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Alles begann mit einem Verbot: Die vergessene Geschichte des Frauenfußballs

Alles begann mit einem Verbot

Im langen Kampf gegen Widerstände und Verbote haben Frauen sich den Fußball nie nehmen lassen.
Das erste offizielle Länderspiel der deutschen Frauen fand 1982 in Koblenz statt
Das erste offizielle Länderspiel der deutschen Frauen fand 1982 in Koblenz statt
© IMAGO/Sven Simon
Im langen Kampf gegen Widerstände und Verbote haben Frauen sich den Fußball nie nehmen lassen.

In der Berichterstattung rund um den Fußball der Frauen ist häufig die Rede davon, dieser sei eine „junge Sportart“. Als Startpunkt werden regelmäßig zwei Daten herangezogen, 1970 und 1989/90.

Im Jahr 1970 hob der DFB ein Verbot auf, das er in Westdeutschland 1955 eingeführt hatte: Vereine, die im Verband organisiert waren, durften in den 15 Jahren keine Frauen- und Mädchenabteilungen führen. Außerdem war ihnen verboten, Frauen Plätze zur Verfügung zu stellen und Schiedsrichter durften die Partien zwischen Frauenteams nicht pfeifen.

Der lange Weg zur Bundesliga

Nach dem Ende dieser Verbotsphase dauerte es bis 1989, dann beschloss der DFB-Bundestag für die Frauen auch die Einführung der Bundesliga. Zurück im Verband waren sie nämlich erst weiter gegängelt worden – mit verkürzter Spielzeit, einem kleineren, weichen Ball sowie einer langen Winterpause.

Die Bundesliga startete dann 1990/91 in ihre erste Spielzeit, damals noch in zwei Staffeln. Mit der Wiedervereinigung wurden in der Saison darauf zwei Vereine aus den neuen Bundesländern aufgenommen. Seit 1997 ist die Liga eingleisig.

Klingt erstmal, als wäre die These von der jungen Sportart gar nicht so falsch. Allerdings wird die Geschichte des Frauenfußballs damit nur in Ausschnitten erzählt. Dass es dabei oft bleibt, liegt daran, dass sie nicht linear verlaufen ist, aber auch an mangelndem Interesse: Lange Zeit war es kein großes Thema, wie der Kampf der Frauen um ihre Teilhabe am Spiel verlaufen ist.

Doch die haben in Deutschland bereits vor mindestens 100 Jahren Fußball gespielt, womöglich auch früher. Die Geschichte ist noch nicht komplett erforscht und aufgearbeitet. Was darüber bekannt ist, sind häufig Zufallsfunde.

Pioniere in den 1920ern

So forschte beispielsweise der mittlerweile verstorbene Harald Lönnecker zu Studierendenverbindungen, als er auf Studentinnen stieß, die bereits zu Anfang der 1920er in organisierten Teams Fußball spielten und Turniere ausrichteten.

Bis dahin war man lange davon ausgegangen, die Frankfurter Metzgerstochter Lotte Specht hätte in Frankfurt 1930 nicht nur namentlich den 1. Deutschen Damenfußballclub gegründet.

Der DFB verweigerte dem Verein damals die Aufnahme und auf der Homepage des Verbandes ergab die Suche nach Specht über Jahrzehnte null Treffer. Im Jahr 2024 wird sie im DFB-Journal vorgestellt – endlich. Specht lebte bis 2002. Was hätte sie alles erzählen können!

Auch während der Verbotsphase des DFB von 1955 bis 1970 spielten die Frauen hierzulande weiter Fußball: Sie gründeten eigene Vereine. Und damit waren die deutschen Fußballerinnen nicht alleine.

Große Spiele trotz Verbot

In vielen Ländern versuchten die männlichen Verbandsverantwortlichen, Frauen das Spiel mit dem Ball zu verbieten. Trotzdem starteten Mitte der 1950er Jahre eine Reihe von Länderspielen auch auf deutschem Boden, die viele Zuschauer*innen anlockten.

Das erste war die Partie der deutschen Frauen gegen die Niederlande in Essen vor rund 18.000 Menschen am 23. September 1956. Die Elf lief mit Adler auf der Brust auf, das Spiel endete 2:1 für Deutschland. Das erste Tor erzielte Lotti Beckmann nach Vorlage von Lore Barnhusen, der Jüngsten im Team.

Frühe EMs ohne deutsche Beteiligung

Im Jahr darauf fand, organisiert von der „International Ladies Football Association“, die erste EM der Frauen in Berlin statt. Die Niederlande, Österreich und England folgten der Einladung, Luxemburg sagte kurzfristig ab. England gewann das Turnier.

Während die Spiele jener Zeit hierzulande als „nicht offiziell“ gelten, erkennen die Verbände anderer Länder sie inzwischen an. Und damit auch die Erfolge der Frauen, die auf dem Platz standen. In der Logik des DFB hat es erst 1982 ein Länderspiel deutscher Frauen gegeben. So wird Geschichte umgeschrieben, werden die Sportlerinnen unsichtbar gemacht.

Auch in den Jahren 1969 und 1979 wurden Europameisterschaften ausgetragen, jedoch ohne deutsche Beteiligung. In Italien stellte der 1968 neu gegründete Verband „Federazione Italiana Calcio Femminile“ (FICF) nicht nur ein nationales Ligensystem auf die Beine, sondern auch ein Turnier.

Die Italienerinnen konnten sich den Titel sichern. Eine Neuauflage der EM scheiterte zunächst, 1979 trug Italien das Turnier aber erneut aus, Siegerin: Dänemark.

Die Sportart ist vieles, aber nicht jung

Und in die zehn Jahre dazwischen passen gleich zwei WMs, 1970 ebenfalls in Italien und 1971 in Mexiko. Über die „Copa 71“ läuft in Deutschland aktuell ein Film in den Kinos, der 2023 in den USA gestartet war. Gut 110.000 Menschen sahen das WM-Finale in Mexiko-Stadt.

Die Frauen, die in dieser eindrücklichen Dokumentation zu Wort kommen, erzählen, was viele frühe Fußballerinnen berichten, was viele der Sportlerinnen sagen – wenn sie überhaupt mal gefragt werden: Auf dem Platz, das war das Größte für sie.

Nach den Spielen aber, Turnieren und auch Erfolgen, kamen die Demütigungen, kam die Abwertung, mussten sie wieder und weiter kämpfen um ihr Recht, einfach zu spielen.

Im Fußball der Frauen gibt es deshalb gleich mehrere Generationen von Pionierinnen. Weil immer wieder von vorne begonnen werden musste mit dem sprichwörtlichen Kampf um den Ball in dieser Sportart, die vieles ist – nur nicht jung.