Diesmal war jede Diskussion überflüssig. Als in Kopenhagen nach rund einer Stunde der Elfmeterpfiff ertönte, war jedem klar, wer sich den Ball schnappen würde. Nicht einmal Serhou Guirassy zuckte. Ramy Bensebaini, der Minuten zuvor noch in höchster Not gegen Moukoko grätschte, machte ein paar kleine Schritte, verzögerte, schickte Kopenhagen-Keeper Kotarski in die falsche Ecke und schob souverän flach links ein – 2:1-Führung für den BVB.
Ramy Bensebaini beim BVB: Eine Umschulung macht ihn unersetzlich
Immer mehr Genie als Wahnsinn
Kaum ein Spieler ist zuverlässiger vom Punkt als der Algerier. Bensebaini verwandelte bislang jeden seiner zwölf Elfmeter (u.a. für Ex-Klub Borussia Mönchengladbach und die algerische Nationalmannschaft). Kein Wunder, dass er Guirassy zum Spiel gegen Juventus Turin (4:4) als Schütze Nummer eins – in Abwesenheit von Emre Can - ablöste.
Doch nicht nur aus elf Metern ist der Verteidiger beim BVB nicht mehr wegzudenken. Und das, obwohl er lange Zeit unter dem Radar schwamm.
Bensebaini beeindruckt Kovac: „Zeigt, wie sehr ich ihn wertschätze“
„Er ist im Moment einer der wichtigsten Punkte in der Mannschaft von Niko Kovac“, erklärte Ex-BVB-Spieler Patrick Owomoyela bei Prime Video. Welchen Stellenwert Bensebaini mittlerweile bei Niko Kovac einnimmt, zeigt ein Blick auf seine Einsatzzeit in dieser Saison.
Schon bei der Klub-WM war Bensebaini einer der wenigen Dauerläufer beim BVB, stand jede Minute auf dem Feld.
Und auch in der Anfangsphase dieser Spielzeit beorderte Kovac den 30-Jährigen fast immer in die erste Elf - und das über die gesamten 90 Minuten. Nur gegen den FC Bayern kam er erst nach dem Seitenwechsel – mit sichtbarem Erfolg. Gegen Kopenhagen durfte er fünf Minuten vor Schlusspfiff verdient Feierabend machen. Sonst verpasste er keine Minute.
BVB-Star Bensebaini mit Startschwierigkeiten
„Alleine die Tatsache, dass er eigentlich alles spielt, zeigt, wie sehr ich ihn wertschätze. Die Entwicklung, die er genommen hat, ist sensationell gut“, lobte Kovac seinen Innenverteidiger nach dem 4:2-Sieg in Kopenhagen. Doch das war nicht immer so.
Als er im Sommer 2023 aus Gladbach ablösefrei zum BVB wechselte, konnte er lange Zeit die Erwartungen nicht im Ansatz erfüllen und bekam folglich wenig Spielzeit. Vor allem nach dem Leihgeschäft von Ian Maatsen rückte Bensebaini endgültig in die zweite Reihe.
Nur 17 Mal lief er für Schwarz-Gelb in seiner ersten Saison auf. Meist kam er nur von der Bank. Auch, weil er sich am Innenband verletzte. Seine aktuelle Form zeigt: Er war lange Zeit unterschätzt. Doch gerade die Umschulung macht ihn jetzt unersetzlich.
Dank Umschulung: Bensebaini „hat es begriffen“
Anlass dafür waren die Verletzungen von Emre Can und kurze Zeit später auch noch von Nico Schlotterbeck. Niko Kovac gingen die Alternativen in der Innenverteidigung aus. Weil Bensebaini schon des Öfteren in der Nationalmannschaft auf dieser Position auflief, hatte der BVB-Coach wenig Bedenken.
Auch, wenn er anfangs nicht zufrieden war: „Ramy hat ein bisschen gebraucht. Weil ich habe schon ein ganz anderes Anforderungsprofil von dieser Position oder auch von der Außenposition. Am Anfang hat er die ersten zwei, drei, vier Spiele überhaupt nicht gemacht. Weil ich schon viel mehr von ihm erwartet habe“, sagte Kovac und fügte hinzu: „Er hat es begriffen. Ich habe ihm das dann auch erklärt, was ich von ihm erwarte. Und das setzt er jetzt um.“
Auch Schlotterbeck zeigte sich beeindruckt von der Leistung seines Stellvertreters: „Ich habe es Ramy auch schon persönlich gesagt. Es gefällt mir extrem, wie er spielt. […] Die Dreierkette ist für ihn echt prädestiniert. Er spielt gerade sehr seriös, sehr erwachsen.“
„Der technisch stärkste Spieler“
Als linker Innenverteidiger in der Dreierkette liegen seine Schwerpunkte auf der defensiven Absicherung und Spieleröffnung. Diese Rolle steht ihm deutlich besser zu Gesicht als zuvor.
Als Linksverteidiger in einer Viererkette musste Bensebaini immer nach vorne mitmarschieren, aber auch Defensivaufgaben übernehmen. Dabei schwankte er oft zwischen Genie und Wahnsinn. Ab und an streut er zwar immer noch konfuse Aktionen in sein Spiel. Doch er ist deutlich konstanter, in seinen Aktionen steckt immer häufiger und deutlich mehr Genie als Wahnsinn.
„Toller Mensch, toller Fußballer. Der technisch stärkste Spieler, den wir in dieser Mannschaft haben“, lobte Kovac. Der 54-Jährige schätzt neben Bensebainis Einsatz, Leidenschaft und Energie vor allem auch seinen linken Fuß.
Der Konkurrenzkampf in der Innenverteidigung spitzt sich weiter zu. Denn auch Aaron Anselmino, der ein starkes Debüt feierte und nach einer Verletzung zurückkehrte, und auch Niklas Süle scharren in der zweiten Reihe mit den Hufen. Kapitän Emre Can arbeitet ebenfalls weiterhin fleißig an seinem Comeback. Am Stellenwert von Bensebaini dürfte das erstmals nichts ändern. Denn nicht nur als eiskalter Elfmeterschütze ist der Algerier aktuell nicht mehr wegzudenken.