Bessere Paradebeispiele der Kategorie „Glanztaten“ hätte Marc-André ter Stegen in der Schlussphase des Nations-League-Halbfinals gegen Portugal (1:2) kaum liefern können.
Gegensätzliche Fußballwelten
Erst rettete der 33-Jährige gegen Diogo Jota mit einem unglaublichen Reflex, bei dem der rechte Arm hochschnellte, dann gegen den formidabel aufspielenden Francisco Conceicao im Eins-gegen-Eins.
Was blieb: Gestärktes Urvertrauen. Zumindest im Nationalteam. Denn da sprach Bundestrainer Julian Nagelsmann dem Wahl-Katalanen in den Tagen von Herzogenaurach die uneingeschränkte Rückendeckung aus.
„Marc wird die Nummer eins sein. Das habe ich schon oft betont“, sagte Nagelsmann: „Das haben wir immer betont. Ich habe volles Vertrauen.“
„Er ist ein Weltklasse-Torwart“
Und auch in der Mannschaft ist ebenjenes spürbar.
Auf der Pressekonferenz am Freitagmittag erklärte Stürmer Deniz Undav auf SPORT1-Nachfrage: „Marc-André hat lange auf seine Chance gewartet, die hat er jetzt bekommen und da war vorher auch kein Gedanke, dass er nicht die Nummer eins sein würde. Natürlich vertrauen wir ihm.“
Was Undav an ihm schätzen würde? „Er ist ein Weltklasse-Torwart, das sehen wir Spieler jeden Tag im Training und das hat man beim Spiel gegen Portugal vor zwei Tagen auch am Ende gesehen, was er da für Paraden gemacht hat.“ Mehr Vertrauen geht nicht!
Und das für einen Torhüter, der seit nunmehr 13 Jahren auf seinen großen Nationalmannschafts-Auftritt wartet. 2012 feierte ter Stegen sein Debüt mit dem Adler auf der Brust, musste sich seither aber unentwegt Manuel Neuer als Nummer eins beugen.
Selbst nach langen Verletzungsunterbrechungen stand der Bayern-Keeper nahezu unangefochten zwischen den Pfosten – ohne Spielpraxis, ohne Rhythmus.
Dass ter Stegen inzwischen auf dem Niveau angekommen sei, bekräftigte Nagelsmann abermals: „Er ist in einem Alter, in dem er nicht mehr den Mega-Rhythmus braucht. Wenn er 22, 23 wäre, würde ich mir Gedanken machen.“
Gegen Portugal merkte man ter Stegen, der über 220 Tage wegen eines Patellasehnenrisses bis Anfang Mai pausieren musste, zwar noch kleine Unsicherheiten im Aufbauspiel an, sonst ließ er jedoch seine Qualität aufblitzen.
Neue Gerüchte um Barca-Abschied
Die Qualität, die ihn auch nach langen Pausen vor Ersatzkeeper Oliver Baumann oder VfB-Rückhalt Alexander Nübel schiebt - und die Qualität, die ihm wohl im kommenden Sommer mit 34 Jahren seinen ersten Einsatz bei einer WM bescheren dürfte.
„Marc-André ist ein überragender Torwart, genauso wie Oli und Alex. Als Spieler macht man sich da keine Gedanken“, bestätigte auch Undav.
Wer sich sehr wohl Gedanken machen dürfte, ist aber ter Stegen selbst. Nicht etwa wegen seines Platzes in der Nationalmannschafts, eher aber um seine unangefochtene Rolle im Klub.
Denn der Kapitän des FC Barcelona war während seiner neunmonatigen Ausfallzeit nicht unangetastet, selbst die Kapitänsbinde fungierte kaum als Schutzweste für den Deutschen.
Barca-Präsident Joan Laporta deklarierte ihn – traut man diversen spanischen Medienberichten – gar zum Verkaufskandidaten.
Am Wochenende legte die Zeitung Sport nach. Man wolle ter Stegen sogar das Gehalt für das nächste Jahr auszahlen, wenn er den Verein verlasse, hieß es in dem Bericht. Auch war von einem angeblich „schwierigen Verhältnis” zu Trainer Hansi Flick zu lesen.
Und dass ausgerechnet vom Stadtrivalen Espanyol Barcelona ein Keeper-Juwel namens Joan García kommen soll, entspannt die Situation auch keineswegs.
Bereits zum Ende der abgelaufenen Saison hat der langjährige polnische Nationalkeeper Wojciech Szczesny phasenweise von Flick den Vorzug vor dem Deutschen bekommen. Weil dieser eben keine Spielpraxis hatte.
So wird sich Marc-André ter Stegen nach dem Spiel um Platz drei in der Nations League am Sonntag gegen Frankreich (ab 15 Uhr im Liveticker auf SPORT1) in einem Sommer ohne Klub-WM wieder verstärkt um seine komplizierte Situation auf Vereinsebene konzentrieren.
Immerhin: Seine Nationalmannschaftskollegen weiß er hinter sich.