Völlig losgelöst von bisherigen Kaderbekanntgabe-Traditionen dreht der Deutsche Fußball-Bund diese Woche kräftig am Kreativ-Rad! Passt zum „neuen“ DFB, der in vielen Bereichen, also nicht nur sportlich, seit Monaten eine Menge hinterfragt, neu bewertet und den veränderten Begebenheiten anpasst. Gut so, weil fortschrittlich.
Der DFB gibt den Takt vor
Zurück zur Kaderbekanntgabe, die gerade ein Riesen-Thema ist. Weil neu, weil anders. Weil vom DFB gelenkt.
Schon die Toni-Kroos-Rückkehr im Februar wurde zum großen Reichweiten-Volltreffer in den Fußball-Kanälen auf Social Media.
Nominierungs-Leaks nervten den DFB
Was danach, an den Tagen vor Julian Nagelsmanns Kader-Verkündung für die März-Länderspiele, also den Start ins deutsche EM-Jahr, passierte, fand beim Verband dann aber niemand wirklich lustig. Auch der Bundestrainer und sein Entscheider-Team waren nicht wirklich begeistert, dass Tag für Tag Spielernamen durchgesteckt wurden, also, wer dabei ist oder eben auch nicht. In einer neuen Dimension.
Da der Bundestrainer zum Teil mehrere Tage vor der Bekanntgabe mit seinen Spielern telefonierte, kamen unterschiedliche Quellen infrage, die die vertraulichen Informationen geleakt haben könnten. Weniger als auf Mitarbeiter der Vereine fiel der Verdacht auf das Umfeld der Spieler, und da vor allem auf verschiedene Berateragenturen, die zum Teil eng (und natürlich im Sinne ihrer Klienten) mit Reportern „zusammenarbeiten“.
Die Dortmund-Geschichte, dass Nagelsmann mit Mats Hummels, Nico Schlotterbeck, Niklas Süle, Emre Can und Karim Adeyemi auf fünf BVB-Spieler verzichtete, produzierte zwei Tage lang Schlagzeilen, wilde Mutmaßungen und Kommentare.
Oder die Sache mit den Neulingen, also zum Beispiel die drei Stuttgarter Waldemar Anton, Maxi Mittelstädt und Denis Undav. Sie waren längst veröffentlicht, genau wie Jan-Niklas Beste (Heidenheim), bevor der Kader am 14. März offiziell verkündet wurde.
Neu war auf der eigens einberufenen Pressekonferenz am Ende nichts mehr. Nur die Bewertung des Bundestrainers zu den verschiedenen Personalien und seinen Entscheidungen hatte noch Nachrichtenpotenzial.
Pflegedienst, Dachdecker oder Tagesschau: Kreative Verkündungen
Beim DFB steckten sie daraufhin die Köpfe zusammen. Das Ergebnis, also die Idee mit der Kaderbekanntgabe jetzt, kann sich absolut sehen lassen. Denn der Verband, der die Inhalte ja liefert, ist wieder Herr seiner Neuigkeiten geworden, er platziert und positioniert die interessanten Spielernamen selbst, noch dazu wirklich einfallsreich und „groß“.
Über die Tagesschau, Deutschlands wichtigste und meistgesehene Nachrichtensendung, wurde Sonntag Nico Schlotterbeck als erster EM-Fahrer vermeldet. Jonathan Tah danach über einen Hamburger Pflegedienst und „Oma Lotti“, Bayern-Aufsteiger Aleksandar Pavlovic am Montagabend im Starmagazin Exclusiv bei RTL, wie Das Erste auch ein Rechtepartner der Europameisterschaft. Später folgte Manuel Neuer, verkündet von einer reichweitenstarken Dachdeckergesellin auf Instagram! Und es ging Schlag auf Schlag weiter.
Das Gute für den DFB: Nicht nur unter Fans in den sozialen Medien ist die Verkündung ein riesiges Thema, viele rätseln wie und wo wohl der nächste Spieler veröffentlicht wird, sondern auch in den klassischen Medien. Alle berichten darüber, über die Aktion, aber vor allem über die Spieler, der DFB gibt den Takt vor.
Wenn das ab Mitte Juni dann auch auf dem Spielfeld so ist, wird mit ziemlicher Sicherheit auch der letzte Fan den neuen DFB-Anstrich voller Überzeugung feiern...