Es läuft die achte Spielminute im Rückspiel des Europa-League-Viertelfinales zwischen dem FC Sevilla und Manchester United.
Die Gründe des United-Desasters
Nachdem United-Linksverteidiger Diogo Dalot einen Konter der Spanier unterbunden hat und den Ball zurück auf Manchesters Kapitän Harry Maguire spielt, scheinen die Red Devils zunächst alles im Griff zu haben.
Maguire spielt zurück auf United-Schlussmann David de Gea, der wiederum über den Abwehrboss aufbauen will. Aber drei Sevillanos umzingeln den überforderten Maguire, der den Ball an der Strafraumkante verliert - es folgt das 1:0 für Sevilla. Der Anfang von Uniteds Europa-League-Debakel.
Die letzte Titelchance des einstigen Giganten in Europa war dahin. Dabei hatte United nach sportlich turbulenten Jahren unter Coach Erik ten Hag in dieser Saison überwiegend positive Schlagzeilen geschrieben. SPORT1 skizziert die Gründe des United-Desasters.
Brandherd eins: Kapitän Maguire als Unsicherheitsfaktor
„Harry Maguire muss aus dem Club geworfen werden!“, zitierte die britische Sun einen Tweet eines United-Fans.
Harte Worte gegen den United-Kapitän, der seit seinem Wechsel 2019 von Leicester gen Manchester seiner vorgesehenen Rolle als Abwehrboss nur selten gerecht wurde.
Sein Fauxpas vor der Sevilla-Führung war nicht die erste Slapstick-Nummer von Maguire, die in den sozialen Medien viral geht.
United-Legende Gary Neville, sonst einer der größten Maguire-Kritiker, nahm den englischen Nationalspieler bei BT Sport in Schutz: „Es gibt drei weiße Hemden um Harry Maguire herum, schau nur. Er ist in der Mitte des Dreiecks, ich bin mir nicht sicher, ob er den Ball dort haben will.“
Doch wer hat wirklich Schuld am Gegentreffer? „Es ist Maguires Fehler, aber David de Gea muss den Ball sicherlich zu Wan-Bissaka spielen. Sehr schlecht“, urteilte Neville.
Anders sah es ein United-Fan auf Twitter: „Maguire hätte sich nur in den Freiraum vor ihm drehen müssen, um der Falle zu entgehen.“
Brandherd zwei: De Gea kommt mit dem Ten-Hag-Fußball nicht klar
Die Szene führt allerdings auch direkt zur nächsten Personalie, die bei United polarisiert: Torhüter David de Gea.
„Spielt de Gea in Flossen?“, bekam der nächste United-Star auf Twitter einiges an Häme ab. Dabei sprechen die nackten Zahlen in der laufenden Saison wieder für de Gea: Der 32-Jährige ist mit 18 Weißen Westen aktuell der Premier-League-Torhüter mit den meisten Spielen ohne Gegentor.
Und dennoch: In vielen Spielszenen wie beim 0:1 durch Sevilla-Angreifer Youssef En-Nesyri wird deutlich, wie schwer sich der frühere Nationaltorhüter Spaniens mit dem von ten Hag eingeforderten Spielstils tut.
„Dieser Manager will einen Fußballer, also bittet er David, etwas zu tun, mit dem er sich nicht wohlfühlt - das könnte ihn nervös machen“, meinte Ex-Bayern-Star Owen Hargreaves bei BT Sport.
Der niederländische Star-Coach müsse sich hinterfragen, ob seine Philosophie zur aktuellen United-Mannschaft passe. „Ten Hag will, dass seine Mannschaft von hinten herausspielt. Aber die Gegentore, die United kassierte, wurden genau dadurch verursacht. Es sieht also so aus, als ob er für diese Philosophie nicht geeignet ist“, analysierte Hargreaves.
Muss sich United nach der Saison vom Routinier trennen? „De Gea ‚war‘ eine Legende für diesen Verein, aber er sollte auf keinen Fall einen neuen Vertrag erhalten“, stellte ein Fan bei Twitter klar.
Brandherd drei: „United war überspielt“
„Es war eine absolute Schande für ein Viertelfinale!“, ließ United-Legende Paul Scholes bei BT Sport seinem Frust freien Lauf.
Der 48-Jährige erkannte eine weitere Ursache für das blamable United-Aus in der Europa League: „United war unterlegen. Überspielt. Sie waren schlampig am Ball. Es fehlte ihnen an Aggression.“
Das Duell am Donnerstag war das 52 Pflichtspiel der Red Devils in dieser Saison. Da ist es fast logisch, dass sich bei Maguire und Co. Unkonzentriertheiten einschleichen. Auf Topniveau benötige es „mehr Willen und mehr Ruhe am Ball“, fuhr Scholes fort.
Dass es Maguire überhaupt in die Startelf schaffte, hängt auch mit der langen Verletztenliste der Red Devils zusammen. Mit Lisandro Martinez, Raphael Varane und Luke Shaw fehlten drei der vier Stamm-Verteidiger gegen Sevilla verletzungsbedingt.
Hinzu kommt, dass Uniteds offensive Lebensversicherung Marcus Rashford derzeit immer wieder von kleineren Verletzungen zurückgeworfen wird. Zu Uniteds Lazarett gesellen sich Tom Heaton, Donny van den Beek, Scott McTominay und Alejandro Garnacho.
„Jeder kann sehen, dass die Anforderungen und das Niveau in einem Klub wie Manchester United höher sein müssen“, forderte Scholes eine deutliche Leistungssteigerung seines Ex-Klubs.
Vielleicht schafft ein Verkauf der Unsicherheitsfaktoren de Gea und Maguire im Sommer Abhilfe.