US-Präsident Donald Trump versuchte alles, um sich doch noch irgendwie in den Vordergrund zu drängen. Nach dem Finale der Klub-WM in East Rutherford vor den Toren New Yorks betrat der 79-Jährige gemeinsam mit FIFA-Präsident Gianni Infantino das Podest, um den FC Chelsea zu ehren. Während Infantino nach der Pokalübergabe aber – wie üblich – verschwinden wollte, blieb Trump einfach auf der Bühne.
„Donald Trump die Show gestohlen”
Ein skurriles Bild, das im Netz viele spöttische Kommentare hervorrief. Bevor Kapitän Reece James den Pokal in die Höhe recken konnte, war zu sehen, wie Teamkollege Cole Palmer, mit dem Blick auf Trump gerichtet, mit ihm sprach. Laut der Daily Mail fragte der 23-Jährige seinen Spielführer bezüglich des US-Präsidenten: „Was macht er da?“ James zeigte sich ebenfalls verwirrt: „Ich dachte, er verlässt das Podium noch, aber er wollte bleiben”, erklärte der Engländer.
Trump selbst verzog derweil keine Miene. Also präsentierte James stolz die Schale – mit einem klatschenden und lächelnden US-Präsidenten inmitten der feiernden Chelsea-Stars. Und dennoch galt bei diesem Finale der Klub-WM: Auch Trump konnte Palmer nicht in den Schatten stellen. Im Gegenteil. „Cole Palmer hat etwas geschafft, was noch keinem anderen Mann gelungen ist: Er hat Donald Trump die Show gestohlen. (...) Cole Palmer sorgt für drei magische Momente“, titelte die Sun passend dazu.
Palmer: „Ein großartiges Gefühl“
Der Youngster sorgte zuvor fast im Alleingang dafür, dass der FC Chelsea den klar favorisierten Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain nach allen Regeln der Kunst abkochte. Gleich zweimal packte er in der Nachmittagshitze von New Jersey seinen Fröstel-Jubel aus. Zweimal traf er für den FC Chelsea und rieb sich jedes Mal die Arme, als würde er frieren. Beim dritten Treffer gab er zudem den Assist.
Für Palmer sei der Gewinn der Klub-WM „ein großartiges Gefühl“, erklärte er hinterher, nachdem er sein „World Champion“-Shirt übergestreift hatte. Es ist der vorläufige Höhepunkt der Wiederauferstehung Chelseas: Platz vier in der Premier League, die Rückkehr in die Champions League perfekt gemacht, die Conference League gewonnen, die Klub-WM gewonnen. Palmer ist dabei das Gesicht aller Triumphe, der „Coolste“ von allen. Er hat es auch seinen Kritikern gezeigt, die Zweifel hatten.
Denn als Chelsea im Sommer 2023 Palmer von Manchester City nach London lotste, schauten einige Fans und Beobachter relativ verdutzt. Umgerechnet fast 50 Millionen Euro für einen Spieler, der vor seinem Wechsel gerade einmal rund 500 Minuten Erfahrung in der Premier League hatte? Ein großes Wagnis, befanden viele. Doch das Risiko der US-amerikanischen Eigentümer um Todd Boehly sollte sich schnell auszahlen.
Transfer-Wirrwarr um Palmer
Zeit zur Akklimatisierung beim neuen Arbeitgeber brauchte Palmer nicht. Stattdessen legte der Mann, der in Manchester geboren, als United-Fan aufgewachsen und fußballerisch in der Akademie von City groß geworden ist, einen kometenhaften Aufstieg hin und wurde im Folgejahr zum besten jungen Profi der Liga gewählt. Am Saisonende hatte er 22 Tore auf seinem Konto - nur Erling Haaland (27) wies mehr auf. Dazu kamen elf Vorlagen.
Palmer war plötzlich omnipräsent - und sein Transfer rückblickend ein noch größeres Thema. Die zentrale Frage: Wie konnte City-Coach Pep Guardiola ein solches Juwel ziehen lassen? Die Visionen der Protagonisten sind unterschiedlich. Palmer betonte, er habe nicht weiter auf der Bank schmoren wollen: „Selbst als ich mit den Junioren-Teams Englands unterwegs war, gab es dort Teamkollegen, die jede Woche in der Premier League aufliefen. Du schaust dich um und denkst: Ich kann in der Liga spielen.“
Doch zu Chelsea wollte er zunächst nicht, behauptete Palmer: „Ich wurde überredet.“ Sein ehemaliger Trainer schilderte den Transfer jedoch anders. „Er wollte gehen. Was können wir da machen? Ich sagte ihm vor der Saison: ‚Bleib hier, Riyad (Mahrez; Anm. d. Red.) ist weg.‘“ Aber er wollte gehen“, sagte Guardiola im Frühjahr 2024 und fügte hinzu: „Er hat zwei Jahre lang darum gebeten, gehen zu dürfen.“ Palmer widersprach daraufhin erneut: „Ich wollte einfach nur verliehen werden.“
Palmer ist für den Überraschungsmoment zuständig
Fragezeichen blieben. Fest stand jedoch, dass sich jeder Cent der anfänglich so skeptisch betrachteten Investition Chelseas voll rentierte. Palmer beeindruckte mit seiner spielerischen Leichtigkeit und sorgte für unerwartete Momente im Spiel der Blues. Seine Ruhe brachte ihm den Spitznamen „Cool Palmer” ein. „Das Tunneln ist sein Freund, der Pass mit dem Außenrist ein Standard, und er hat eine Reihe anderer Tricks, die er einsetzen kann, wenn es passt”, schrieb die britische Tageszeitung Guardian einmal über ihn.
Zu Beginn der Saison 2024/25 gelang ihm ein ganz besonderes Kunststück. Am 6. Spieltag schoss er beim 4:2 von Chelsea gegen Brighton im ersten Durchgang alle vier Tore – in exakt 19 Minuten und 57 Sekunden. In der Geschichte der Premier League hatte zuvor noch kein Profi vor der Pause vier Tore erzielt. Palmer schaffte das wohlgemerkt als offensiver Mittelfeldspieler - und zeigte hinterher seinen großen Ehrgeiz: Vollends zufrieden gab er sich nicht. Aus seiner Sicht wäre noch mehr möglich gewesen.
„Ich hätte fünf oder sechs Tore schießen sollen”, resümierte Palmer bei der BBC. Schließlich hatte er noch einen Aluminium- und einen Abseitstreffer zu verzeichnen. Coach Enzo Maresca geriet hingegen ins Schwärmen und nannte ihn den„besten Spieler der Premier League“. Der Italiener, der Palmer schon bei City erlebte, als er Guardiolas Co-Trainer war, sagte: „Er ist ein bescheidener Kerl – das ist für mich das Allerwichtigste. Heutzutage verändern sich junge Spieler sehr schnell. Sie schießen ein Tor und denken, sie sind schon ... ihr wisst schon.“
„Der Trainer hat einen tollen Spielplan aufgestellt”
So ging sein Lauf weiter. Im vergangenen Winter überwand Palmer den ersten kurzen Durchhänger seiner Chelsea-Zeit. Dann beendete er die Saison mit starken 15 Toren und neun Vorlagen – allein in der Premier League. Bei den zuletzt immer wieder schwächelnden Londonern etablierte er sich als großer Fixpunkt und Leistungsträger, führte das Team zurück in die Champions League, zum Triumph in der Conference League und nun auch zum Sieg bei der Klub-WM.
Klar ist: Die Kritiker sind erst einmal ruhiggestellt, was Palmer spürbar freut. „Der Trainer hat einen tollen Spielplan aufgestellt. Er wusste, wo der Platz sein würde. Er hat versucht, mir so viel Freiraum wie möglich zu geben, und ich musste es ihm nur zurückzahlen und ein paar Tore schießen“, sagte Palmer und fügte hinzu: „Er baut etwas Besonderes auf, etwas Wichtiges. Alle haben die ganze Saison über viel Sch*** über uns geredet“
Palmer gewann „Man of the Match“-Award
DAZN hat sich wegen des unflätigen Ausdrucks sogar bei den Zuschauern entschuldigt. Solche Ausdrücke sind im englischen Fernsehen nicht gern gesehen. Palmer wird das allerdings relativ egal sein. Der junge Engländer genoss den Sieg in vollen Zügen. Dieser schmecke sogar „noch besser, weil uns vorab so viele angezweifelt haben”, sagte er. Selbst die mehrminütige Rangelei zwischen Spielern und Offiziellen beider Teams nach dem Abpfiff raubte Palmer nicht die Coolness.
Chelsea und Palmer feierten danach mit Tänzen und Gesängen vor den jubelnden Fans. „Wir sind ein junges Team”, sagte er, „und wir haben die richtige Richtung eingeschlagen.” Neben dem „Man of the Match“-Award im Finale wurde Palmer auch zum Spieler des Turniers gewählt. Wenn er so weitermacht wie in den vergangenen beiden Jahren, dürfte dies weder die letzte persönliche Auszeichnung noch der letzte Team-Titel seiner Karriere gewesen sein.