Während seiner Karriere hätte wohl niemand gedacht, dass Craig Bellamy mal eine Trainer-Laufbahn einschlagen würde. Der Ex-Stürmer fiel immer wieder mit Skandalen auf, hatte teilweise mit Disziplinlosigkeiten zu kämpfen und legte sich mit Trainern an. 2023 verkündet er dann sogar selbst, dass er offiziell pleite sei.
Kompany-Kumpel sorgt für Revolution
Doch nun hofft sein Heimatland Wales wieder voll auf seinen großen Star, der während seiner Karriere für große Vereine wie Celtic, Newcastle, West Ham, Liverpool und Manchester City spielte bevor er 2014 bei Cardiff seine Schuhe an den Nagel hing.
Dabei gab es während seiner Zeit bei ManCity vor allem einen Mitspieler, der den weiteren Weg von Bellamy fortan mitbestimmte: Vincent Kompany.
Bellamys Idee funktioniert auf Anhieb
Die beiden wurden dicke Kumpel und blieben in Kontakt. Als der heutige Bayern-Coach 2020 bei Anderlecht in Belgien übernahm, holte er Bellamy als Co-Trainer. Und auch von 2022 bis 2024 war der Ex-Skandalkicker immer ganz eng an der Seite von Kompany bei Burnley. Seit Sommer ist Bellamy Nationalcoach von Wales.
Und dort will er den ganz großen Wurf landen mit einer völlig neuen Spielweise. Denn ähnlich wie Kompany bei Bayern will auch Bellamy sein Team mit großem Ballbesitz dominieren lassen. Viele kurze Pässe, totale Flexibilität der Positionierungen und vor allem keine langen Bälle nach vorne sollen für Erfolg sorgen.
Die Frage, ob Bellamys taktische Revolution tatsächlich funktionieren kann, wurde bereits am Freitagabend beantwortet. In Cardiff gelang Wales bei seiner Premiere als Nationaltrainer ein achtbares 0:0 gegen die Türkei, die zuletzt bei der EM in Deutschland bis ins Viertelfinale vorgedrungen war.
Und obwohl der neue Coach seine Schützlinge erst ein paar Tage im Training hatte, setzten diese die Vorgaben nahezu perfekt um und dominierten die favorisierten Türken auf beeindruckende Weise.
„Wales degradiert Türkei zu Statisten“
Bis zur Halbzeit spielte Wales doppelt so viele Pässe wie die Türkei, hatte fast doppelt so viele Ballkontakte, Zudem standen knapp 70 Prozent Ballbesitz und 5:1 Torschüsse auf den Statistikblättern.
„Wales degradierte die Türkei in einer einseitigen ersten Halbzeit zu Statisten, als ob es sich um eine Verlängerung des Trainings handelte“, schrieb der Guardian. „Angesichts dieser Tatsachen war es schwer zu glauben, dass Bellamy erst am Montag die erste Einheit mit seinen Spielern abhielt.“
Die Dominanz ließ in den zweiten 45 Minuten zunächst etwas nach, ehe die Gelb-Rote Karte, die der Türke Barış Yılmaz in der 62. Minute sah, die Kräfteverhältnisse wieder klar Richtung Gastgeber verschob. Dennoch blieb es am Ende beim 0:0.
Dabei ist der Ballbesitz eine DNA, die den Walisern alles andere als im Blut steckt. Jahrzehntelang war die Mannschaft vor allem für großen Kampf und Standardstärke bekannt. Angeführt vom damaligen Real-Star Gareth Bale erreichten den Briten bei der EM 2016 damit sogar das Halbfinale - doch danach wurde es wieder ruhiger.
Bellamy: „Ich bin kein Diktator“
Das liegt auch an fehlenden Stars. Brennan Johnson und Harry Wilson haben im aktuellen Kader die höchsten Marktwerte und spielen in der Premier League. Darüber hinaus kicken viele in der zweiten Liga in England.
Das soll nun aber nicht den erneuten Weg an die erweiterte Spitze erschweren. Dafür gibt Bellamy alles. Neben den Trainingseinheiten müssen seine Spieler richtig büffeln. Viele halbstündige Videoschulungen sowie Lesestoff zu seiner Fußballidee stehen bis zum späten Abend an.
„Ich bin kein Diktator“, sagt Bellamy. „Ich habe bestimmte Vorstellungen. Vor allem ohne Ball bin ich nicht verhandelbar. Aber mit dem Ball bin ich sehr fürsorglich und liebevoll.“
Der neue Coach fügt an: „Ich möchte, dass sich meine Spieler frei fühlen. Ich kann ihnen keine Fesseln anlegen. Wenn du den Ball weggibst und mich im Hintergrund schreien hörst, dann wird das dem Spieler nicht helfen oder ihn verbessern.“
Bellamy will Wales-DNA verändern
Ein Nationalspieler, der diese Ideen schon ganz genau kennt, ist Rechtsverteidiger Connor Roberts. Er spielt bei Burnley und erlebte Bellamy mit Kompany in den vergangenen Jahren.
„Für viele Spieler wird es anders sein, sie werden andere Aufgaben übernehmen, als sie es vom walisischen Trikot her gewohnt sind. Es ist klar, dass es ein paar Spiele und ein paar Trainingslager braucht, um wirklich zu verstehen, wie wir vorgehen“, warnt er seine Kollegen.
Und auch Spielmacher Harry Wilson hat bereits einige tiefgreifende Veränderungen erkannt. „Es ist viel mehr Risiko im Aufbau. Er möchte vor allem, dass die Torhüter, Verteidiger und die anderen Spieler am Ball bleiben, Verantwortung übernehmen und das Spielfeld auf diese Weise aufbauen.“
Dass das auch mit einem Team wie Wales klappen kann, konnte man am Freitagabend sehen „In den ersten Tagen haben wir viele Fehler gemacht, aber daran müssen sich die Jungs erst gewöhnen. Wenn wir es richtig hinbekommen und es klappt, dann denke ich, dass wir eine echte Gefahr darstellen können“, findet Wilson.
Den zweiten Teil der walisischen Revolution auf dem Rasen dürfen die Fans bereits am Montagabend sehen. In der Nations League steht das Auswärtsspiel gegen Montenegro an.