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So kam es zur größten Rudelbildung der Bundesliga-Historie

Unrühmliche Premiere in Hamburg

Der Hamburger SV trifft im Jahr 2005 in der Bundesliga auf den VfL Wolfsburg. Was nach Abpfiff der Partie folgt, kann wohl als die größte Rudelbildung der Bundesliga-Geschichte bezeichnet werden.
Zwischen Hamburg und Wolfsburg kam es im Jahr 2005 zur wohl größten Rudelbildung in einem Bundesligaspiel
Zwischen Hamburg und Wolfsburg kam es im Jahr 2005 zur wohl größten Rudelbildung in einem Bundesligaspiel
© IMAGO/Team 2
Der Hamburger SV trifft im Jahr 2005 in der Bundesliga auf den VfL Wolfsburg. Was nach Abpfiff der Partie folgt, kann wohl als die größte Rudelbildung der Bundesliga-Geschichte bezeichnet werden.

Im modernen Fußball wird längst alles erfasst, gemessen und kategorisiert. Fast alles. Es gibt jedenfalls keine Statistik über die größte Rudelbildung bei einem Bundesligaspiel. Aber was sich vor fast genau 20 Jahren im Hamburger Volkspark abspielte, lässt sich kaum übertreffen.

Bei dem Tumult nach Abpfiff der Partie Hamburger SVVfL Wolfsburg (0:1) war quasi niemand unbeteiligt, der ein Trikot trug, und für vier Akteure hatte es ein Nachspiel – sie wurden alle gesperrt. Darunter ein Trainer und ein Mann, der heute SPORT1-Experte ist.

Maik Franz kann 20 Jahre später über die Rote Karte lachen

Maik Franz, der damals einer der Akteure war, die Rot sahen, erinnert sich und kann 20 Jahre danach wieder darüber lachen. Vor allem über sich selbst, nämlich dass er sich damals ausgerechnet für Trainer Holger Fach eingesetzt hatte, bei dem er ins zweite Glied gerückt war.

Eigentlich war er ja etwas sauer auf den Coach, „aber mein Gerechtigkeitssinn sprang ein. Ich sagte mir: ‚Unseren Trainer schubst du nicht!‘ Es war schon eine Riesenrudelbildung, daran erinnert man sich auch nach 20 Jahren noch. Es waren aber zwei Rote Karten, die keine waren. Die gegen mich gehört zu den Top Drei der dämlichsten meiner Karriere.“

Van der Vaarts Schubser als Auslöser

Der HSV 2005/06 war eine Spitzenmannschaft und ging am 15. Oktober 2005 als erster Bayern-Jäger in dieses Nordduell gegen die „Wölfe“, die damals Achter und drei Jahre von der ersten und bis dato einzigen Meisterschaft entfernt waren.

Ein frühes Tor von Diego Klimowicz (19.) per Kopf nach einem Lattenabpraller entschied die Partie, in der Schiedsrichter Wolfgang Stark sieben Gelbe Karten zückte. Doch so richtig bunt wurde das Kartenspiel erst nach Abpfiff, als sich tumultartige Szenen abspielten.

Auslöser war ein Schubser von HSV-Star Rafael van der Vaart gegen Wolfsburgs Bojan Neziri, der sich mit David Jarolim ein Wortgefecht geliefert hatte. Neziri: „Er hat mich beleidigt, schlimme Dinge über meine Mutter und meine Familie gesagt – auf Serbisch.“ Der Tscheche Jarolim beteuerte: „Ich kann gar kein Serbisch.“

Erste Rote Karten nach Abpfiff in der Bundesliga

Die Sprache der Fäuste verstand jeder. Van der Vaart („Ich wollte David helfen, habe aber eigentlich gar nicht so viel gemacht“) schubste Neziri, den dessen zuvor wild jubelnder Trainer Fach schützen wollte. Der packte den Holländer von hinten im Nacken (Van der Vaart: „Das war ein bisschen hart“), prompt kam ihm der lange Belgier Daniel van Buyten zur Hilfe.

Während er und Jarolim Fach schubsten, nahm sich Wolfsburgs Abwehrrecke Maik Franz van der Vaart zur Brust. Während die beiden rangelten, bekam Franz die Schienbeinschoner von Hamburgs Reservisten Guy Demel an den Kopf. Schiedsrichter Stark „hatte nach dem Abpfiff Mühe, im Getümmel die Hauptschuldigen zu finden, was ihm auch nicht gänzlich gelang“, schrieb der kicker. Wie auch? Ganz unschuldig war wohl keiner.

Noch auf dem Platz zückte er, erstmals in der Bundesliga-Geschichte nach Abpfiff, Rot für van der Vaart und Franz. Zu Saisonbeginn war nämlich eine neue Regel in Kraft getreten, die das ermöglichte, Hamburg sah die Premiere.

„Wollen solche Dinge nicht mehr sehen“

Wegen Fach fertigte Stark einen Sonderbericht an, Demels Tätlichkeit war ihm indes entgangen und wurde erst durch TV-Bilder aufgedeckt.

HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer war die Sache peinlich: „Wir haben die Spieler in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass wir solche Dinge nicht mehr sehen wollen.“

Doch wie kaum anders zu erwarten, plädierten alle Angeklagten auf „nicht schuldig“. Van der Vaart: „Es war meiner Meinung nach keine Rote Karte – für mich nicht und auch nicht für Maik Franz.“ Demel: „Im TV sah das blöd aus. Es war aber nicht mein Gedanke zu schlagen. Ich wollte beruhigen, war nicht aggressiv. Ich wäre überrascht, wenn noch etwas passiert.“

Zahlreiche Strafen nach Rekord-Rudelbildung

Der heutige SPORT1-Experte Franz sagte damals: „Ich schlage nicht, ich will doch nur schlichten. Da hätte er ja 15 Spieler vom Platz stellen können.“ Es erwischte aber wieder mal ihn und wie im März 2003 stellte ihn Stark in Hamburg vom Platz. Er hatte eben einen gewissen Ruf, das mag eine Rolle gespielt haben, insgesamt flog er in seiner Karriere achtmal vom Platz. Und Fach? Der sagte beleidigt: „Dann schaue ich nächstes Mal eben weg, wenn zwei sich prügeln wollen.“

Der DFB schaute umso genauer hin und verhängte folgende Strafen:

  • Vier Wochen Sperre für Demel wegen „Tätlichkeit gegen den Gegner in einem leichteren Fall krass sportwidrigen Verhaltens“
  • Drei Spiele für van der Vaart, die Dietmar Beiersdorfer für „völlig unangemessen“ hielt, sowie 10.000 Euro
  • Zwei Spiele Sperre für Franz

Für Fach gab es ein Innenraumverbot für das nächste Spiel und 10.000 Euro Geldstrafe, was quasi der Siegprämie entsprach.