Wie viele der 81.365 Zuschauer im ausverkauften Signal-Iduna-Park am Dienstag kurz vor 21 Uhr ernsthaft daran glaubten, dass Borussia Dortmund die Sache drehen könnte, ist nicht überliefert. Fest steht aber: Es dürften die wenigsten gewesen sein. Zu deutlich schlug Barcelona den BVB im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League - 0:4 lautete die Hypothek vor dem zweiten Aufeinandertreffen. Doch umso überraschender war, was dann geschah.
Darf Guirassy für 70 Millionen weg?
Die Schwarzgelben lieferten einen epischen Fight, brachten das Stadion immer wieder zum Beben und den katalanischen Giganten mit leidenschaftlichem Fußball tatsächlich ins Wanken. Dank eines Mannes, der den Weg ebnete: Serhou Guirassy. Von Beginn an brannte der Stürmer ein Feuerwerk ab, sein Dreierpack ließ die Fans träumen. Einen Elfmeter lupfte er frech zum 1:0 unter die Latte. Unmittelbar nach Wiederanpfiff erzielte er per Kopf den zweiten Treffer. Kurz vor Schluss krönte er seine herausragende Leistung mit seinem dritten Tor.
Wie lange ist Guirassy zu halten?
Dass sich der BVB mit einem 3:1-Erfolg erhobenen Hauptes aus der Champions League verabschiedete, war nicht zuletzt sein Verdienst. Entsprechend zufrieden zeigte sich Guirassy trotz des eigentlich bitteren Ausscheidens. „Ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben. Barcelona ist ein sehr gutes Team, aber wir waren auch stark und haben bis zum Schluss gekämpft. Wir haben gezeigt, was wir können“, sagte der Mittelstürmer hinterher und erntete von allen Seiten Lob.
„Guirassy ist ein Top-Stürmer – und er gibt dieser Mannschaft so viel. Er ist mit dem Rücken zum Tor so, so stark“, schwärmte Ex-Nationalspieler Christoph Kramer bei Prime Video. Die spanische Marca nannte Guirassy einen „absoluten Killer“ vor dem Kasten. Die französische Sportzeitung L‘Équipe, die seit jeher die wohl härtesten Spielerbewertungen der Fußballwelt verteilt, gab ihm mit der Note 8 (die Bestnote wäre 10) die beste aller Spieler. Und Trainer Niko Kovac bezeichnete seinen Torjäger als „Lebensversicherung“.
Zu Recht, stellte Guirassy am Dienstag seine Sonderstatus doch einmal mehr unter Beweis. Seinen enormen Stellenwert, der in der Königsklasse - dem offensichtlichen Lieblingswettbewerb des 29-Jährigen - noch höher zu sein scheint. Mit 13 Toren in 14 Spielen führt er dort die Torschützenliste an. Vor Raphinha, vor Robert Lewandowski, vor Harry Kane und vor Erling Haaland. Einziger Haken: Diese Quote weckt Begehrlichkeiten - und lässt die Dortmunder Fans zittern. Denn wie lange ihnen Guirassy noch erhalten bleibt, scheint ungewiss.
Auch Bayern erkundigte sich bei Guirassy
Der Grund: Wie die Sport Bild jetzt berichtet, hat sich der Nationalspieler Guineas eine Ausstiegsklausel in seinen bis 2028 datierten Vertrag einbauen lassen - über 70 Millionen Euro, inklusive aller möglichen Bonuszahlungen. Demnach habe der BVB im vergangenen Sommer, als er Guirassy für nur 18 Millionen Euro aus Stuttgart holte, eine Exit-Ausnahme gemacht haben, die es zuletzt bei Erling Haaland gegeben habe. Diese sei gar Bedingung für einen Wechsel nach Dortmund gewesen.
Die Schwarzgelben sahen sich damals gezwungen, zuzustimmen. Schließlich war die Konkurrenz groß, die Liste der Mitbewerber lang. Unter anderem soll Bayern Münchens Sportvorstand Max Eberl persönlich bei Guirassys Management angeklingelt haben, um die Möglichkeit eines Wechsels auszuloten - doch daraus wurde bekanntlich nichts. Stattdessen soll sich Guirassy nun in Dortmund „sehr wohl fühlen“ und sowohl in der Kabine als auch in der Chefetage ein hohes Ansehen genießen.
Guirassy ist „extrem ambitioniert“
Aber seine starken Leistungen, vor allem in der Königsklasse, könnten für den Verein bald zum Problem werden. Denn der Angreifer sei „extrem ambitioniert“ und wolle „jedes Jahr in der Champions League vertreten sein“, heißt es in dem Bericht. Diese droht die Borussia aber erstmals seit der Saison 2015/16 zu verpassen. Fünf Spieltage vor dem Ende der Bundesliga-Saison beträgt der Rückstand auf die Plätze, die zur Teilnahme an der Königsklasse berechtigen, sechs Punkte.
Immerhin: Die Klausel könnte wohl erst nach der Klub-WM im Juni und Juli aktiviert und dann auch nur von handverlesenen Vereinen überhaupt gezogen werden, darunter der FC Chelsea. Andererseits soll Guirassy von einem Engagement in der Premier League träumen - ein Abschied nach nur einem Jahr scheint also nicht völlig ausgeschlossen.
Was den Dortmunder Fans aber Hoffnung machen sollte: Nach SPORT1-Informationen spielt Guirassy in den Planungen der BVB-Verantwortlichen eine zentrale Rolle und der Verein wird alles versuchen, um ihn zu halten.