Als Giovanna Hoffmann beim DFB-Medientag Ende Juni in Herzogenaurach im SPORT1-Interview gefragt wurde, welche persönlichen Ziele sie sich für die Fußball-EM gesetzt habe, fiel ihre Antwort bescheiden aus.
Frauen-EM: Der Glaube gibt ihr Kraft
Der Glaube gibt ihr Kraft
„Ich möchte meine Rolle, die ich habe, so annehmen und ausfüllen, dass das Team bestmöglich davon profitiert“, gab sie seinerzeit zu Protokoll. „Ich möchte das Team unterstützen - und wenn es dann einen Moment gibt, wo die Mannschaft mich braucht, möchte ich zu 100 Prozent da sein und das Ganze dabei auch genießen, weil am Ende des Tages ist es mein erstes Turnier. Ich will die Freude daran einfach nicht verpassen.“
Inzwischen, knapp einen Monat später, ist jener Moment, in dem die Mannschaft sie braucht, längst eingetreten. Nach drei Kurzeinsätzen in den ersten drei EM-Spielen, in denen sie für Bayern-Stürmerin Lea Schüller aufs Feld kam, stand Hoffmann im Viertelfinale gegen Frankreich in der Startelf.
Bärenstarke Leistung gegen Frankreich
„Wir brauchen ihre Körperlichkeit und ihre Präsenz als Mittelstürmerin, weil wir vermuten, dass lange Bälle sowohl von den Französinnen als auch von uns kommen werden“, hatte Bundestrainer Christian Wück ihre Aufstellung begründet.
98 Minuten stand die 26-Jährige auf dem Feld, ging keinem Zweikampf aus dem Weg und sorgte damit bereits zur Halbzeit für einen neuen EM-Rekord. Innerhalb von 45 Minuten beging die Deutsche sechs Fouls - so viele wie keine Spielerin vor ihr.
Doch nicht nur mit ihrer kämpferischen Seite konnte sie überzeugen, sondern auch spielerisch war Hoffmann eine Bereicherung. Mit 70 Prozent hatte sie unter anderem die beste Passquote aller deutschen Spielerinnen.
Als sie in der Verlängerung von Schüller ersetzt wurde, wurde sie von den deutschen Fans voller Dank und Anerkennung verabschiedet.
Der Glaube gibt ihr Kraft
Dass es am Ende sogar für einen Sieg im Elfmeterschießen reichte, obwohl die DFB-Auswahl bereits frühzeitig in Unterzahl geraten war, krönte einen besonderen Tag. „Das war das größte Spiel meiner Karriere bis jetzt: ein K.-o.-Spiel für Deutschland bei einer EM“, freute sich die Angreiferin.
Kraft für ihren Auftritt zog die gläubige Christin zuvor auch aus einem Bibelvers, den sie vor dem Spiel gegen Frankreich gelesen hatte. Der Inhalt: „Dass nicht immer die Starken den Kampf gewinnen und nicht immer die Schnellen den Wettlauf, sondern dass alle von Zeit und Umständen abhängig sind.“
Ihr Glaube begleitete die Angreiferin auch durch die schwierigen Zeiten ihrer Karriere. Das Talent der 1,78 Meter großen Sportlerin war schon früh offensichtlich, unzählige Verletzungen aber beeinträchtigten ihre Laufbahn immens.
Hoffmann kämpfte mit vielen Verletzungen
Bereits mit 16 Jahren erlitt die damalige Junioren-Nationalspielerin 2015 einen Bruch des Sprunggelenks. Mit 20, Hoffmann war für Werder Bremen aktiv, konnte sie 2018 ein ganzes Jahr lang wegen Hüft- und Leistenproblemen nicht spielen, Ende 2020 zog sie sich in Diensten des SC Freiburg zudem einen Kreuzbandriss zu.
Doch Hoffmann kämpfte, biss sich durch und blickt seit ihrem Wechsel zu RB Leipzig im vergangenen Sommer auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Auf Klubebene sorgte sie für Furore, dazu kam ihr Debüt im Nationalteam.
Im Herbst 2024 war der neue Bundestrainer Wück nach dem Rücktritt von Alexandra Popp auf der Suche nach einer körperlich robusten Stürmerin - und blieb bei Hoffmann hängen.
Hoffnung auf einen Einsatz gegen Spanien
Mit Mitte 20 wurde die Leipzigerin erstmals für die Nationalmannschaft nominiert und stand bei Wücks Premierenspiel gegen England im Londoner Wembley-Stadion direkt in der Anfangsformation. Es gelang ein 4:3-Erfolg, seitdem gehört Hoffmann fest zum Team.
Nach dem größten Spiel ihrer bisherigen Karriere darf sich die Angreiferin auch für das Halbfinale gegen Spanien (Mittwochabend, ab 21 Uhr im LIVETICKER) Hoffnungen auf eine signifikante Anzahl an Spielminuten machen. Schließlich ist sie für Konterattacken gegen die für viel Ballbesitz und eine dominante Spielweise bekannten Spanierinnen geradezu prädestiniert.
Über den einen Moment, in dem das Team sie bei der EM brauchen könnte, ist sie schließlich längst hinaus.