Hallo Fußball-Fans,
Frauen-EM: Das muss oberste Priorität haben - Kolumne von Anja Mittag
Mittag: Das muss oberste Priorität haben
was war das für ein dramatisches Endspiel! Mit einem 3:1 im Elfmeterschießen gegen Spanien hat England den EM-Titel verteidigt. Das war ein Finale, wie ich es mir als neutraler Zuschauer gewünscht habe. England hat gut verteidigt, sie waren präsent und haben wenig zugelassen. Mir war klar, dass England einen mentalen Vorteil im Elfmeterschießen haben würde, weil sie es in diesem Turnier schon einmal erlebt haben.
Ohnehin ist England eine Mannschaft, die immer in der Lage ist, ein Spiel zu drehen - so auch im Finale. Das spricht für enorme Qualität. Sie sind auch in der Lage, von der Bank Qualität zu bringen. Sie haben einen breiten Kader. Auch in der Champions League hat ein englisches Team gewonnen und nun wieder das Nationalteam. Das sagt alles über die Qualität der Liga und die der englischen Spielerinnen aus.
Deutschland muss von England lernen
Spanien hat es verpasst, das Spiel zu killen. Sie waren zwar dominant, konnten das Spiel aber nicht entscheiden. Das fehlt ihnen noch ein wenig. Das wird eine Herausforderung für sie in den nächsten Jahren.
Bei den Spanierinnen finde ich es schade, dass nicht mehr Spielerinnen den Schritt ins Ausland wagen, wie Mariona Caltendey oder Esther González. Das ist auch ihrer Kultur geschuldet. Und warum sollen sie auch ins Ausland gehen, wenn sie in der heimischen Liga einen guten Konkurrenzkampf haben?
Auf der anderen Seite wird Barcelona in der Liga nicht wirklich herausgefordert, ausgenommen die Spiele gegen Real Madrid. Deshalb denke ich auch, dass die spanische Liga nicht besser ist als die deutsche.
Dennoch spielen immer mehr deutsche Stars wie Jule Brand oder Ann-Katrin Berger in anderen Ligen. Auch Ausnahmespielerinnen aus anderen Ländern findet man nicht so häufig in der Bundesliga. Da muss Deutschland dringend ansetzen. Es ist wichtig, dass wir hier eine konkurrenzfähige Liga schaffen, die auch Spielerinnen aus anderen Topnationen anzieht.
Es geht darum, den Zuschauerschnitt zu verbessern. Da tut sich zwar schon etwas, aber es dauert noch eine Weile, bis wir mit England mithalten können. Wir müssen ein gutes Fundament bilden, insbesondere im Nachwuchs. Es muss oberste Priorität sein, die Liga für deutsche Spielerinnen interessant zu gestalten, dass sie auch in Deutschland bleiben. Je mehr Nationalspielerinnen in der Bundesliga vertreten sind, desto stärker ist die Liga.
Mehr EM-Teilnehmer? Wäre der richtige Schritt
Auch wenn die UEFA für die nächste EM weiterhin mit 16 Teams plant, könnte die Endrunde langfristig aufgestockt werden. Grundsätzlich wäre das der richtige Schritt. Viele Mannschaften, die jetzt nicht die Chance hatten, sich zu qualifizieren, könnten dann dabei sein, wie zum Beispiel Österreich.
Positive Folgen hat man schon bei Polen gesehen. Sie sind nicht weitergekommen, aber es hat etwas im Land bewirkt. Kleine Mädchen können sehen, dass sie beispielsweise das erreichen können, was Ewa Pajor erreicht hat. Das ist schön und hat Folgen. So wird die Qualität im Frauenfußball langfristig besser.
-----
Anja Mittag, 40 Jahre alt, ist eine der erfolgreichsten deutschen Nationalspielerinnen. Die Stürmerin lief 158-mal für die DFB-Frauen auf, damit steht sie auf Rang vier der deutschen Rekordliste. Mittag erzielte 50 Tore, darunter den 1:0-Siegtreffer im EM-Finale 2013. Sie ist dreimalige Europameisterin (2005, 2009, 2013), Weltmeisterin (2007) und Olympiasiegerin (2016).
Auf Vereinsebene lief Mittag unter anderem für Turbine Potsdam, den VfL Wolfsburg, Paris Saint-Germain und RB Leipzig auf und gewann zahlreiche Titel. Zu den Sachsen stieß sie 2019, bis zuletzt agierte sie bei RB als Co-Trainerin der ersten Frauenmannschaft. Jetzt wartet eine neue Herausforderung als Individualtrainerin im Ausland.