Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, was Vincent Kompany vor dem Spiel gegen Inter Mailand (Mittwoch, ab 21 Uhr im LIVETICKER) über seine Aufstellung verraten wird. Die Antwort: nichts. Bereits vor dem Hinspiel reagierte der Bayern-Trainer leicht genervt auf die sich wiederholenden Fragen. Die ganze Saison über hieß es vom Belgier vehement: Ich sage nichts.
Aufstellung entscheidet über Kompany
Wo sein Vorvorgänger Julian Nagelsmann gerne die Reporterinnen und Reporter mit der Enthüllung von Aufstellungsdetails überraschte und fütterte, bleibt Kompany eisern. Auf den möglichen Effekt, dass ein Spieler durch öffentliches Lob und die Zusicherung eines Einsatzes besonders motiviert in ein Spiel geht, verzichtete der Bayern-Trainer weitgehend.
Dabei rätselt die Öffentlichkeit besonders jetzt intensiv: Wen stellt Kompany von Anfang an auf den Platz? Wird es am Mittwoch ein „Thomas-Müller-Spiel“? Belohnt er Serge Gnabry für seine Leistung gegen Dortmund? Wohin mit Raphael Guerreiro? Bekommt Minjae Kim eine kreative Pause verordnet?
FC Bayern: Personalien mit Sprengkraft
Kompany steht unter enormen Druck. Denn jede Personalie birgt Sprengkraft in sich. Gerade bei Thomas Müller ist die Meinung der Fans und vieler Experten klar: Das Urgestein muss im San Siro von Anfang an ran.
„Natürlich habe ich versucht, mich mit einem guten Spiel anzubieten. Aber das gute Spiel habe ich nicht gemacht, um mich anzubieten, sondern weil es Sinn macht, ein gutes Spiel zu machen“, sagte Müller nach dem 2:2 gegen den BVB, schränkte seine Ambitionen aber auch ein: „Das haben aber andere meiner Teamkollegen auch versucht und auch geschafft. Deswegen hat der Trainer - gerade was das Offensivspiel betrifft - viele Optionen.“
Offensiv viele Optionen für Kompany
In der Tat: Während in der Defensive große Personalnot herrscht, hat Kompany in der Offensive fast ein Überangebot – auch weil Serge Gnabry mit einem Tor und einer guten Leistung gegen Dortmund auf sich aufmerksam machte.
Der Coach könnte guten Gewissens auf das Momentum der einzelnen Spieler setzen und damit einen Dominoeffekt auslösen: Müller hinter die Spitze, Gnabry auf den linken Flügel, Guerreiro auf die Außenverteidigerposition, Josip Stanisic in die zentrale Abwehr. Die Leidtragenden wären Leroy Sané und Minjae Kim. Der eine agierte glücklos, der andere verschuldete mit seinem Fehler den ersten BVB-Treffer und wurde kurze Zeit später von Kompany ausgewechselt.
Gefahr bei Kim
Sollte er Kim wirklich auf die Bank setzen, würde sicherlich nicht viel Kritik am Bayern-Trainer aufkommen. Doch den Koreaner würde das hart treffen. Bereits seine Ausbootung durch den damaligen Trainer Thomas Tuchel vor fast exakt einem Jahr zog Kim deutlich nach unten. Frust machte sich breit – und auch Selbstzweifel.
Der 28-Jährige wirkte für den Rest der vergangenen Saison mental nicht gefestigt und beschwerte sich prompt im Sommer 2024 über Tuchel. Der habe ihn nicht „sein Spiel“ spielen lassen.
Reizthema Thomas Müller
Ein noch größeres Problem droht Kompany allerdings bei Müller. Fans und Ex-Stars wie Stefan Effenberg fordern weiter vehement dessen Einsatz. Sollte der nicht spielen und die Bayern ausscheiden, würde sicherlich deutliche Kritik laut. Müller ist für viele das eine Ass im Ärmel, das man in jedem Fall im Guiseppe-Meazza-Stadion ausspielen muss.
„Ich plädiere nochmal für Müller. Das ist das Spiel, das er will. Er hat gegen Dortmund und im Hinspiel bewiesen, dass er den Unterschied ausmachen kann. Zudem kann er mitcoachen – das brauchst du in diesem Spiel“, sagte SPORT1-Experte Effenberg am Sonntag im STAHLWERK Doppelpass. Und Ex-Bayern-Star Alexander Zickler fügte hinzu: „Thomas marschiert, der läuft und haut sich rein. Er geht voran und ist für die Mannschaft da. Deswegen verstehe ich auch nicht, dass er bald den Verein verlassen muss.“
Deutlich wurde auch Lothar Matthäus in seiner Sky-Kolumne: „Wenn Kompany Müller nicht aufstellt und es geht schief, dann würde dem Trainer, der in den vergangenen Monaten tolle Arbeit geleistet hat, ganz sicher ein rauer Wind um die Ohren wehen.“
Sportvorstand Max Eberl hielt, angesprochen auf die Matthäus-Aussagen, wenig von derlei Spekulationen. „Lothar ist sehr weit weg von Internas“, sagte er vor dem Abflug nach Mailand. „Ob Thomas von der Bank kommt oder beginnt… Er hat es selbst gesagt: Es geht nur noch darum, das Ding reinzuhauen. Das eine Tor mehr zu schießen als Mailand, um mindestens die Verlängerung zu haben und im besten Fall noch eins zu schießen, um dann durchzukommen. Da wird Thomas einen Riesenteil dazu beitragen.“
Kompany steht ein Drahtseilakt bevor, der in der Bewertung seiner ersten Saison als Bayern-Trainer entscheidend sein könnte. Denn grundsätzlich ist das Erreichen des Viertelfinals in der Königsklasse zu wenig für die bayerischen Ansprüche. Nur wenn der Coach alle Optionen clever nutzt, kann er den kritischen Stimmen entgehen – selbst wenn es nicht fürs Halbfinale reichen sollte.