Es ist erst vier Jahre her. Und doch wirkt der Rückblick auf eines der verrücktesten Fußballspiele des Jahrhunderts wie der Blick auf eine längst vergangene Zeit. Auf eine andere Welt.
Ein unwirkliches Bayern-Schauspiel
Mit 8:2 hat der FC Bayern den spanischen Topklub FC Barcelona am 14. August 2020 aus der Champions League geschleudert. „Die Mutter aller Debakel“ war damals in der spanischen Presse zu lesen. Eine zunächst unvorstellbare und letztlich unvergleichliche Abreibung für einen der größten Namen im Weltfußball.
Heute wirkt das Spektakel von einst erneut recht unwirklich. Das liegt zum einen daran, dass die Partie von Lissabon unter Umständen gespielt wurde, an die man sich nur äußerst ungern zurückerinnert. Globale Tristesse, leere Ränge, Corona als ständiger Begleiter.
Das unerfüllte Versprechen der Kimmich-Generation
Zum anderen war der Kantersieg im Viertelfinale damals nicht nur ein entscheidender Schritt der Münchner auf dem Weg zum maximalen Erfolg, dem zweiten Triple der Vereinsgeschichte. Er war für viele Fans auch ein Versprechen auf eine goldene Zukunft.
Die Generation Joshua Kimmich hatte sich auf Europas Thron gesetzt - und das im besten Fußballeralter, mit etlichen weiteren Titelchancen vor der Brust. Leon Goretzka, Serge Gnabry, Niklas Süle und natürlich der Shootingstar schlechthin, Alphonso Davies. Unter dem Eindruck des historischen Sieges wähnte man sie alle an der Schwelle zur Weltklasse. Oder sogar schon angekommen unter den Besten der Besten.
Nicht zu vergessen: An der Seitenlinie stand zudem ein gewisser Hansi Flick, der immer wieder mit dem großen Jupp Heynckes verglichen wurde. Ein Spieler-Versteher mit einer geradezu berauschenden Idee von Offensivfußball. Wer sollte diese Bayern aufhalten?
Vier Jahre später wissen wir, dass das Versprechen, das diese Mannschaft einst bedeutete, nie wirklich erfüllt wurde. Kimmich hat eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich. Goretzka gilt einmal mehr als Verkaufskandidat. Gnabry und der nach Dortmund verabschiedete Süle müssen aus unterschiedlichen Gründen wieder komplett neu angreifen.
Damals staunten alle über Davies
Flick wiederum will nach einem unschönen Bayern-Abgang und einem WM-Debakel seinen Ruf als Toptrainer beim damaligen Gegner retten - dass Flick bei Barca noch immer die Wertschätzung genießt, die ihm den Job beschert hat, hat viel mit dem damaligen Spiel zu tun.
Und der Mann des Spiels von einst, wenn man bei der kollektiven Überlegenheit überhaupt davon sprechen kann, wird womöglich nicht mehr lange in München spielen: Davies, dessen Stern gegen Barca aufging, wird wohl früher oder später bei Real Madrid landen. Im schlimmsten Fall, ohne den Bayern auch nur einen Cent Ablöse einzubringen.
Dazu kommt: Wurden damals drei Titel geholt, steht man nun erstmals seit über einem Jahrzehnt gänzlich ohne Trophäen da. Und auch wenn in der vergangenen Saison sogar das Halbfinale der Champions League erreicht wurde, wähnen wohl nur die wenigsten die Bayern aktuell an der europäischen Spitze.
Die Ansprüche sind natürlich trotzdem noch dieselben in München. Und einige Spieler, wie der wieder in einer zentralen Rolle eingeplante Kimmich, verfolgen immer noch dieselben Ziele. Was einmal gelang, könnte wieder gelingen.
Und dennoch: Der Blick zurück fühlt sich an wie ein Blick auf eine andere Welt, vier Jahre nach einem der verrücktesten Spiele des Jahrhunderts.