Joshua Kimmich nahm kein Blatt vor den Mund. „Es ist schon schwer zu akzeptieren. Man merkt natürlich auch, was es den Fans und dem Verein bedeutet hat. Da spürt man schon im Umfeld, dass es etwas ganz, ganz Großes ist. Dieser Traum ist geplatzt. Es ist sehr bitter.“
Kimmichs Dilemma
Mit diesen Worten reagierte Joshua Kimmich am Mittwochabend auf das Aus gegen Inter Mailand und das verpasste „Finale dahoam“– und setzte damit als einer der wenigen den Ton für eine ehrliche, aber kritische Bestandsaufnahme beim FC Bayern.
Wie schon nach dem Hinspiel und der 0:3-Niederlage bei Feyenoord Rotterdam im vergangenen Januar war es erneut der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, der Klartext sprach.
Kimmich: „Wir müssen erwachsener werden“
„Wenn man auf die Tabelle blickt, sind wir aktuell kein Top-Team in Europa“, hatte Kimmich bereits nach der Niederlage in den Niederlanden auf SPORT1-Frage festgestellt. „Wir haben von sieben Spielen drei verloren. Wer da der Meinung ist, dass wir ein Top-Team sind, der kann die Tabelle nicht lesen!“
Auch nach der 1:2-Niederlage im Hinspiel gegen Inter warnte er davor, die eigenen Defizite zu übersehen: „Wir müssen erwachsener werden.“ Es sind Aussagen, die nicht zufällig von Kimmich kommen, sondern Teil seines Selbstverständnisses als Führungsspieler sind.
Kimmich nicht überzeugend
Doch während seine Stimme in solchen Phasen großes Gewicht hat, wird seine eigene sportliche Leistung ebenfalls von allen Seiten genauestens beäugt. Gegen Inter zeigte Kimmich keine katastrophale, aber eben auch keine überzeugende Leistung.
Im Rückspiel fehlte ihm in entscheidenden Momenten die Präsenz, um das Spiel zu ordnen oder Ruhe auszustrahlen – gerade vor Inters Doppelschlag, der das Weiterkommen in wenigen Minuten zunichtemachte.
Von SPORT1 erhielt Kimmich die Note 5. Besonders bitter: Vor dem 1:1 konnte er den Ball nach einem unglücklichen Kontakt nicht klären.
Auch im Hinspiel wirkte sein Spiel zu kontrolliert, fast zaghaft – sowohl offensiv als auch in der Absicherung. SPORT1 urteilte: „Große Inspiration ging von ihm ebenfalls nicht aus“, und vergab die Note 4.
Bayern-Bosse erwarten mehr von Kimmich
Nach SPORT1-Informationen wurde seine Leistung nach dem Rückspiel auch klubintern kritisch diskutiert. Nicht weil sie besonders schlecht gewesen wäre – sondern weil die Bayern von Kimmich schlicht mehr erwarten.
Intern schätzt der Rekordmeister seine Haltung, seine Bereitschaft, voranzugehen. Auch deshalb wurde seine Vertragsverlängerung im März als klares Zeichen gewertet.
Über Monate wurde über seine Zukunft spekuliert, Gespräche zogen sich hin – zwischenzeitlich hatte der Verein sogar ein bereits vorliegendes Angebot zurückgezogen.
Am Ende kam es dennoch zur Einigung, Kimmich verlängerte seinen Vertrag in München – ein Zeichen in Richtung Kontinuität und Identifikation.
Kimmichs Dilemma
Die italienische Tuttosport kommentierte Kimmichs Rolle nach dem Rückspiel in Mailand so: „Die vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten unter den Bayern-Spielern helfen der Mannschaft in Zeiten der Not nicht. Kimmich, die wichtigste Person im Bayern-Kader, wird von Lautaro versenkt.“
Eine Formulierung, die hart klingt – aber sinnbildlich für das Dilemma steht, in dem sich Kimmich aktuell bewegt. Als Fixpunkt im zentralen Mittelfeld bleibt er elementar, doch in den ganz großen Spielen hat ihm zuletzt die Durchschlagskraft gefehlt.
Kimmich ist ein Spieler, der Misserfolge nicht einfach so abschüttelt. Nach dem WM-Aus 2022 sprach er offen, hatte „Angst, in ein Loch zu fallen“. Mittlerweile wirkt er gefestigter und reifer. Nach dem Inter-Hinspiel sagte er: „In mir brodelt es, aber ich bin keine 20 mehr und stampfe hier auf den Boden“, sagte er auf SPORT1-Frage.
Lässt Kimmich Taten folgen?
Joshua Kimmich ist und bleibt ein Führungsspieler beim FC Bayern – in sportlicher wie mentaler Hinsicht. Doch die Phase, in der Worte allein ausreichen, ist vorbei. Nach dem Champions-League-Aus richtet sich der Blick nun auf die Bundesliga.
„Wenn wir die Meisterschaft nicht holen, ist das wieder eine schlechte Saison“, sagte er. Drei Siege braucht es noch. Dann könnte die Saison zumindest national versöhnlich enden. Für Kimmich bedeutet das: Leistung zeigen, vorangehen – und mit Taten unterfüttern, wofür er mit Worten steht.