere blicken – was möchten Sie hinterlassen?
Prömel: Ich möchte authentisch bleiben und dass die Menschen mich positiv in Erinnerung behalten – nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch.
Prömel: Deutschland wird mit Baumann eine „super WM“ spielen
SPORT1: Oliver Baumann wird oft kritisch gesehen. Wie erleben Sie ihn?
Prömel: Beim Spiel gegen Nordirland fiel ein guter Satz: Wenn Oliver Baumann das Problem der deutschen Nationalmannschaft ist, dann hat der DFB sowas von gar kein Problem. Ich sehe Oli jeden Tag, und mich macht es glücklich, dass er jetzt seine Chance bekommen hat. Er ist so souverän, arbeitet hart und hat immer an diesen Traum geglaubt. Für mich steht außer Frage: Mit Oli im Tor wird die Nationalmannschaft eine super WM spielen.
SPORT1: Tut er Ihnen manchmal leid, weil er nicht die Wertschätzung anderer Torhüter bekommt?
Prömel: Oli tut mir nicht leid. Er hat eine tolle Familie, bald 500 Bundesligaspiele und ist in Hoffenheim eine Institution. Er hat ein großartiges Leben. Deutschland hat kein Torwartproblem. Niemand braucht sich Sorgen machen, wenn Oli bei der WM die Nummer eins sein wird.