Eigentlich war er schon weg vom Fenster. Im August 2024 sorgte die emotionale Rücktrittsankündigung von Wojciech Szczesny für Aufsehen in der Fußballwelt. Nach über 500 Pflichtspielen erklärte der 34 Jahre alte Keeper, dass sich sein Körper zwar noch bereit fühle, sein Herz aber nicht mehr.
Aus dem Ruhestand zum Helden
Dass der erfahrene polnische Torhüter etwas mehr als ein halbes Jahr später in der Champions League zum gefeierten Helden aufsteigt, war damals kaum abzusehen. Doch genau das geschah am Mittwochabend: Als Schlussmann des FC Barcelona legte Szczesny den Grundstein für einen hart erkämpften 1:0-Sieg in Unterzahl gegen Benfica Lissabon.
Die Datenanbieter registrierten insgesamt acht Paraden von Szczesny, der damit sogar einen Rekord aufstellte. Denn seit Beginn der detaillierten Datenerfassung hatte zuvor kein Barca-Torhüter in einem Champions-League-Spiel ohne Gegentor so viele Paraden gezeigt.
Flick adelt Szczesny: „Er hat uns gerettet“
„Ich bin sehr glücklich“, lobte Trainer Hansi Flick nach dem Achtelfinal-Hinspiel den Auftritt von Szczesny. „Es ist wichtig, wenn man mit zehn Mann spielt. Er hat eine fantastische Leistung gezeigt. Er hat uns gerettet.“
Auch die spanische Sportpresse zeigte sich beeindruckt. „Ohne den ehemaligen Juventus-Torhüter wäre Barça mit einem schmerzhaften Ergebnis nach Hause gefahren“, urteilte die Marca. Mundo Deportivo schrieb: „Szczesny zeigte gegen Benfica seine beste Leistung, seit er Barca-Torhüter ist.“
Im Estádio da Luz dauerte es weniger als 20 Sekunden, bis Szczesny das erste Mal gefordert war und einen Schuss von Kerem Aktürkoglu gekonnt abwehrte. Besonders spektakulär war seine Doppel-Parade kurz vor dem Halbzeitpfiff, weshalb es torlos in die Kabine ging. Auch nach dem Seitenwechsel präsentierte er sich als sicherer Rückhalt.
Szczesny witzelt wegen MVP-Auszeichnung
Als Spieler des Spiels wurde dennoch Pedri gekürt, der im Mittelfeld der Katalanen erfolgreich die Fäden zog. Szczesny nahm die verpasste Auszeichnung mit Humor: „Pedri hat die Trophäe des besten Spielers gewonnen, aber ich denke, ich kann die Hälfte davon mitnehmen.“
Der 34-Jährige ließ zudem eine selbstbewusste Ankündigung folgen, die alle Barcelona-Unterstützer freuen dürfte: „Ich glaube, mein bestes Spiel für Barca steht noch bevor.“
Fakt ist: Die Formkurve von Szczesny im Trikot der Blaugrana zeigt nach oben. In seinen 14 Einsätzen für das Team von Hansi Flick kassierte der Klub keine Niederlage. Achtmal hielt der 1,96-Meter-Hüne seinen Kasten sauber.
„Er wird von Spiel zu Spiel sicherer“
Im Januar lief es noch nicht so rund: Beim verrückten 5:4-Sieg der Katalanen gegen Benfica in der Champions-League-Vorrunde verschuldete Szczesny zwei Gegentore. „Er wird von Spiel zu Spiel sicherer und wir können immer besser verteidigen“, lobte Flick nun die unerwartete Entwicklung des Routiniers.
Anfang Oktober - nicht einmal zwei Monate nach seinem Karriereende - war Szczesny von den Katalanen reaktiviert worden, weil sich Stammtorhüter Marc-André ter Stegen eine schwere Knieverletzung zugezogen hatte.
Für seinen schnellen Rücktritt vom Rücktritt hatte der Pole in der Mundo Deportivo eine einfache Erklärung: „Ich kann nicht ‚Nein‘ zu Barcelona sagen. Die Geschichte des Vereins und das Privileg, das ich durch das Tragen dieses Trikots empfinde, haben mich dazu gebracht, meine Entscheidung zu ändern und nichts weiter.“
Dennoch musste sich Szczesny zunächst hinter Barca-Eigengewächs Inaki Pena einordnen. Der Verein räumte dem erfahrenen Torhüter bewusst Zeit ein, um sich wieder zurechtzufinden.
Krönt Szczesny seine „zweite“ Karriere?
Inzwischen ist Szczesny zum unumstrittenen Stammkeeper unter Flick avanciert - und könnte sich einen großen Traum erfüllen. Denn trotz mehrerer nationaler Titel mit dem FC Arsenal und Juventus Turin, war ihm ein internationaler Erfolg in seiner bisherigen Laufbahn nicht vergönnt. Vielleicht klappt das für den 84-maligen Nationalspieler jetzt in seiner „zweiten“ Karriere mit dem FC Barcelona.
Zuletzt ließ Szczesny sogar durchblicken, dass er offen für einen Verbleib über das Saisonende hinaus sei.
„Meine Familie ist glücklich, mein Sohn liebt seine Schule, meine Frau liebt es, hier zu sein, ich bin für alles offen“, wurde er von Transferexperte Fabrizio Romano zitiert. Demnach könne er sich auch vorstellen, bei den Katalanen als Backup zu fungieren, wenn ter Stegen wieder zurückkehrt.
Der deutsche Nationaltorhüter Marc-André ter Stegen könnte im Optimalfall bereits in einem möglichen Champions-League-Viertelfinale ins Tor des FC Barcelona zurückkehren. Dies berichtet die spanische Zeitung Sport. Demzufolge übertreffe der Rehabilitationsvorlauf die optimistischsten Erwartungen.
Ter Stegen hatte am 22. September des Vorjahres im Spiel gegen Villarreal einen Patellasehnenriss im rechten Knie erlitten und musste operiert werden. Nachdem anfangs sogar von einem Saison-Aus ausgegangen worden war, gab es früh Anzeichen, dass der ehemalige Gladbacher in der laufenden Spielzeit noch zum Einsatz kommen könnte.
Szczesny wird dann wieder das Tor für ter Stegen räumen müssen. Doch zumindest einmal, im Achtelfinal-Rückspiel in Barcelona, wird er noch einmal die Möglichkeit bekommen, zu glänzen.