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Gladbach-Krise: Der große Knall droht

„Irgendwann kommt der große Knall“

Die Krise von Borussia Mönchengladbach wird immer schlimmer. Experten äußern Zweifel, ob Interimscoach Eugen Polanski und Sportchef Rouven Schröder die Richtigen für die Wende sind.
Borussia Mönchengladbach hat mit Rouven Schröder einen neuen Sportdirektor, der gleich die Trainerfrage klären muss. Die Runde im SPORT1 Doppelpass ist noch nicht überzeugt.
Die Krise von Borussia Mönchengladbach wird immer schlimmer. Experten äußern Zweifel, ob Interimscoach Eugen Polanski und Sportchef Rouven Schröder die Richtigen für die Wende sind.

Die Lage am Niederrhein spitzt sich immer weiter zu: Durch die Niederlage bei Union Berlin wartet Borussia Mönchengladbach saisonübergreifend seit 14 Bundesligaspielen auf einen Sieg und rutschte wieder auf Tabellenplatz 18 ab.

Das 1:3 an der Alten Försterei war ein Spiegelbild der vergangenen Monate, in denen bei den Fohlen wenig bis gar nichts zusammenlief. Die ersten beiden Tore von Danilho Doekhi (3./26.) wurden nur durch eigene Patzer ermöglicht, in der Offensive fehlte derweil zu oft das zwingende Moment und der Esprit. Es hatte zu Spielbeginn fast den Anschein, als hätte die Borussia nur physisch auf dem Platz gestanden.

Die bedenkliche Entwicklung setzt sich auch nach dem Aus von Trainer Gerardo Seoane und dem Rücktritt von Sport-Geschäftsführer Roland Virkus ungebremst fort. Seit dem vergangenen Dienstag trägt nun Rouven Schröder die Verantwortung als neuer Sportchef - und sieht sich gleich mit einer Mammutaufgabe und Fragen nach den genauen Ursachen konfrontiert.

Laut Effenberg liegen die Probleme tiefer

Stefan Effenberg, einst selbst für Gladbach aktiv, brachte die Ratlosigkeit vieler Beobachter im SPORT1 Doppelpass auf den Punkt. „In der letzten Saison waren sie sieben Spieltage vor Schluss mit einem Fuß in Europa. Wenn du dann mit einer solchen Bilanz in die neue Saison startest und Virkus aus eigenen Stücken zurücktritt, dann ist da irgendwas faul im Kern des Vereins“, mutmaßte der 57-Jährige am Sonntag.

Während Effenberg strukturelle Probleme im Klub vermutet, nahm Markus Babbel die Spieler in den Fokus. „Eine Mannschaft, bei der du merkst, dass die Angst im Kopf umhergeht. Da ist kein überhaupt Selbstvertrauen da. Da ist kein Spieler da, der die Mannschaft mitnimmt. Unglaublich zweikampfschwach auch“, zählte Babbel auf: „Das sind alles Indizien.“

Auch die Beförderung von U23-Coach Eugen Polanski zum Interimstrainer, der nach dem dritten Spieltag auf Seoane gefolgt war, brachte bislang keine Wende. In vier Spielen unter Polanskis Kommando holte die Borussia lediglich zwei Zähler.

Polanski? „Die Bundesliga ist ein ganz anderes Geschäft“

Der Trainer-Effekt habe eindeutig „nicht geklappt“, urteilte Felix Kroos im Doppelpass. Der frühere Bremen- und Union-Profi ließ Zweifel an Polanskis Eignung für die Bundesliga und die aktuelle Situation durchblicken.

„Man hat immer gehört, dass er in der U23 eine super Arbeit leistet“, erklärte Kroos: „Das kann auch sein, nur die Bundesliga ist nochmal ein ganz anderes Geschäft. Wenn du eine verunsicherte Mannschaft vorfindest, das kannst du auch nicht von jetzt auf gleich ändern.“

Spielerisch stört sich Kroos vor allem an einem Aspekt, der auch am Freitag bei der Pleite gegen Union sichtbar wurde: „Es gibt ein typisches Muster: Sie liegen immer zurück. Erst dann fangen sie an zu reagieren. Sie gehen mit einer Angst und Unsicherheit ins Spiel. Dann, wenn nichts mehr zu verlieren ist, versuchen sie es.“

Der Bruder von Weltmeister Toni Kroos ist sich deshalb sicher: „Viele Möglichkeiten hat Polanski auch nicht mehr.“

Wann gibt es eine Trainer-Entscheidung?

Und die Aufgaben werden für die Borussia und ihren Trainer nicht einfacher: Dass der erste Sieg im achten Saisonspiel gegen den nächsten Gegner gelingt, darf zumindest bezweifelt werden, denn jener heißt am kommenden Samstag (15.30 Uhr) Bayern München.

Anschließend steht das Pokal-Spiel gegen Zweitligist Karlsruhe an, bevor es in der Bundesliga bei St. Pauli und im Heim-Derby gegen den 1. FC Köln weitergeht.

Spätestens nach diesen Spielen sieht Effenberg Sportchef Schröder bei der Trainer-Frage in der Pflicht: „Arbeiten wir weiter zusammen oder ich muss mich nach einem neuen Trainer umgucken? Das ist die Hauptaufgabe für ihn.“

Ist Schröder die richtige Wahl?

Doch auch Gladbachs Anstellung von Schröder, der mit einigen Nebengeräuschen aus Salzburg kam, wird nicht unkritisch gesehen.

Während Effenberg keine genaue Antwort auf die Frage geben wollte, ob Schröder der richtige Mann sei und diesem lediglich „alles Gute“ wünschte, wurde Autor und Podcaster Micky Beisenherz im Doppelpass deutlicher.

„Ich bin mir nicht ganz sicher, wenn du dich nach Stabilität sehnst in einem Verein, ob dann Rouven Schröder genau die richtige Wahl ist“, merkte Beisenherz an.

Kroos, der mit Schröder in Bremen zusammengearbeitet hatte, nahm den neuen Mann hingegen in Schutz: „Rouven ist ein ganz feiner Mensch. Er hat ein großes Netzwerk, wird in der Branche extrem respektiert.“

Gladbach „braucht Identifikationsfiguren und Konstanz“

Aus seinen weiteren Worten ließ sich jedoch auch etwas Skepsis ableiten: „Aber Mönchengladbach braucht Identifikationsfiguren und Konstanz. Bei Gladbach erkenne ich einen schleichenden Prozess, wie beim HSV oder bei Werder vor den Abstiegen. Es geht immer mehr abwärts. Irgendwann kommt der große Knall, den muss man versuchen zu verhindern.“

Letztlich könne man die Arbeit von Schröder und Co. „erst am Ende der Saison beurteilen“, fügte Kroos an.

Derweil war Schröder selbst nach der Niederlage am Freitag um Optimismus bemüht. „Grundsätzlich ist die Überzeugung da“, sagte der 50-Jährige hinsichtlich einer weiteren Zusammenarbeit mit dem bislang glücklosen Polanski.

In der kommenden Trainingswoche wolle Schröder weitere Eindrücke sammeln, so kriege man „noch ein besseres Grundgefühl“. Dies sei ein „normaler Prozess im Fußball“. Der Klub sei „nicht blauäugig, aber Eugen ist unser Trainer“.

Urs Fischer als Gladbach-Kandidat genannt

Beisenherz ging am Sonntag bereits einen Schritt weiter und brachte einen möglichen Trainer-Nachfolger ins Gespräch. „Was ist denn eigentlich mit Urs Fischer?“, fragte der 48-Jährige: „Er steht für Stabilität. Er wäre doch ein guter Mann dafür.“

Fischer ist seit seinem Abschied von Union Berlin im November 2023 ohne Trainerjob. In seinen fünf Jahren in der Hauptstadt führte der Schweizer die Köpenicker von der 2. Bundesliga bis in die Champions League.

An die Königsklasse denkt am Niederrhein aktuell niemand - der Blick geht nach unten. Nun gilt es, unter Sportchef Schröder endlich die Kurve zu bekommen, wieder zu alter Stabilität zu finden, um mit dem Abstieg am Ende nicht zu tun zu haben.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)