Den 1. FSV Mainz 05 führt Heidrun Sigurdardottir seit dieser Saison in Liga zwei als Kapitänin aufs Feld. Angefangen mit dem Fußball hat die Isländerin mit neun Jahren in ihrer alten Heimat. Und nach den ersten Trainings auch ihre Drillingsschwestern Dagrun und Asrun angesteckt. „Dann haben wir uns alle wirklich in den Fußball verliebt“, erzählt sie.
Dreifachbelastung in der 2. Liga!
Dreifachbelastung in der 2. Liga
Die Mädchen sind 14, als ihre Eltern mit ihnen und dem jüngeren Bruder nach Deutschland auswandern, die ältere Schwester bleibt in Island. Oberste Priorität für den Vater ist es, den Töchtern einen Verein für ihre Leidenschaft zu suchen.
Aus Island sei die Familie es gewohnt gewesen, dass jede kleine Stadt einen Fußballverein mit Frauenabteilung habe. In ihrer neuen Heimat erleben die überraschten Schwestern Mädchen, die mit Jungs im Team spielen.
Traum vom Aufstieg „in Erfüllung gegangen“
Die kickenden Drillinge ziehen Aufmerksamkeit auf sich, auch medial. Das ist neu für sie, hat aber zur Folge, dass plötzlich auch isländische Medien über sie berichten. Heute ist Heidrun Sigurdardottir die einzige Schwester, die noch spielt.
Mit ihrem Team, dem 1. FSV Mainz 05, hat die Kapitänin letzte Saison den Aufstieg geschafft. „Vor zwei Jahren habe ich gesagt, dass das der Traum ist“ sagt sie über diesen Erfolg. „Jetzt ist er endlich in Erfüllung gegangen.“
Dabei war nach einer dominanten Saison mit 115:4 Toren in der Regionalliga Südwest nicht sofort klar, ob sie sprichwörtlich am Ball bleibt. Denn Sigurdardottir hat Jura studiert, zuletzt absolvierte sie ihr Referendariat.
Schon vorige Saison war sie dafür einige Monate in Brüssel, zuletzt drei Monate je eine Wochenhälfte in Berlin. Der Spagat funktionierte nur, weil auch der Club mitmachte, betont die Mittelfeldspielerin. Sonntags nach den Spielen ging es nach Berlin, mittwochs nach einem halben Tag im Büro zurück nach Mainz und direkt ins Training.
Man müsse sich die Frage, ob man diese Belastung weiterhin tragen wolle, immer wieder neu stellen, sagt Sigurdardottir. Und macht gleichzeitig klar: Das Herz weiß die Antwort immer zuerst, weil der Fußball ihr zu wichtig ist, um damit aufzuhören. Zumal in der „fast perfekten“ vergangenen Saison auch ihr Team nochmal auf besondere Weise zusammengewachsen sei.
Dreifachbelastung: Zwischen Studium, Arbeit und der 2. Liga
Trotzdem ist es der Kapitänin wichtig, auch schwierige Themen anzusprechen. Sie schaut zurück auf Jahre, in denen sie Vollzeit Jura studiert, vollwertig Fußball gespielt und nebenher 20 bis 24 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, um eben Geld zu verdienen.
„Man muss sehr diszipliniert und organisiert sein“, sagt sie und bedauert, dass Spielerinnen in der 2. Liga vom Fußball nicht leben können – und deswegen keine Doppel-, sondern eine Dreifachbelastung haben. Das Problem sei der Mangel in Sachen Struktur, sagt die Mittelfeldspielerin. Die hätten sich in den letzten Jahren verbessert, aber: „Wir sind nicht da, wo wir sein könnten.“
Die Fragen, ob sie eine bessere Spielerin hätte werden können, wenn sie alles in den Fußball gegeben hätte, oder ob ihre Noten besser gewesen wären ohne ihre Leidenschaft fürs runde Leder, wird die Isländerin nie beantworten können.
Die Frage, ob sie alles nochmal genauso tun würde, beantwortet sie hingegen ohne Zögern mit Ja. Und weiß dabei um eine weitere Rolle, die sie und ihre Mitspielerinnen durch die Ligen immer mehr innehaben: Sie sind eine ganz neue Generation von Vorbildern für Kinder und Jugendliche, die ihre Zukunft im Fußball sehen. Auch für sie möchte Sigurdardottir die Strukturen des Sports weiter verbessern. Und ihre Vorbildfunktion? „Ich finde die Rolle schön und nehme sie gerne an.“
- „Flutlicht an. Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.