Als Nuno Mendes in der zweiten Minute der Nachspielzeit das Tor zum 3:1 gegen Aston Villa erzielte, riss Vitinha seine Arme in die Höhe. Der Portugiese wusste in diesem Moment, dass sein Landsmann ein womöglich entscheidendes Tor gegen das englische Topteam erzielt hatte, dass seinem Klub die Tür zum Champions-League-Halbfinale mehr als nur einen Spalt öffnete.
Ein Superstar unter dem Radar
Im Hinspiel der Viertelfinal-Duelle gegen Villa (3:1) ließ Paris Saint-Germain einmal mehr seine ganze Klasse aufblitzen. Alle drei Tore erzielten die Franzosen auf individuellem Weltklasse-Niveau, nicht erst seit dem Comeback im Achtelfinale gegen den FC Liverpool zählt PSG zu den absoluten Top-Anwärtern auf den Champions-League-Titel.
In der Ligue 1 hat sich der Klub bereits nach dem 28. Spieltag die französische Meisterschaft gesichert, auch im Pokal steht PSG gegen Stade Reims im Endspiel.
Der Traum vom ersten Champions-League-Triumph, vom ersten großen internationale Titel überhaupt seit 1996 lebt für den Hauptstadt-Klub mehr denn je. 222-Millionen-Mann Neymar, Lionel Messi, Zlatan Ibrahimovic und viele andere teure und prominente Superstars haben ihn nicht erfüllen können - wird nun stattdessen der bei vielen immer noch unter dem Radar schwimmende Vitinha zum Königsmacher?
Vitinha füllt Verratti-Lücke exzellent
Nicht erst seit dieser Saison ist der Portugiese ein Schlüsselakteur des Pariser Kollektivs.
Mit seinem jungen Neben- und auch Landsmann Joao Neves bildet Vitinha nach der Ära von Marco Verratti (elf Jahre bei PSG) die Schaltzentrale im Mittelfeld - sein Einfluss auf das Spiel seines Teams wächst von Woche zu Woche.
Ganze 148 Pässe brachte der 25-Jährige gegen Aston Villa an den Mitspieler, so viele wie zuletzt in der Saison 2003/04 einem Spieler für Paris in der Königsklasse gelangen.
Motor der Pariser Star-Offensive
Mit 1,72 Metern Körpergröße und 64 Kilogramm Körpergewicht gehört der Mittelfeld-Star zwar nicht zu den größten und robustesten Spielern auf seiner Position, doch daraus zieht Vitinha auch Vorteile. Oft ist er derjenige, der PSG mit seiner Geschwindigkeit in Schwung bringt und die Angriffe von hinten anschiebt.
Der Portugiese lässt sich im Ballbesitz oft in die Abwehrreihe fallen, nimmt den Ball auf und setzt mit einem guten Auge seine Mitspieler in Szene. Die Risiken, sich dabei auch am Rande des eigenen Strafraums zwischen den Gegnern hindurch zu schlängeln, scheut er nicht.
Oft ist Vitinha die Pariser Antriebsfeder, die das gegnerische Pressing aushebelt - um anschließend das freie Feld mit Hochgeschwindigkeitswaffen wie Ousmane Dembélé, Bradley Barcola oder Desiré Doué aufzuwirbeln.
Erinnerungen an Busquets werden wach
In den vergangenen Spielzeiten präsentierte sich Vitinha zudem immer ballsicherer und steht seinen Mitspielern nahezu immer als Anspielstation zur Verfügung. Nicht nur deshalb wählten ihn die Ligue 1 sowie die Champions League in der vergangenen Spielzeit in die Mannschaft der Saison.
„Für mich war Vitinha zweifelsohne unser Spieler der Saison. Wenn man seine Qualität am Ball, seine Aggressivität und seine Fähigkeit zu verteidigen zusammenzählt, ist er unser bester Spieler. Alle unsere Spieler hier sind gut, aber Vitinha ist außergewöhnlich“, zeigte sich auch sein Trainer Luis Enrique voll des Lobes über die Entwicklung des 25-Jährigen - der in seiner Spielweise The-Athletic-Autor Dermot Corrigan an Barca-Legende Sergio Busquets erinnert.
„Vitinha ist nicht so groß, aber er ist Busquets in seiner Spielweise sehr ähnlich. Seine Rolle bei PSG ähnelt der von Busquets in der späten Ära der spanischen Mannschaft, wo alles über ihn lief. Es gibt einen Schirm, und er ist die Spitze des Schirms, vor allem abseits des Balls, wenn sie das Spielfeld hochdrücken und die Mannschaften zurückdrängen wollen“, beschreibt Corrigan im Podcast The Athletic FC.
„Wie Busquets weiß auch Vitinha, wo die Gefahr lauert, und er kann lesen, was der Gegner tun wird, vielleicht weil er mit Luis Enrique gesprochen hat und sie sich überlegt haben, wie sie bestimmte Mannschaften stoppen wollen. Immer wenn er den Ball zurückerobert, bewegt er ihn so schnell.“ Corrigan ist sich sicher: „Vitinha ist der Schlüssel zu dieser Mannschaft. Wann immer ich PSG gesehen habe, war er wahrscheinlich der beste Spieler.“
Auf Vitinha warten entscheidende Monate
41,5 Millionen Euro überwies PSG im Sommer 2022 an den FC Porto, wo Vitinha die komplette Jugend durchlief und seinen Durchbruch im Herrenbereich feierte. Auch in der portugiesischen Nationalmannschaft ist der 25-Jährige nicht mehr aus dem Zentrum wegzudenken.
Auf den Mittelfeld-Star warten womöglich die zwei bedeutsamsten Monate seiner bisherigen Karriere. Mit Paris Saint-Germain lebt der Traum vom Triple - und auch mit der Nationalmannschaft gibt es im Final Four der Nations League einen Titel im Juni zu gewinnen. Gastgeber Deutschland wird im direkten Halbfinal-Duell jedoch etwas dagegen haben, Vitinha noch einmal die Hände in die Höhe reißen sehen zu müssen.