Der WM-Countdown läuft.
Freigang: “Noch auf Asche angefangen“
Die Frauen-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland startet am 20. Juli. Mit dabei: Eintracht Frankfurts Top-Stürmerin Laura Freigang.
SPORT1 hat die 25-Jährige vor der WM-Vorbereitung in Frankfurt besucht und über ihre persönlichen Ziele beim Turnier, den besonderen Team-Zusammenhalt in der Nationalmannschaft sowie die Vorfreude auf das Gastgeberland Australien gesprochen.
Außerdem verrät Freigang im Interview, wen sie im DFB-Team bewundert - und wie sie die Entwicklung des Frauenfußballs wahrnimmt.
Was Freigang an Popp beeindruckt
SPORT1: Laura Freigang, die Vorfreude auf die WM ist wahrscheinlich riesig. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Laura Freigang: Ich glaube auf die Spiele, also auf die Atmosphäre in den Stadien und das Ganze drumherum. Das sind dann immer die coolsten Tage.
SPORT1: Sie haben einen unfassbaren Team-Zusammenhalt. Woher kommt der und was zeichnet die deutsche Mannschaft allgemein als Team aus?
Freigang: So einen Zusammenhalt kann man meiner Meinung nach nicht künstlich herstellen, sondern der hat sich organisch mit der Zeit entwickelt. Man verbringt mit vielen jetzt schon seit Jahren viel Zeit miteinander und dazu haben wir einfach sehr viele, sehr starke Persönlichkeiten im Team. Es gibt sehr viele Spielerinnen und Menschen im Team, die ich bewundere. Wir haben untereinander sehr viel Respekt und wissen dadurch auch, was wir benötigen, um zu funktionieren. Ob es dann natürlich alles so klappt, ist eine andere Frage, denn es ist immer noch Fußball. (lacht)
SPORT1: Können Sie ein Beispiel nennen, wen Sie besonders bewundern?
Freigang: Da gibt es einige. Ein Beispiel wäre Alexandra Popp. Die Art und Weise, wie sie die Europameisterschaft gespielt hat, nachdem sie im Vorfeld diese Verletzung hatte und jahrelang dafür gekämpft hat, um bei so einem Turnier dabei zu sein. Dann so eine Rolle zu spielen, ist meiner Meinung nach unglaublich. Davon haben wir aber sehr viele Geschichten im Team. Bei so einem Turnier hat jeder seine eigene kleine Geschichte, die er durchlebt, und davor habe ich sehr großen Respekt.
So erlebte Freigang das deutsche EM-Märchen
SPORT1: Was war denn Ihre Geschichte bei der EM?
Freigang: Ich würde sagen, dass ich ein wichtiger Teil des Teams war, aber nicht im klassischen Sinne, da ich nicht viel gespielt habe. Dennoch habe ich meine Rolle auch neben dem Platz sehr ernst genommen und stand da vielleicht auch ein bisschen symptomatisch dafür, was alle bei dem Turnier gemacht haben - und zwar sich selbst erstmal hintenanzustellen und dafür alles für das Team zu tun. Ich hatte insgesamt eine unglaubliche Zeit bei dem Turnier.
SPORT1: Was hat Sie denn seitdem auf dem Platz noch stärker gemacht. Woran haben Sie gearbeitet?
Freigang: Ich habe mich sehr akribisch mit meinem Spiel beschäftigt, in dem ich viel analysiert und versucht habe weiterzuentwickeln. Mein Ziel war es für die Saison, aber natürlich auch für die WM, den nächsten Schritt zu machen. Deshalb hoffe ich darauf, dass ich diese Weiterentwicklung dann auch zeigen darf.
SPORT1: Im vergangenen Jahr ist rund um die EM ein regelrechter Hype um die deutsche Mannschaft entstanden. Ist das etwas, das Sie nun vor der WM beflügelt oder könnte der gestiegene Erwartungsdruck möglicherweise eher lähmen?
Freigang: Wir freuen uns erstmal sehr über die gute Stimmung im Land, die rund um den Frauenfußball herrscht. Dazu gibt es als sehr gute Mannschaft immer einen gewissen Druck, wenn es zu so einem großen Turnier geht. Es ist sehr wichtig, dass wir deshalb bei uns bleiben und uns nicht so viel den Kopf zerbrechen. Da sind wir als Team auch sehr gut drin. Wir wissen, worauf es bei uns am Ende des Tages ankommt - und wenn wir das hinkriegen, dann werden wir auch ein gutes Turnier spielen. Der Rest kommt dann von allein.
SPORT1: Kommen wir zum Gastgeberland: Worauf freuen Sie sich neben dem Turnier selbst am meisten in Australien?
Freigang: Ich freue mich riesig und bin sehr gespannt auf das Land. Zum einen natürlich, weil wir ständig über Australien reden, zum anderen, weil meine Mutter schon einmal eine große Reise durch Australien gemacht hat und mir oft von ihren Erlebnissen erzählt hat.
„Ich habe damals noch auf Asche angefangen“
SPORT1: Was möchten Sie auf jeden Fall sehen?
Freigang: Kängurus und Koalas natürlich! Und ich hoffe, dass wir Zeit haben, uns Sydney anzuschauen. Das Opernhaus und die Sydney Harbour Bridge kenne ich zum Beispiel nur von Bildern. Ansonsten habe ich als Kind sehr häufig „Findet Nemo“ gesehen und habe deshalb einen ganz guten Überblick, wie es dort aussieht. (lacht) Es jetzt einmal in Echt zu sehen, wäre toll. Aber natürlich interessieren mich auch die anderen Metropolen - wir werden ja in der Vorrunde auch in Brisbane und Melbourne spielen.
SPORT1: Planen Sie, nach dem Turnier durch Australien zu reisen?
Freigang: Ich hoffe, dass ich spätestens nach der WM irgendwo am Strand entspannen kann. Geplant habe ich aber noch nichts. Das würde mich nur ablenken. Jetzt liegt der Fokus erstmal auf der WM, alles andere kommt danach.
SPORT1: Richten wir nun den Blick noch einmal auf den Frauenfußball im Allgemeinen. Was hat sich verändert, seitdem Sie angefangen haben, Fußball zu spielen?
Freigang: Ich denke, dass ich so ziemlich alles miterlebt habe. Ich habe damals noch auf Asche angefangen und ganz lange bei den Jungs mitgespielt. Ich weiß noch, dass ich nach Amerika gegangen bin für zwei Jahre, da ich in Deutschland das Gefühl hatte, dass es ein Kampf ist mit dem Frauenfußball. Die Wertschätzung war nicht so da. In Amerika war in der Hinsicht die Kultur schon etwas weiter. Als ich dann zurückkam, habe ich hier die Professionalisierung miterlebt, wie zum Beispiel den Wechsel vom Frauen-Traditionsklub 1. FFC Frankfurt hin zur Eintracht. Die Verbesserung der Trainingsbedingungen, insgesamt der Hype rund um den Frauenfußball, ich durfte das alles miterleben. Da bin ich persönlich auch sehr froh drüber, da es alles andere als selbstverständlich ist.
Das waren Freigangs Vorbilder
SPORT1: Hatten Sie früher ein Vorbild?
Freigang: Ich hatte natürlich viele Fußballer, die ich bewundert habe, aber am nächsten dran waren für mich immer die deutschen Fußballerinnen. Renate Lingor war für mich ein großes Vorbild, da hatte ich auch die Unterschrift auf dem Schuh. Ich hatte ein Autogramm von Silke Rottenberg. Die Frauen waren für mich damals einfach etwas greifbarer.
SPORT1: Was bedeutet es denn für Sie, heutzutage selbst ein Vorbild für kleine Mädchen sein zu können?
Freigang: Also ich weiß, dass es so ist, aber so richtig verstehen kann man das, glaube ich, nie so ganz. Es ist einfach sehr skurril, dass es Menschen gibt, die man selbst nicht kennt, die von einem wissen und einen dann auch noch bewundern. Ich versuche, dadurch sehr bewusst mit dieser Verantwortung umzugehen. Es klingt sehr banal, aber ich versuche einfach in allem, was ich mache, das Richtige zu tun. Das ist gar nicht so einfach. (lacht) Diese Nahbarkeit, die ich an den früheren Fußballerinnen so toll fand, versuche ich weiterzugeben und dadurch offen und ansprechbar zu sein.
„Möchte nicht, dass alles genauso wird wie bei den Männern“
SPORT1: Haben Sie Angst, dass genau diese Nahbarkeit jetzt zunehmend verloren gehen könnte?
Freigang: Da spreche ich tatsächlich immer wieder drüber, da wir auch häufig gefragt werden, ob wir wollen, dass sich alles hin zum Männerfußball verändert. Ich denke, dass wir auch ganz viele Stärken haben, weil der Fußball halt noch nicht genau ist wie bei den Männern. Wir spielen nicht nur in den großen Stadien und sind unter Verschluss, sondern besitzen noch eine Art der Nahbarkeit. Ich hoffe deshalb sehr, dass wir uns diese wahren, da sie meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Insofern möchte ich nicht, dass alles genauso wird wie bei den Männern.
SPORT1: Was hat sich denn vor allem seit der EM nochmal verändert?
Freigang: Das Interesse an uns als Nationalmannschaft und auch an uns als Einzelpersonen ist einfach viel größer geworden. Das merke ich persönlich jeden Tag, mein Alltag hat sich auch sehr verändert. Ich habe nicht mehr so viel Freizeit für viele Dinge, wie ich sie vorher hatte. (lacht) Das hat allerdings auch schöne Seiten, da es sinnbildlich für die Entwicklung steht, die wir aktuell durchmachen.
SPORT1: Wie sieht denn der typische Alltag bei Ihnen aus?
Freigang: Es stehen viel mehr Termine auf dem Plan, da sich viel mehr Leute für einen interessieren, das gab es vorher einfach nicht. Ob es Sponsoren sind oder Interviews mit Medienpartnern, da kommt eine Menge auf einen zu. Das kannte ich vorher so nicht. Das gehört zu so einer Entwicklung dazu und deshalb ist es etwas Schönes.
SPORT1: Wie wichtig ist es, dass sich die großen Sportartikelhersteller wie Under Armour mittlerweile auch im Frauenfußball so viel engagieren?
Freigang: Wir sprechen ja immer über Sichtbarkeit und die meisten großen Hersteller haben schon eine große Reichweite auf der männlichen Seite des Profisports. Diese jetzt auch den Frauen zu geben und dadurch Sichtbarkeit zu schaffen, auch für junge Mädels, ist total wichtig. Es ist wichtig, auch Frauen auf irgendwelchen Plakaten zu sehen. Deswegen freut es mich, dass es jetzt diese Entwicklung nimmt.
Das bedeutet Free-TV für die Frauen-Bundesliga
SPORT1: Was läuft denn Ihrer Meinung nach im Frauenfußball noch falsch?
Freigang: Ich weiß gar nicht, ob etwas wirklich falsch läuft, um ehrlich zu sein. Es ist eine Entwicklung, die wir nehmen müssen, aber das ist normal. Es funktioniert nicht, von heute auf morgen alles zu verändern. Ich finde, wenn sich Dinge nach und nach verändern, besonders über so große Turniere, dann ist das immer am organischsten. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir diese Entwicklung weiter so vorantreiben können. Dafür ist es auch wichtig, dass sich der Fußball außerhalb der Nationalmannschaft in der Frauen-Bundesliga weiterentwickelt. Dass dort im Kleinen immer mehr professionalisiert und dadurch eine Grundlage geschaffen wird. Das wäre sehr wichtig.
SPORT1: Wie wichtig ist es in der Hinsicht, dass die Liga in der nächsten Saison auch regelmäßig im Free-TV zu sehen sein wird?
Freigang: Es kommt immer wieder zurück zum gleichen Thema: Sichtbarkeit. Wenn wir gesehen werden, dann haben wir erst die Chance, uns auch zu zeigen. Im Free-TV gezeigt zu werden, ist deshalb natürlich total cool. Gerade auch, da mittlerweile der meiste Fußball im Pay-TV läuft. Ich weiß noch, dass ich früher fast immer noch im Fernsehen Fußball schauen konnte, mittlerweile hat sich das geändert. Deshalb finde ich die Chance sehr schön, uns im Free-TV zu zeigen und dadurch die Leute mitzunehmen.