Weltmeister, Champions-League- und Europa-League-Sieger, Nations-League-Gewinner, gewann vier Mal den FA Cup sowie drei Mal den Community Shield - und führte völlig überraschend Montpellier HSC zur ersten und einzigen Meisterschaft in Frankreich.
Das unterschätzte Phänomen
Doch wenn über die weltbesten Angreifer diskutiert wird, fällt selten der Name des ewig Belächelten: Olivier Giroud!
Dabei ist der 36-Jährige mit 53 Toren in 121 Länderspielen Frankreichs Rekordtorschütze und steht somit vor solch illustren Namen wie Thierry Henry (51), Antoine Griezmann (43), Michel Platini (41), Kylian Mbappé (38) sowie Karim Benzema (37).
Aktuell stellt der uneigennützige Top-Stürmer beim AC Mailand seinen unermesslichen Wert unter Beweis. Nach dem Scudetto 2022 lässt der Franzose die Lombarden nun vom Champions-League-Titel träumen - es wäre eine bemerkenswerte Pointe, zwei Jahre nachdem der aktuell schwer kriselnde FC Chelsea Giroud für einen Witz-Preis von einer Million Euro an die Rossoneri verkauft hat.
Transfer-Schnäppchen: Milan kauft Giroud für eine Million Euro
Giroud ist mehr wert, als es seine Statistiken vermuten lassen. Er ist ein unermüdlicher Arbeiter, der durch seine Physis und seine Laufwege ein, zwei Abwehrspieler binden kann, und so Raum für seine nachrückenden Mitspieler schafft.
Auch seine Tor-Quote war zumindest in der Champions League, als die Truppe von Thomas Tuchel 2021 den Henkelpott in die Höhe stemmte, unfassbar gut.
In acht Spielen traf der Franzose starke sechsmal - brauchte dafür aber nur 254 Minuten! Das heißt: Giroud traf alle 42 Minuten. Im Vergleich: Werner brauchte 204 Minuten für einen Treffer, Tammy Abraham 231, Mason Mount 380 sowie Kai Havertz 787. Und alle standen viel länger und häufiger auf dem Rasen.
Giroud ist kein klassischer Neuner
Kein Wunder also, dass der nun beim FC Bayern an der Seitenlinie stehende Ex-Coach Tuchel voll des Lobes ist: „Er ist einer der besten Stürmer im Strafraum, er hat einen unglaublichen ersten Touch, wenn er Bälle direkt aus der Luft nimmt und ist sehr stark auch bei Kopfbällen.“
144 Tore und 55 Assists für Chelsea und den FC Arsenal untermauern Tuchels Aussage, auch wenn Giroud für die großen Schlagzeilen nicht gerade selbst sorgt. Dabei gibt es das ein oder andere Highlight-Video von ihm, wie seinen legendären Skorpion-Kick gegen Crystal Palace 2017!
Milan-Star ist sich nicht zu schade für Drecksarbeit
Giroud, der in der Premier League 4,82 Luftduelle pro Partie gewann, hat ein besonderes Gefühl dafür, Flanken oder Ablagen volley oder per Drop-Kick zu nehmen. Doch weil er nicht immer mit den stürmertypischen Eigenschaften eines Torjägers glänzen kann, musste der Routinier in seiner Karriere auch immer wieder Spott und Häme ertragen.
Sein einstiger Trainer bei Grenoble Foot, Mehmed Bazdarevic, ging sogar noch weiter und prophezeite ihm, kein Erstliga-Niveau zu haben. Oder wie bei der WM 2018, als der Franzose im Turnierverlauf nicht einen einzigen Torschuss abgegeben hatte.
Dennoch hielt Nationaltrainer Didier Deschamps auf dem Weg zum Titel an ihm fest, da er um Girouds Stärken wusste, auch wenn der damals nicht nominierte Karim Benzema seinen Landsmann despektierlich als Go-Kart bezeichnete, das man nicht mit einem Formel-1-Boliden - damit meinte er sich selbst - vergleichen könne.
Der Stürmer von Real Madrid gab allerdings auch zu, dass Giroud, der sich für Drecksarbeit nie zu schade war, durch seine Spielweise den Superstars Griezmann und Mbappé das Leben leichter machte.
In seinen Klubs liefert Giroud, der Montpellier 2011 mit 21 Toren und zwölf Vorlagen zur Meisterschaft führte, ohnehin beständig ab. Seit 2008/09 traf der französische Nationalspieler wettbewerbsübergreifend immer zweistellig, so aktuell auch in Mailand. 13 Tore und sechs Vorlagen hat Giroud bereits auf seinem Konto.
Milan holt dank Giroud ersten Scudetto seit 2011
Wie wichtig Giroud ist, zeigte er in der Meistersaison 2021/22 im Derbi della Madonnina, als Milan ohne Superstar Zlatan Ibrahimovic (acht Tore) gegen Inter Mailand auskommen musste.
Ivan Perisic brachte zwar den damaligen Tabellenführer in der 38. Minute in Führung, verlor aber das Spitzenspiel nach drei verrückten Minuten. Mit seinen Toren in der 75. und 78. Minute fügte ausgerechnet Giroud Inter die erste Heimniederlage seit mehr als einem Jahr zu und sorgte - ohne es zu ahnen - für die Vorentscheidung um die italienische Meisterschaft.
„Es war ein Sechs-Punkte-Spiel. Zum Glück haben wir es geschafft“, frohlockte Giroud nach dem 2:1-Sieg im Derby. „Wir sind jetzt in einer besseren Position.“ Denn auch in Italien wurde der Franzose erstmal belächelt: Was will Milan mit dem damals 35-Jährigen und einem Opa-Sturm mit Ibrahimovic, der mit 40 Jahren zu der Zeit noch älter war?
Doch Giroud, der seinen Stürmerkollegen bei den Treffern sogar in den Schatten stellte, strafte die Kritiker Lügen. Am letzten Spieltag der Serie A schnürte der französische Top-Stürmer beim 3:0-Erfolg gegen Sassuolo einen Doppelpack und war mit 14 Toren, vier Assists in 38 Pflichtspielen maßgeblich an der ersten Meisterschaft von Milan seit 2011 beteiligt. Übrigens: Inter wurde mit zwei Punkten Rückstand Zweiter - das verlorene Derby lässt grüßen!
Milan-Coach Stefano Pioli brachte es treffend auf den Punkt: „Olivier erweist sich als der Spieler, den wir kaufen wollten. Ein wertvoller Spieler auf dem Platz, eine Persönlichkeit mit Tiefgang neben dem Platz. Ein starker Spieler, der einen großen Beitrag für die Mannschaft leistet.“
AC Mailand träumt dank Giroud vom Champions-League-Titel
Vor knapp zwei Wochen traf Giroud zum zwischenzeitlichen 1:0 gegen die SSC Neapel, raubte damit den Süditalienern die letzte Hoffnung aufs Weiterkommen - und führte die Rossoneri (1:0/1:1) ins Halbfinale der Champions League.
Nachdem Milan elf Jahre auf den 19. Scudetto warten mussten, liegt der letzte Erfolg in der Champions League beziehungsweise im Landesmeisterpokal noch viel länger zurück! 2006/07 gewann der AC zum siebten und letzten Mal die Königsklasse.
Doch der Traum vom Champions-League-Titel lebt, vor allem dank Giroud. Denn der Franzose ist wie ein guter Rotwein - mit den Jahren wird er immer besser. Kein Wunder, dass der AC Mailand kürzlich seinen auslaufenden Vertrag bis 2024 verlängert hat.
„Milan war in meiner Jugend mein Lieblingsverein, van Basten, Papin und Sheva (Andriy Shevchenko; Anm. d. Red.) waren meine Stürmer-Idole.“ Gerade deshalb sei er besonders froh, für diesen Klub auflaufen zu dürfen - und jetzt noch ein weiteres Jahr.