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„Einfach nicht clever“: Ex-DFB-Star übt Kritik am Bundestrainer

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Wück? „Das war einfach nicht clever“

Siegen oder fliegen heißt es für Deutschland im EM-Viertelfinale gegen Frankreich. Im SPORT1-Interview erklärt Olympiasiegerin Simone Laudehr worauf es ankommt, was man aus der Schweden-Klatsche lernen muss - und welche Aussage von Bundestrainer Christian Wück ihr missfiel.
In den vergangenen Wochen hatte es DFB-Torhüterin Ann-Katrin Berger nicht leicht. Die Schlussfrau sah sich zunehmender Kritik ausgesetzt, auch von Trainer Christian Wück. Doch die 34-Jährige bleibt gelassen.
Siegen oder fliegen heißt es für Deutschland im EM-Viertelfinale gegen Frankreich. Im SPORT1-Interview erklärt Olympiasiegerin Simone Laudehr worauf es ankommt, was man aus der Schweden-Klatsche lernen muss - und welche Aussage von Bundestrainer Christian Wück ihr missfiel.

Nach der Klatsche gegen Schweden wartet im EM-Viertelfinale mit Frankreich eine große Aufgabe auf die DFB-Frauen (Sa., ab 21 Uhr im LIVETICKER). Dennoch lebt der Traum vom ersten EM-Titel seit 2013 – damals war Simone Laudehr noch mittendrin im Geschehen.

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Im Interview mit SPORT1 spricht die zweimalige Europameisterin, Weltmeisterin von 2007 und Olympiasiegerin unter anderem über die Lehren aus der Schweden-Partie und den Schlüssel gegen Frankreich. Bei Bundestrainer Christian Wück gefällt ihr die taktische Idee, andere Dinge sieht sie jedoch deutlich kritischer.

SPORT1: Frau Laudehr, gegen Schweden gab es ein bitteres 1:4. Was lief da schief und was macht dennoch Hoffnung für die K.o.-Runde?

Laudehr: Man hatte auch Pech, aber in vielen Situationen funktionierte es einfach nicht ganz. Da war man hinten offen wie ein Scheunentor. Das sind Fehler, die man aber im Laufe eines Turniers abstellen kann. Man merkt, dass sie den Kampfgeist haben, dass sie als Team agieren und dass sie es unbedingt wollen. Ich hoffe, dass sie diese gewisse Stärke entwickeln und gegnerische Teams das Gefühl haben: Okay, wir müssen wissen, dass die Deutschen innerhalb eines Turniers unfassbar stark zurückkommen können.

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SPORT1: Haben Sie so eine Situation auch mal erlebt bei einem Turnier?

Laudehr: Ja, so war es bei uns teilweise auch. Was wir manchmal für Gruppenphasen gespielt haben … Da hat Silvia Neid uns auch mal richtig gepackt, was richtig war. So wacht man auf. Ich hoffe, dass sich Deutschland jetzt wieder in so einen Rausch spielt. Die können sich im Laufe des Turniers einfach zu einem Biest entwickeln.

EM-Kader der DFB-Frauen: Laudehr vermisst Namen

SPORT1: Die Mannschaft hat nach der Niederlage gegen Schweden viel mit der Unterzahlsituation nach der Roten Karte argumentiert. War das tatsächlich das zentrale Problem?

Laudehr: Man kann die Verantwortung immer woanders hinschieben, aber das Mindset beginnt immer bei einem selbst oder beim Team. Dann muss ich eben versuchen, während des Spiels strategisch so zu agieren, dass ich mir erstmal keine drei oder vier Gegentreffer hinten einfange und auch Schwächen des Gegners schnell erkenne. Zum Zeitpunkt der Roten Karte stand es ja erst 2:1 für Schweden. Man muss sich immer an die eigene Nase packen und schauen: Was kann man tun, dass man jetzt nicht eine volle Packung bekommt? Das kannst du auch in Unterzahl schaffen. Darüber musst du dir Gedanken machen, nicht über die Unterzahl.

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SPORT1: Carlotta Wamser ist nun für das Viertelfinale gesperrt, Giulia Gwinn verletzt. Letztere war ohnehin die einzige gelernte Rechtsverteidigerin im Kader. Ist Christian Wück damit ein zu großes Risiko eingegangen?

Laudehr: Ich verstehe nicht, warum man Caro Simon nicht mitgenommen hat. Sie war die letzten Jahre sehr stark, hat immer eine der tragenden Rollen eingenommen. Und dann hatte sie niemand auf dem Schirm. Das fand ich sehr verwunderlich. Aber Christian Wück hat halt gepokert. Er hat ja noch Verteidigerinnen mit Sarai Linder und Franziska Kett. Und am Ende des Tages kann man auch mal eine andere Position spielen. Natürlich ist es ein krasser Umschwung, wenn du von der rechten Mittelfeldseite auf einmal als Innenverteidigerin agieren musst. Aber wir sind Fußballerinnen und keine Taktikmaschinen. Das bekommt man schon hin. Und Wück hat bei der Nominierung mehr auf die Offensive gesetzt, das ist sein gutes Recht.

Änderungen gegen Frankeich? „Würde auf Erfahrung umstellen“

SPORT1: Die Defensive stand zuletzt im Zentrum der Kritik. Sind da abseits der Rechtsverteidiger-Position noch weitere Änderungen für das Viertelfinale notwendig?

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Laudehr: Es ist eine schwierige Situation. Die Innenverteidigerinnen waren nicht gerade die Konstantesten und Kathrin Hendrich hat es echt stark gemacht (nach der Einwechslung gegen Schweden, Anm. d. Red.). In diesen Situationen sieht man den Unterschied, wie viele Länderspiele die zwei Innenverteidigerinnen (Rebecca Knaak und Janina Minge) gemacht haben und wie viele Länderspiele Kathy schon gemacht hat. Ich würde auf Erfahrung umstellen, aber es ist auch die Frage, wie angreifbar sich der Trainer damit machen würde.

SPORT1: Und wie stehen Sie zum Ansatz des Bundestrainers, so hoch verteidigen zu lassen?

Laudehr: Ich finde es gut. Wo will man den Ball sonst verteidigen? Wenn du ihn am eigenen Sechzehner verteidigst, musst du beim Ballgewinn erst die ganzen Meter wieder zum anderen Sechzehner laufen. Ich finde es gut, den Gegner in der eigenen Hälfte sofort den Zahn zu ziehen. Aber du musst wissen, wie deine Gegenspielerinnen laufen. Du bist in der Verteidigung auch dafür verantwortlich, dass es vorne stimmt. Dementsprechend kannst du dann die Restverteidigung organisieren. Wenn du das nicht machst, würde ich auch nicht hoch anlaufen – oder eben aggressiver verteidigen.

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SPORT1: Werfen wir einen Blick auf die Offensive. Deutschland verfügt mit Klara Bühl und Jule Brand über ein sehr starkes Duo auf den Flügeln, allerdings hapert es noch an der Chancenverwertung. Wie sehen Sie das?

Laudehr: Das ist perfekt zusammengefasst. Wenn sie all diese Tore gemacht hätten, für die sie die Chance hatten, würde sich vermutlich keiner fragen, ob sie durch das Viertelfinale kommen. Natürlich haben sie ihre Erfahrungen gesammelt und sich weiterentwickelt, aber eine Turnierphase ist immer noch etwas anderes. Jetzt in der K.o.-Phase muss es klicken. Jetzt müssen die Visionen im Kopf da sein, wie man bestimmte Situationen unbedingt ausführen will. Aber die Mädels haben ein gutes Mindset und erarbeiten sich die Chancen. Jetzt müssen sie eben – klugscheißerisch gesagt – nur noch rein.

Wück-Kritik an Berger: „In der Öffentlichkeit nicht gut“

SPORT1: Wie beurteilen Sie die Leistung von Ann-Katrin Berger bislang? Auch über sie wurde viel diskutiert …

Laudehr: In einem Spiel bist du der Buhmann, im nächsten Spiel der Superheld. Sie hatte ja gesagt, dass es nicht mehr Fehler waren als in den letzten Spielen – da gebe ich ihr recht. Aber vielleicht waren es ein paar miesere Schnitzer. Die fallen eben sofort ins Auge, aber es sind ja keine Gegentore daraus entstanden. Und ich finde es gut, dass sie diese langen Bälle versucht. Nur wenn die nicht ankommen, würde ich es trotzdem irgendwann mit klareren Bällen versuchen. Aber sie hat den Mut, es durchzuziehen. Ich glaube nicht, dass sie das groß an sich ranlässt. Wer mal in den USA gespielt hat, weiß, was Druck ist.

SPORT1: Wie haben Sie die öffentliche Kritik von Christian Wück an ihr wahrgenommen?

Laudehr: Das war einfach nicht clever, das vor der Presse zu machen. Als Trainer oder auch als Spielerin musst du nicht alles schönreden. Man kann auch mal klar auf den Tisch hauen. Aber wenn er es clever gemacht hätte, hätte er gesagt: „Wir werden uns ihre Situation genauso anschauen wie alle anderen Situationen auch. Wir reden mit den Spielerinnen und verbessern es im Training.“ Was dann hinter den Kulissen passiert, ist was anderes – nur in der Öffentlichkeit fand ich es nicht gut. Aber Ann-Katrin kann das ganz gut einordnen, glaube ich.

SPORT1: Sprechen wir über Frankreich. Worauf muss das DFB-Team besonders aufpassen?

Laudehr: Sie versuchen, Vertikalbälle schnell abzufangen, und dann geht die Post nach vorne los. Die Französinnen haben unfassbar gute Konterspielerinnen. Da gibt es eben eine Sandy Baltimore oder auch Sakina Karchaoui. Von Marie-Antoinette Katoto ganz zu schweigen, die ist eiskalt vor dem Tor. Auch Delphine Cascarino – die sind alle unfassbar schnell im Umschaltspiel.

Laudehr: „Wir haben unsere goldene Ära verlassen“

SPORT1: Und wo liegen die Chancen für Deutschland?

Laudehr: Sie müssten den Spieß umdrehen. Bei Frankreich ist hinten auch nicht alles Gold, was glänzt. Sie (DFB-Frauen. Anm. d. Red) müssen eine sehr gute Restverteidigung halten, das zentrale Mittelfeld gut führen und schnelle Ballgewinne herbeiführen, sobald sie den Ball mal verlieren. Da muss es direkt vertikal nach vorne in die Schnittstellen reingehen. Ich glaube, dass Frankreich da unfassbar anfällig ist.

SPORT1: Wäre es ein herber Rückschlag, wenn das DFB-Team im Viertelfinale ausscheiden würde – auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung des deutschen Frauenfußballs?

Laudehr: Wir haben unsere goldene Ära aus verschiedenen Gründen verlassen. Daran müssen wir uns gewöhnen. Wenn sie jetzt rausgehen, wäre das natürlich für alle enttäuschend. In der Entwicklung wird sich jetzt nichts ändern, aber wir müssen noch viel an der Jugend arbeiten. Da kann man in den nächsten Jahren noch etwas rausholen.

SPORT1: Abschließend - wer ist Ihr Favorit auf den EM-Titel?

Laudehr: Spanien. Die sind gerade auf einem anderen Planeten unterwegs.