Die Europapokal-Historie des Halleschen FC ist überschaubar. Insgesamt stehen für den Klub aus Sachsen-Anhalt gerade einmal fünf Spiele auf internationalem Parkett zu Buche.
Eine fast vergessene Tragödie des DDR-Fußballs
Die fast vergessene Katastrophe
Nicht der Rede wert, könnte man behaupten. Zumal der HFC schon seit Jahrzehnten selbst in Deutschland keine große Rolle spielt und vor einem Jahr von der dritten in die vierte Liga abgestiegen ist.
Und dennoch ist der Name des HFC eng verbunden mit der Geschichte des europäischen Vereinswettbewerbs. Dass das so ist, hat mit den tragischen Ereignissen zu tun, die sich heute vor 54 Jahren zugetragen haben, im gesamtdeutschen Fußball bislang aber kaum Beachtung fanden.
In Eindhoven erleben die HFC-Spieler einen Albtraum
Es ist der 28. September 1971, als die junge Mannschaft des damaligen HFC Chemie vor dem bis dahin größten Spiel der Vereinsgeschichte stand. In der ersten Runde des UEFA-Cups, dem Vorgänger-Wettbewerb der heutigen Europa League, sollten die „Chemiker“ zum Rückspiel bei der PSV Eindhoven in den Niederlanden antreten.
Nach dem 0:0 im Hinspiel zwei Wochen zuvor reist der Tross aus Halle an der Saale nicht chancenlos zum Favoriten nach Eindhoven, der erstmalige Einzug in eine zweite Europapokal-Runde scheint möglich.
Doch statt sich ihren großen Traum erfüllen zu können, erlebt die Mannschaft an diesem Tag einen Albtraum.
Halle-Spieler wird schwer verletzt zum Helden
Im Hotel „Silbernes Seepferd“, wo die Spieler des HFC untergebracht sind, ereignet sich am Morgen des 28. September die größte Katastrophe der deutschen Europapokal-Geschichte.
„Das waren schlimme Dinge, die wir dort erleben mussten“, erinnerte sich Klaus Urbanczyk vor neun Jahren bei n-tv an die dramatischen Stunden in Eindhoven, als ein Feuer im Hotel ausbrach und die Spieler plötzlich um ihr nacktes Überleben kämpfen mussten.
Der eisenharte Verteidiger Urbanczyk gilt damals als größtes Idol des halleschen Fußballs. Doch zum Helden wird er in den Morgenstunden dieses Herbsttages vor 54 Jahren.
Er entkommt der Feuerhölle zunächst durch einen waghalsigen Sprung aus einer der oberen Etagen, bei denen er sich schwerste Verletzungen zuzieht. Dennoch kehrt der damals 31-Jährige in das brennende Hotel zurück und durchschlägt mehrere Fenster, um andere Hotelgäste ins Freie zu führen.
Dem Feuer-Inferno fällt auch ein HFC-Talent zum Opfer
Längst nicht alle Gäste aber sollten das Inferno überleben. Schon beim ersten, letztendlich aber gescheiterten Versuch, über das Erdgeschoss aus dem Hotel zu kommen, bietet sich Urbanczyk und einigen seiner Teamkollegen ein Bild des Grauens. An der Rezeption liegen zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Leichen.
Dass er selbst nur knapp dem Tod entronnen ist, nachdem er ohnmächtig zusammengebrochen war, wird ihm erst am folgenden Tag bewusst. Als er im Krankenhaus aufwacht, erhält er jedoch die nächste schockierende Nachricht.
Seine Mitspieler erklären ihm, dass sich unter den zwölf Toten auch sein erst 21 Jahre alter Teamkollege Wolfgang Hoffmann befindet - ein großes Nachwuchstalent, das aufgrund des Ausfalls von Stürmer Werner Peter mit nach Eindhoven reiste.
Zu diesem Zeitpunkt ist längst klar, dass der HFC nicht zum Rückspiel am 29. September antritt. Die Partie wird für die PSV gewertet.
Was zu dieser Brandkatastrophe führte, konnte nie aufgeklärt werden. An der Stelle, wo einst das Hotel stand, wurde später ein Kaufhaus errichtet.
Urbanczyk: „Ich habe nur getan, was ich tun konnte“
Urbanczyk aber hat noch Jahrzehnte später damit zu kämpfen, das Erlebte zu verarbeiten. Dass er in dem Zusammenhang noch immer als Held gefeiert wird, macht es nicht einfacher. „Ich habe nur getan, was ich tun konnte“, betonte er einmal im Gespräch mit der Mitteldeutschen Zeitung.
Vergessen ist die Katastrophe auch bei der PSV Eindhoven nicht. Trotz des damals noch herrschenden kalten Kriegs in Europa hielten die Spieler und deren Familien Kontakt nach Halle.
Nach dem Fall der Mauer intensivierten sich die Beziehungen noch, nach und nach entwickelten beide Vereine den Plan, das damals ausgefallene Europapokalspiel nachzuholen.
Und im April 2006 empfing der damalige Viertligist im alten Kurt-Wabbel-Stadion das Champions-League-Team aus Eindhoven um die Stars Phillip Cocu und Jefferson Farfan - und mit Trainerlegende Guus Hiddink, 1971 noch Spieler der PSV. Wolfgang Hoffmanns Vater war unter den Ehrengästen.
Seit vier Jahren erinnert ein Gedenkstein am Stadion des HFC an die Tragödie und den Tod von Wolfgang Hoffmann.