Auf dem Rasen war am Samstagabend um 20.24 Uhr Schluss - aber wie das nun mal so ist, wenn der FC Bayern und Borussia Dortmund aufeinandertreffen, hatten auch diesmal die gut 90 Minuten zuvor reichlich Gesprächsstoff für die Zeit danach geliefert.
FC Bayern vs. BVB: Nach dem Abpfiff ging der Ärger erst so richtig los
Die fünf größten Topspiel-Aufreger
Da war zum Beispiel der allgegenwärtige Harry Kane, der wie vielleicht noch nie auch abseits seiner Torjäger-Qualitäten glänzte. Oder auf der anderen Seite Nico Schlotterbeck und die Spekulationen, ob sein starker Auftritt schon ein Vorspielen für eine Zukunft in München gewesen sein könnte.
Und natürlich die große Frage, warum der BVB vor der Pause ängstlich, ja beinahe desolat auftrat und erst in der zweiten Hälfte mit dem Fußballspielen begann.
BVB moniert Unausgewogenheit
„In der ersten Halbzeit haben wir uns nicht gut präsentiert“, kritisierte Sportdirektor Sebastian Kehl seine Mannschaft und führte aus: „Wir haben schlecht gespielt, es hat vieles nicht gepasst, wir haben uns nicht gut verhalten. Wir hatten Glück, dass wir nicht höher noch zurücklagen.“
Egal, ob direkt am Spielfeldrand, am Expertentisch bei Sky, bei den Spielern in der Mixed Zone, auf der Pressekonferenz mit den beiden Trainern, am Sonntagmorgen im SPORT1-Doppelpass oder in den Kommentarspalten im Internet und auf Social Media: Überall wurde analysiert, diskutiert, gelobt und kritisiert. Und in einem Punkt waren sich viele Beobachter einig: Im Gegensatz zu Kane oder Schlotterbeck hatte Schiedsrichter Bastian Dankert nicht seinen allerbesten Tag erwischt.
„Es lag nicht am Schiedsrichter, dass wir in der ersten Halbzeit so gespielt haben, wie wir gespielt haben - aber ich hatte schon das Gefühl, dass heute die Balance gefehlt hat in seinem Spiel“, monierte Kehl.
„Jede 50/50-Entscheidung war pro Bayern“
Ex-Bundesligaschiri Manuel Gräfe schrieb bei X, Dankert habe „keine klare und für alle nachvollziehbare Linie“ gehabt, „weshalb die Akzeptanz auch zu dann vertretbaren oder gar richtigen Entscheidungen verloren ging“. Der Topspiel-Referee sei „mal zu großzügig, aber dann auch des Öfteren zu kleinlich“ gewesen.
Und der ehemalige Bayern-Profi Markus Babbel meinte im SPORT1-Doppelpass: „Gefühlt jede 50/50-Entscheidung war immer pro Bayern. Dass du dich irgendwann auch mal echauffierst, ist vollkommen nachvollziehbar.“
SPORT1 blickt auf fünf spielentscheidende Szenen des Klassikers zurück, die beim BVB für Unmut sorgten.
20. Minute: Gelbe Karte gegen Julian Ryerson
Eine vermeintlich banale Szene mit Folgen: Bei einem Pass von Aleksandar Pavlovic steht Schiri Dankert knapp in der Dortmunder Hälfte in der Flugbahn des Balles und berührt diesen leicht. Die anschließende Balleroberung von Julian Ryerson ist damit nichtig, regelkonform gibt es Schiedsrichterball zugunsten der Bayern.
Was die Dortmunder stört: Der Norweger sieht Gelb, weil er aus Frust über die für ihn unglücklich gelaufene Situation den Ball auf den Rasen schleudert.
„Ich finde, er war unverhältnismäßig an der einen oder anderen Stelle“, meint Kehl nach dem Spiel über Dankert, „auch mit der frühen Gelben Karte, was für einen Außenverteidiger in so einem Spiel gegen diese Außenstürmer von Bayern einfach auch ein klarer Nachteil ist“.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Mit dem Wissen um seine Gelbe Karte reizt Ryerson im weiteren Spielverlauf seinen Handlungsspielraum maximal aus - und hat mehr als einmal Glück, dass ihn Dankert in der Folge nicht noch vom Platz schmeißt.
22. Minute: 1:0 für den FC Bayern
Die wohl meistdiskutierte Szene des Spiels: Nach einem Eckball von Joshua Kimmich schraubt sich Harry Kane auf Höhe des ersten Pfostens am Fünfmeterraum in die Luft und nickt zur Münchner Führung ein. Die Frage allerdings ist: Hat er sich mit einem Schubser gegen Serhou Guirassy unfair einen Vorteil verschafft?
„Er schiebt Guirassy leicht am Rücken. Mit beiden Händen eigentlich. Er verschafft sich da einen Riesenvorteil“, meint Sky-Experte Lothar Matthäus in der Halbzeit.
Sein ehemaliger Mitspieler Stefan Effenberg pflichtet ihm am Sonntagmorgen im SPORT1-Doppelpass bei: „Wenn du in so einen Zweikampf in der Luft gehst und du gibst dem Spieler in dieser Situation einen leichten Schubser, hat er keine Chance mehr, an den Ball zu kommen. Daher hätte man das abpfeifen können, eigentlich müssen.“
Und warum tat es Dankert dann nicht? „Es ist kein Push, kein Stoß in den Rücken von Guirassy. Dementsprechend war ich mit meiner Entscheidung sehr sicher, dieses Tor anzuerkennen“, erklärt der Schiri nach dem Spiel und stellt klar: „Ich habe das auch so rübergegeben an meinen Videoassistenten, der das nochmal bestätigt hat.“
Joshua Kimmich pflichtet dem Unparteiischen bei. „Das ist auf gar keinen Fall ein Foul“, betont der Bayern-Star in der Mixed Zone: „Wenn man das abpfeift, muss man viel pfeifen.“
Genau das aber tut Dankert in vielen anderen Situationen aus Sicht der Dortmunder - in dieser entscheidenden jedoch eben nicht.
„Für mich ist das aufgrund seiner Entscheidung, kleinlich zu pfeifen, eine klare Fehlentscheidung. Er hätte das zurücknehmen müssen“, wettert Kovac: „Er hat heute so gepfiffen, dass er das auch hätte abpfeifen müssen. Er hat alles zerpfiffen, so kleinlich.“
Wegen der sonstigen Linie findet auch Gräfe, dass „Niko Kovacs Kritik nachvollziehbar ist“ - und so kann der Ex-Schiri verstehen, dass der BVB-Coach „aufgrund vieler kleinlich gepfiffener Fouls auch dann das 1:0 nicht akzeptiert“.
75. Minute: Gelbe Karte gegen Niko Kovac
Was Kovac auch nicht akzeptieren will: Dass ein Schulter-an-Schulter-Duell zwischen Maximilian Beier und Kimmich direkt vor der Dortmunder Bank rund eine Viertelstunde vor Schluss mit einem Freistoß zugunsten der Bayern geahndet wird.
Die Folge: Der BVB-Trainer, der wie ein halbes Dutzend weiterer Dortmunder nach dem Pfiff wild gestikulierend durch die Coaching Zone springt, sieht von Dankert die Gelbe Karte.
„Ich habe nichts gegen den Schiedsrichter - aber im Endeffekt sind’s viele 50/50-Entscheidungen pro Bayern“, konstatiert Matthäus im Live-Kommentar.
78. Minute: 2:0 für den FC Bayern
Was im TV-Bild zwischen den Wiederholungen und Zeitlupen des Treffers beinahe untergeht: Das 2:0 der Münchner sorgt im Stadion für deutlich mehr Diskussionen bei den Dortmunder Spielern als das 1:0, bei dem sich die Proteste auf dem Platz überraschenderweise sehr in Grenzen hielten (Effenberg: „Das Problem war ja auch, dass sich die Dortmunder in dieser Situation 0,0 beschwert haben. Das machen die Bayern permanent in diesen Situationen.“).
Beim zweiten Münchner Treffer aber moniert in erster Linie Kapitän Schlotterbeck vor dem Wiederanpfiff eindringlich ein vermeintliches Foulspiel von Dayot Upamecano bei der Balleroberung gegen Beier, das dem anschließenden Angriff zum kuriosen Tor von Michael Olise vorausging.
Tatsächlich greift der Franzose von hinten um Beiers Hüfte herum, ehe er sich den Ball schnappt. Auch das maximal ein kleines Vergehen, aber eines, wie es in der Art im Lauf des Spiels mehrfach von Dankert geahndet wird.
„Da hat mir heute, ehrlich gesagt, ein Stück weit die Linie gefehlt“, meint Kehl zu Dankerts Leistung im Allgemeinen: „Das habe ich ihm auch gesagt.“
83. Minute: Konrad Laimer entgeht Platzverweis
Ganz offen berichtet Dortmunds Sportdirektor in der Mixed Zone, dass er nach dem Abpfiff in der Schiedsrichterkabine vorstellig geworden sei - und es ihm wichtig gewesen sei, „dass ich mit ihm selber gesprochen habe“.
Eine weitere Szene, die dabei Thema ist: ein möglicher Platzverweis gegen Konrad Laimer in der Schlussphase. Einen Dortmunder Vorstoß über seine linke Abwehrseite unterbindet der Österreicher auf Höhe der Mittellinie mit einem Foul gegen Ryerson.
Für Kehl ein klares taktisches Foul, das demzufolge einen Platzverweis gegen den bereits verwarnten Laimer zur Folge haben sollte.
Dankerts Erklärungsversuch, wonach danach noch zwei weitere Bayern-Spieler im Weg gestanden hätten, will er nicht gelten lassen. Vielleicht ist es nach unzähligen umkämpften, nickligen und emotional geführten Zweikämpfen zwischen Laimer und Ryerson aber letztlich auch ausgleichende Gerechtigkeit, dass beide den Schlusspfiff auf dem Platz erleben dürfen.
Jenen Schlusspfiff, mit dem ein wieder einmal packendes Duell zwischen den beiden großen Bundesliga-Rivalen der letzten Jahrzehnte zu Ende ging - mit dem die Diskussionen aber erst so richtig begannen.
Fortsetzung folgt, spätestens am Wochenende des 28. Februar 2026, wenn die Bayern zu Gast in Dortmund sind.