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Frauen-EM: Traumparade und Elferkillerin! Das ist Bergers Geheimnis

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Elferkillerin Berger? Das ist ihr Geheimnis

Seit ihrer heroischen Leistung im EM-Viertelfinale ist Ann-Katrin Berger in aller Munde. Vor dem Halbfinale erklärt der deutsche Torwarttrainer Michael Fuchs im exklusiven SPORT1-Interview, was seinen Schützling auszeichnet, wieso er die Kritik an Keepern übertrieben findet und warum so viele Elfmeter bei der EM nicht reingehen.
DFB-Torwarttrainer Michael Fuchs spricht über die schlechte Elfmeterquote bei der Frauen-EM und klärt über die möglichen Gründe auf.
Seit ihrer heroischen Leistung im EM-Viertelfinale ist Ann-Katrin Berger in aller Munde. Vor dem Halbfinale erklärt der deutsche Torwarttrainer Michael Fuchs im exklusiven SPORT1-Interview, was seinen Schützling auszeichnet, wieso er die Kritik an Keepern übertrieben findet und warum so viele Elfmeter bei der EM nicht reingehen.

Seit 18 Jahren ist Michael Fuchs bereits als Torwarttrainer der DFB-Frauen im Einsatz und half in dieser Zeit unter anderem dabei, Nadine Angerer und Almuth Schult zu Weltklasse-Torhüterinnen zu machen. Nach den jüngsten Heldentaten im EM-Viertelfinale gegen Frankreich steht mit Ann-Katrin Berger nun aber ein anderer Schützling von Fuchs im Fokus.

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Im Interview mit SPORT1 erklärt der gebürtige Nürnberger, was Bergers Mega-Parade gegen Frankreich noch besonderer macht, den Grund für die vielen verschossenen Elfer und warum Deutschland das Land der guten Torhüter ist.

SPORT1: Herr Fuchs, Sie haben in Ihrer Laufbahn schon sehr viele Paraden gesehen. War die von Ann-Katrin Berger bei Janina Minges Fast-Eigentor gegen Frankreich die beste von allen?

Michael Fuchs: Es war schon eine außergewöhnlich gute Parade und dazu eine ungewöhnliche an sich, weil das im Frauenfußball eigentlich die größte Herausforderung darstellt: Überkopfhohe Bälle, die man in einer Rückwärtsbewegung halten muss, bei der man sich beim Rückwärtslaufen dann noch abdrücken und die Orientierung behalten muss, und den Ball dann nicht ins Tor reinwischt oder fängt, sondern noch die Geistesgegenwart hat, den Ball aus dem Tor herauszuschaufeln und wieder ins Feld zu bringen. Witzigerweise hat mir auch Olli (Oliver, Anm. d. Red.) Baumann aus dem Männerbereich noch geschrieben und darauf hingewiesen, dass das schon eine hervorragende Fußarbeit von Anne gewesen ist und hat sich sehr lobend geäußert. 

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Berger? „Hat einen Ruf als Elfmeterkillerin“

SPORT1: Lernt man so etwas von seinem DFB-Torwarttrainer, also Ihnen?

Fuchs: Das würde ich im Fall von Anne tatsächlich nicht behaupten. Nein, also Almuth und Natze, Nadine Angerer, beider Entwicklung habe ich über Jahre begleitet. Bei Anne ist es ein bisschen anders. Die hatte in Birmingham damals mit Leanne Hall eine ganz tolle Torwarttrainerin, die auch ihre Mentorin wurde. Da würde ich eher der Kollegin vieles von dem, was sie jetzt kann, zuschreiben. Jetzt ist es eher so, dass wir uns zusammen noch weiterentwickeln.

SPORT1: Auch Bergers Leistung im Elfmeterschießen gegen Frankreich ist hängengeblieben. Was macht sie zu dieser „Elfmeterkillerin“?

Fuchs: Ich glaube, dass sie unheimlich viel Ruhe ausstrahlt beim Elfmeterschießen und dass sie auch schwer zu lesen ist für die gegnerische Schützin. Sie hat schon einen Ruf als Elfmeterkillerin, was dann bei einer mentalen Schlacht auch sehr viel ausmacht. Natürlich wissen die anderen Schützinnen, dass wir sie analysieren, und auch, dass die anderen Schützinnen Anne analysieren - aber es ist immer ein Spiel, bei dem man nicht weiß, welche Karte die andere als Nächstes herauszieht und welches Ass sie noch im Ärmel hat.

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SPORT1: Sind Sie noch böse, dass der Zettel mit den Hinweisen zu den Schützinnen, den Sie so liebevoll auf die Flasche geklebt haben, nicht zum Einsatz kam?

Fuchs: Den Zettel habe ich mit Marie Kirchhain, unserer zweiten Analystin, in viel liebevoller Bastelarbeit ausgeschnitten, draufgeklebt und so weiter. Aber das ist genau das, was ich von Anne eigentlich gewohnt bin und auch erwarte, dass sie eben in dem Moment, in dem es zählt, ihr Ding macht - und das hat mir bis jetzt immer gut gefallen, von daher bin ich in keinster Weise böse (schmunzelt).

Frauen-EM: Darum werden so viele Elfmeter verschossen

SPORT1: Und für Spanien gibt es dann auch wieder einen Zettel?

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Fuchs: Für Spanien werden wir uns für alle Fälle für ein Elfmeterschießen auch wieder etwas einfallen lassen. Es ist auch nicht so, dass es nur um den Zettel geht. Die Analysten schneiden die ganzen Elfmeter zusammen und ich schaue die gemeinsam mit Anne am Vormittag an und wir entscheiden dann, was bei welcher Schützin gut wäre, welche Ecke - und das steht im Endeffekt auf dem Zettel drauf. Aber ich vermute, sie hat sich das meiste sowieso gemerkt und muss gar nicht mehr nachsehen.

SPORT1: Es fällt auf, dass bei der laufenden EM sehr viele Elfmeter nicht verwandelt werden. Woran kann das liegen?

Fuchs: Es wird eben sehr viel analysiert, aber ich glaube nicht, dass es unbedingt so sehr an den Tools liegt, sondern dass einfach viele Elfmeter mittlerweile auf Video auch im Frauenbereich vorhanden sind und man da schauen und genau analysieren kann. Ich glaube aber auch, dass es am Nervenkostüm der Schützinnen liegt. Diese Geschichte der Angst des Torwarts vor dem Elfmeter ist in meinen Augen Quatsch, weil der Torwart oder die Torhüterin nichts zu verlieren hat. Der Druck liegt eher bei den Schützinnen. Es liegt aber auch an einer gewissen Unachtsamkeit der Schützinnen. Gerade bei Schweden gegen England waren die Torhüterinnen im Moment des Schusses relativ weit auf dem Weg in eine Ecke, und da kann man, wenn man davor nochmal hochschaut, schon sehen, dass man besser in die andere Ecke schießen sollte.

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DFB-Torwarttrainer: „Zu viel Kritik an zu vielen Sachen“

SPORT1: Als Torhüterin oder Torhüter hat man eine undankbare Position, weil ein Fehler fast immer in einem Tor resultiert, weshalb Torleute oft schnell kritisiert werden - zu oft?

Fuchs: Meiner Meinung nach gibt es zu viel Kritik, denn letztendlich geht es darum, ein Spiel zu spielen und wenn man ein Spiel nur mit den Gedanken spielt: „Den muss er oder sie aber halten, und ins kurze Eck darf der Ball aber nicht gehen, und bei Flanken muss sie den aber haben, wenn sie rausgeht”, dann ist es in meinen Augen teilweise zu viel Kritik an zu vielen Sachen und was man alles falsch machen kann. Ich würde es mir eher so wie in den südamerikanischen Ländern wünschen, dass man den Torhüter oder die Torhüterin auch als einen festen Bestandteil des Spiels sieht, dem alles gestattet ist und wo man sich mehr über die schönen Dinge freut, als immer nur nach Fehlern zu suchen.

SPORT1: Kritik gab es auch in der Vorrunde an ein paar gewagten Dribblings von Ann-Katrin Berger. Wie geht es Ihnen denn außen am Spielfeldrand, wenn Sie Ihren Schützling dabei beobachten?

Fuchs: Tatsächlich ist es so, dass ich bei Anne sehr ruhig auf der Bank sitze und ich weiß auch, was kommt oder kommen kann. Ich bin darauf schon eingestellt, schaue ihr sehr gerne zu und fühle mich da immer sehr ruhig.

SPORT1: Wie sieht denn Ihr Alltag als Torwart-Trainer bei so einem Turnier aus, zum Beispiel jetzt vor dem Halbfinale?

Fuchs: Das ist im Turnier ein Standardablauf mittlerweile. Man bereitet das eine Spiel nach, das Frankreich-Spiel in dem Fall. Dann bereitet man die Torhüterin auf den neuen Gegner vor und macht zwischendurch Torwarttraining. Am Dienstag war ich zum Beispiel mit Ena (Mahmutovic), der dritten Torhüterin, und zwei Feldspielerinnen draußen, damit sie auch belastet werden, weil sie kaum Chancen zum Spielen hat.

Deutschland eine Torhüter-Nation? So erklärt es Fuchs

SPORT1: Wenn man Sie mit dem Torwart-Trio um Berger, Mahmutovic und Stina Johannes beim Training beobachtet, scheint es immer so, als hätten Sie sehr viel Spaß. Nimmt man sich da auch mal gegenseitig auf die Schippe?

Fuchs: Ja, auf jeden Fall. Ich necke die anderen auch mal, um zu sehen, was von ihnen zurückkommt, weil ich aus ihnen etwas rauskitzeln möchte. Ich bin der Meinung, dass man, wenn man sich verbessern will oder etwas erfolgreich betreiben will, immer auch Spaß und Freude dabei haben muss. Einer unserer Jugendtrainer hat das mal schön gesagt. Wir haben die „3-G-Regel“ im Fußball: In jedem Training sollte man gelacht, geschwitzt und gelernt haben. Das versuche ich immer, im Training umzusetzen.

SPORT1: Deutschland ist seit vielen Jahren für starke Torhüterinnen bekannt. Sie haben Nadine Angerer und Almuth Schult schon angesprochen. Woran liegt das?

Fuchs: Irgendetwas muss es mit der Genetik zu tun haben in Deutschland, denn bei den Männern ist das ja mindestens genauso gut. Es ist aber nicht nur Glück, weder im Männer- noch im Frauenbereich, weil wir auch von DFB-Seite aus sehr viel investieren seit langem. Wir haben mit Silke Rottenberg im Jugendbereich auch eine Torwarttrainerin, die selber riesengroße Erfahrung hat und alles dafür macht, unsere jungen Torhüterinnen weiterzubringen. Und genauso ist es im männlichen Bereich. Da haben wir sehr viele Leute, die sich toll einsetzen, auch im Vereinswesen. Ich glaube, dass die Rolle des Torhüters in Deutschland eine ganz besondere ist. Je bessere Torhüterinnen oder Torhüter man oben hat und damit auch Vorbilder, desto mehr junge Leute gibt es, die dann ihren Idolen nacheifern wollen.

SPORT1: Abschließend: Hoffen Sie auf ein Elfmeterschießen gegen Spanien oder sollte das Spiel lieber schon nach 90 Minuten entschieden sein?

Fuchs: Genau die gleiche Frage habe ich mir vor Frankreich gestellt und das ist immer ein zweischneidiges Schwert. Eigentlich hoffe ich, dass wir nicht ins Elfmeterschießen gehen müssen. Andererseits: Wenn wir so weit sind, dass wir 120 Minuten gegen Spanien bestanden haben, freue ich mich darauf, weil ich glaube, dass wir sowohl von den Feldspielerinnen als auch von den Torhüterinnen sehr gut besetzt sind.