Was wäre der Fußball ohne seine scheinbar unerklärlichen Mythen und selbsterfüllenden Prophezeiungen? Real Madrid hat noch nie ein Champions-League-Finale verloren, den FC Bayern München kannte man als „La Bestia Negra“ und die „Dusel-Bayern“.
Einer der besten Torhüter der Bundesliga?
Der neue Mythos vom Millerntor
Die Bundesliga hat aktuell wieder einen Mythos. Die Elfmeterschützen der Bundesliga zittern vor St. Paulis Torhüter Nikola Vasilj. Sechs von sieben Elfmetern hielt er in seinen 37 Bundesligaspielen.
Vasilj einer der fünf besten Bundesliga-Torhüter
Je häufiger seine Statistiken durch die Gazetten fliegen, desto verunsicherter scheinen die Schützen zu sein. „Seine Elfmeter-Bilanz in der Bundesliga ist überragend“, sagt St. Paulis Geschäftsführer Sport Andreas Bornemann im Gespräch mit SPORT1.
Vasilj gilt aktuell als einer der besten fünf Torhüter der Bundesliga. Doch seine ersten Berührungspunkte mit dem deutschen Fußball waren alles andere als glamourös. 2017 kam er als 21-Jähriger aus Bosnien zum 1. FC Nürnberg. Verpflichtet von seinem heutigen Boss Bornemann.
Über Nürnberg und die Ukraine zum FC St. Pauli
Für die erste Mannschaft spielte er aber nie. Zwei Jahre hütete er das Tor der Reservemannschaft in der Regionalliga Bayern, bis er in die östliche Ukraine wechselte.
Bei Zorya Lugansk begann er als Ersatzmann, um sich in seiner zweiten Saison endgültig durchzusetzen. Mit der Bilanz von Platz drei in der Liga, zwei Europa-League-Einsätzen und dem Länderspieldebüt für Bosnien entschloss er sich, zurück nach Deutschland zu wechseln.
Bornemann erinnerte sich an sein damaliges Torhütertalent aus Nürnberg. Mit ihm kam auch Jakov Medic ans Millerntor. Beide haben mit Jürgen Buehler denselben Berater und pflegen seit Nürnberger Zeiten eine gute Freundschaft.
Das lobt Barbarez bei Vasilj
Mit beiden in der Defensive begann der Aufstieg des lange so mittelmäßigen Klubs vom Kiez. St. Pauli stand für strukturierten, attraktiven Ballbesitzfußball. Ein Grund: Vasiljs Qualitäten am Ball.
„Seine Pässe verbessern sich jedes Jahr“, sagt Sergej Barbarez, sein heutiger Trainer bei der bosnischen Nationalmannschaft, im Gespräch mit SPORT1.
Bereits 2022 unter Trainer Timo Schultz träumte man am Millerntor von der Bundesliga, doch erst unter Fabian Hürzeler und dessen Reformierung der Spielweise zwei Jahre später wurde St. Pauli wieder Erstligist. Vasilj profitierte in dieser Zeit auch von den spielnahen Übungen des damaligen Torwarttrainers Marco Knoop.
Erfolgsgesicht und Elfer-Schreck
Gegen den Ball entwickelte sich St. Pauli zur besten Zweitliga-Defensive im Kalenderjahr 2023. Aufgrund dieser anhaltenden Bewegung verlängerte er im Januar 2024 seinen Vertrag. „Er wollte diesen Weg weiter mitgehen und unbedingt in die Bundesliga aufsteigen“, sagt sein Berater Jürgen Buehler zu SPORT1.
In aller Fairness gilt auch zu sagen, dass er in der 2. Liga unter den Torhütern nicht unbedingt herausstach. Zum sankt-paulianischen Erfolgsgesicht wurde der Bosnier erst in der Bundesliga. Und auch den Ruf des Elfer-Schrecks erarbeitete er sich im Oberhaus.
Über drei Jahre wartete Vasilj auf dieses Gefühl und holte es sich am 28. September 2024 in Freiburg. Gleichzeitig war es der erste Saisonsieg des FC St. Pauli, der sich ab dann nach einem schwierigen Start freischwimmen konnte.
Der Klassenerhalt wurde endgültig realistisch, als man im Nordduell gegen Kiel 3:1 gewann. Der entscheidende Moment: Die nächste Elferparade von Vasilj gegen Fiete Arp beim Stand von 1:0 für St. Pauli.
Auch dank Vasilij träumt Bosnien von der WM
Auch neben dem Feld ging der Spätzünder voran. Das bestätigt auch Barbarez, der ihn quasi mit Amtsantritt zur Nummer Eins des Landes machte.
„Ich kannte ihn schon aus Hamburg und sagte ihm: Solange ich da bin, wirst du auch da sein“, sagt der Ex-HSV-Spieler zu SPORT1. „Wir hatten über 20 Debütanten in einem Jahr. Für die Hierarchie in einer Nationalmannschaft ist ein verlässlicher Torhüter sehr wichtig“, sagt Barbarez, der aktuell davon träumen darf, Bosnien zur WM 2026 zu führen.
Derzeit liegt sein Team in Qualifikationsgruppe H punktgleich mit Favorit Österreich auf Platz zwei, hat aber schon ein Spiel mehr absolviert.
Bornemann: „Sind sehr froh, Niko bei uns zu haben“
Für Vasilj wäre es ein ähnlich großer Erfolg wie der Klassenerhalt mit St. Pauli, an dem er laut Sportchef Bornemann „maßgeblichen Anteil“ hatte. „Wir sind sehr froh, Niko bei uns zu haben. Ob auf dem Platz oder auch abseits davon: Er strahlt stets Stabilität und Verlässlichkeit aus“, sagt Bornemann.
Die Zahlen geben ihm recht. Bei 49 statistisch zu erwartenden Toren ließ Vasilj in der vergangenen Saison nur 39 zu. Ligabestwert. Zudem spielte er von allen Keepern die meisten Pässe der Liga, derer 1267.
Doch eben diese Zahlen registrieren nicht nur Journalisten, sondern auch die Scouts der anderen Vereine. „Nikola fühlt sich auf St. Pauli sehr wohl, aber man kann im Fußball grundsätzlich nichts ausschließen. Seine Karriere geht nicht ewig“, sagt Berater Buehler zu SPORT1.
Barbarez ist der Meinung, dass sein Weg noch nicht vorbei sei und er „noch locker vier, fünf Jahre auf dem Niveau spielen kann“. Hält Vasilj in dieser Spielzeit seine beängstigend gute Frühform, könnte dies zur nächsten selbst erfüllenden Prophezeiung werden.