Dem internationalen Fußball droht ein Verfahren, das den Transfermarkt in seinen Grundfesten erschüttern könnte. Auch der FC Bayern zittert vor den möglichen Auswirkungen und warnte durch den Vorstandsvorsitzenden Jan-Christian Dreesen jüngst vor einem „Riesenproblem“.
Folgenschwerer Prozess verunsichert auch Bayern
Prozess verunsichert auch Bayern
Doch was droht der Branche genau? FIFA, DFB und weitere nationale Verbände sehen sich seit August mit der Sammelklage einer niederländischen Organisation über eine Milliarde Euro konfrontiert, der sich potenziell bis zu 100.000 Spieler anschließen könnten.
Dazu zählen alle Spieler, die seit 2002 in der EU oder bis zum Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der EU im Januar 2020 bei Klubs auf der Insel und in Nordirland gespielt haben.
Brisantes Urteil macht Weg frei
Zum Hintergrund: Die Sammelklage basiert auf einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Herbst 2024. Das höchste europäische Gericht entschied nach einer Klage des ehemaligen französischen Nationalspielers Lassana Diarra, dass bestimmte Vorschriften der FIFA gegen EU-Recht verstoßen.
Diarra war 2013 zum russischen Erstligisten Lokomotive Moskau gewechselt und unterschrieb einen langfristigen Vertrag. Doch bereits ein Jahr später hatte Diarra den Klub nach einer drastischen Gehaltskürzung wieder verlassen. Lokomotive sah dies als unrechtmäßige Kündigung an und verlangte eine Entschädigung von Diarra.
Die Folge: Diarra wurde von einem Schiedsgericht der FIFA zu einer Geldstrafe in Höhe von zehn Millionen Euro verurteilt und verklagte seinen Ex-Klub wiederum auf ausstehende Gehälter. Der defensive Mittelfeldspieler argumentierte, dass anschließend ein Wechsel nach Belgien unter anderem deshalb geplatzt sei, da der Verein befürchtet habe, sich an einem Teil der Strafe beteiligen zu müssen.
Weitere Klage von Diarra
Daraufhin folgte eine weitere Klage von Diarra, die sich gegen die FIFA und den belgischen Verband richtete. Das Ziel der Klage: Schadenersatz und Verdienstausfall in Höhe von 65 Millionen Euro.
Nachdem Diarra in erster Instanz Recht behalten hatte, urteilte auch der EuGH, dass Sportler und Vereine „erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken“ ausgesetzt seien.
Die Regularien der FIFA gehen laut des Urteils über die Wahrung des sportlichen Wettbewerbs hinaus und verstoßen nach EU-Recht konkret gegen die Arbeitnehmer-Freizügigkeit und den Wettbewerb zwischen den Vereinen. Aktuell können Spieler ihren Arbeitsplatz noch nicht frei wählen und sind an ihre Verträge gebunden, ohne diese mit einer Frist kündigen zu können.
Auch wenn die Auswirkungen des Urteils im Oktober 2025 noch nicht eindeutig absehbar sind, könnte dem europäischen Fußball nun eine chaotische Situation drohen. Eine Strafe wegen Vertragsbruchs müsste in diesem Szenario der neue Klub als Ablöse übernehmen.
Dreesen sieht „Statik des Fußballs gefährdet“
„Das wird ein Riesenproblem, wenn wir keine Vertrags- und Planungssicherheit mehr haben“, kritisierte Bayern-Boss Dreesen im Interview mit der Welt am Sonntag: „Was mir dabei vor allem missfällt, ist eine unverhältnismäßige Höherstellung des individuellen Interesses über das Vereinsinteresse. Die Statik des Fußballs und seine Bedeutung in der Gesellschaft werden dadurch gefährdet.“
Zwar rechnet Dreesen der Sammelklage „eher geringe Chancen“ aus, dennoch ist er sich sicher, dass das Urteil im Fall Diarra „die Dinge auf jeden Fall verändern“ wird.
Konkret vermutet er: „Eine der Auswirkungen wird sicherlich das Wegbrechen von Ablösesummen sein, da es ja keine Vertragssicherheit mehr gibt und die Vereine daher nicht langfristig mit den Spielern planen können, wenn diese sich aus den Verträgen herausklagen können.“
Diese Entwicklung sei besonders „für kleinere und mittlere Vereine“ besorgniserregend, da diese verstärkt auf Transfereinnahmen angewiesen seien. „Die großen Klubs werden womöglich noch Mittel und Wege finden, mit solchen Entwicklungen umzugehen. Doch die Basis unseres Fußballs, die kleineren Vereine, würden empfindlich getroffen“, warnte Dreesen und erklärte: „Das kann nicht im Sinne unserer Solidargemeinschaft sein.“
Das ernüchternde Ergebnis der Prognose: „Am Ende verlieren alle, auch die Spieler, denn Einmalzahlungen machen keinen Sinn für einen Klub, wenn dieser nicht mit dem Spieler dauerhaft planen kann.“