Atemraubende Strände, über 3.000 Sonnenstunden pro Jahr und bunte Cocktails - Curacao ist vor allem als Urlaubsparadies bekannt. Doch zwei Jahrzehnte nach der letzten WM-Teilnahme einer karibischen Insel könnte das kleine Land für ein echtes Fußball-Wunder sorgen - und Geschichte schreiben.
Ein historisches WM-Wunder winkt
Ein historisches WM-Wunder winkt
Trotz seiner nur rund 150.000 Einwohner hat Curacao derzeit beste Chancen, erstmals an einer Weltmeisterschaft teilzunehmen - es wäre das kleinste Land, das sich jemals für eine Endrunde qualifiziert hat.
Spätestens seit dem umjubelten 2:0 gegen Jamaika am vergangenen Freitag, ausgerechnet dem Nationalfeiertag, kennt der Hype um die Karibik-Kicker keine Grenzen.
„Mein Telefon vibriert ständig, auf der Insel sind unsere Spiele das Tagesgespräch“, berichtete Torschütze Kenji Gorré nach dem Erfolg. „Die Leute sind begeistert, die Stimmung ist gut, es wird gelacht und Musik gemacht. Alle fiebern mit.“
WM-Qualifikation: Karibikinsel Curacao voll auf Kurs
Das von der niederländischen Trainer-Legende Dick Advocaat gecoachte Team grüßt zur Halbzeit der Qualifikation Nord- und Mittelamerikas mit sieben Punkten aus drei Spielen von der Spitze der Gruppe B. Da die Gastgeber USA, Mexiko und Kanada als mögliche Qualifikations-Gegner wegfallen, ist der Weg zur WM so offen wie nie zuvor.
Doch wie gelingt es einem kleinen Land, das erst seit der Auflösung der Niederländischen Antillen im Jahr 2010 eigenständig im internationalen Fußball antritt und kaum wettbewerbsfähige Fußballplätze hat, derart erfolgreich zu sein?
Niederländische Wurzeln als Erfolgsrezept
Die Antwort ist naheliegend: Als ehemalige niederländische Kolonie hält der Verband nach talentierten Spielern Ausschau, die in den Niederlanden ausgebildet wurden und Wurzeln auf der Karibikinsel haben.
Schon unter Oranje-Legende Patrick Kluivert, der von März 2015 bis Juni 2016 als Nationaltrainer Curacaos fungierte, wurden Spieler aus europäischen Topligen überzeugt, für den Inselstaat aufzulaufen.
Advocaat, der Anfang 2024 die Rolle des Übungsleiters übernahm und bereits mit den Niederlanden und Südkorea bei Weltmeisterschaften dabei war, setzt diese Strategie mit Erfolg fort.
Fast alle Spieler leben in den Niederlanden
„Es gibt eine große Anzahl von Spielern, die hoffen, sich eines Tages für die niederländische Nationalmannschaft zu qualifizieren. Einige sind nun 23, 24, 25 Jahre alt. Sie denken nicht mehr so sehr an ‚Oranje‘. Die muss man ausprobieren“, erklärte der mittlerweile 78 Jahre alte Advocaat zu Beginn seiner Amtszeit.
So leben fast alle aktuellen Nationalspieler in den Niederlanden. Gegen Jamaika befand sich zudem kein einziger Akteur in der Startelf der „blauen Welle“, der auf Curacao geboren wurde.
Im Tor steht etwa der 36-jährige Eloy Room, der in Nijmegen geboren wurde und bei Vitesse Arnheim in der niederländischen Eredivisie nur Ersatz war. Im Mittelfeld zieht Spielmacher Juninho Bacuna aus Groningen, der derzeit in der Türkei für Gaziantep aufläuft, die Fäden.
Ehemalige Bundesliga-Spieler sind auch dabei
Daneben ist Riechedly Bazoer der wohl bekannteste Name im Team. Der heute 29-Jährige wechselte 2017 für rund 15 Millionen Euro von Ajax Amsterdam zum VfL Wolfsburg. Der Durchbruch in der Bundesliga blieb ihm allerdings verwehrt: Erst wurde der Innenverteidiger zum FC Porto, dann zum FC Utrecht verliehen, bevor er 2019 fest nach Arnheim abgegeben wurde.
Mit Jürgen Locadia (ehemals Bochum und Hoffenheim) und Joshua Brenet (ehemals Hoffenheim) stehen zwei weitere frühere Bundesliga-Spieler im Kader.
Und auch wenn Wunschkandidat Justin Kluivert, Sohn von Patrick Kluivert, Curacao eine Absage erteilte, hat es Advocaat in kurzer Zeit geschafft, aus einer zusammengewürfelten Truppe eine verschworene Einheit zu formen.
Starker Zusammenhalt: „Wir sind einfach eine Familie“
Den Teamgeist und die Leidenschaft des Teams beschrieb Advocaat, der die deutsche Trainer-Legende Otto Rehhagel als ältesten WM-Coach ablösen würde, als „beeindruckend“.
Die Spieler bestätigen das. „Wir sind einfach eine Familie“, erklärte Außenverteidiger Livano Comenencia, der wie Gorré gegen Jamaika traf. „Es ist eine Ehre, für die Insel zu spielen.“
Dass Curacao unter Advocaat in 16 Spielen im Schnitt 2,13 Punkte holte und nur noch drei Partien (zweimal gegen Trinidad und Tobago, einmal gegen Jamaika) von der historischen WM-Teilnahme entfernt ist, liegt auch an strukturellen Veränderungen.
Neuer Präsident zieht Sponsoren an Land
Im April 2025 wurde Gilbert Martina zum Präsidenten der „Curacao Football Federation“ gewählt. Der ehemalige Finanzmanager nutzte seine Kontakte, um neue Sponsoren zu gewinnen - etwa eine Fluggesellschaft, die Reisen und Unterkünfte für das Team finanziert.
Ein weiterer Schritt: Nach fast dreijähriger Pause wird die nationale Liga wieder ausgetragen. Martina orientiert sich bei der Professionalisierung des Fußballs an Jamaika, dessen Liga als beste der Karibik gilt.
„Es war eine wunderbare Reise“, blickte der Präsident jüngst in einem Interview mit dem Jamaica Observer zurück. Man habe mit „vielen Herausforderungen aus finanzieller und organisatorischer Sicht begonnen. Wir haben uns darum bemüht, diese Herausforderungen zu lösen, um Ruhe, Gelassenheit und eine Struktur zu schaffen, damit die Nationalmannschaft ihre Leistung bringen kann.“
Jamaika als Vorbild: „Hoffnung und Inspiration“
Auch mit Blick auf die WM-Teilnahme dient Jamaika Curacao als großes Vorbild: Die karibische Insel hatte sich 1998 zum ersten und bislang einzigen Mal für eine WM-Endrunde qualifiziert.
„Es wird etwas Außergewöhnliches sein, weil diese Leistung nicht nur für die Nationalmannschaft, sondern auch für die Jugendlichen Hoffnung und Inspiration bringen wird“, erklärte Martina mit Blick auf eine mögliche Qualifikation Curacaos.
In der Nacht zu Mittwoch (1 Uhr MEZ) soll der nächste Schritt Richtung WM erfolgen, wenn die ehemalige niederländische Kolonie in der Hauptstadt Willemstad gegen Trinidad und Tobago antritt.
Beim Gegner handelt es sich ausgerechnet um jene Nation, die 2006 bei der WM in Deutschland letztmals als karibischer Teilnehmer vertreten war. Zwanzig Jahre später träumt nun Curacao davon, das nächste Kapitel des karibischen Fußballs zu schreiben.