Zum Ende der Pressekonferenz machte sich Alfred Gislason bei den einheimischen Journalisten noch ein wenig unbeliebt. Der deutsche Bundestrainer ist schon lange genug in Deutschland, um sich der speziellen Beziehung zwischen Köln und Düsseldorf bewusst zu sein.
„Ich war den Tränen nah“
Dennoch lautete sein Fazit, als er nach einem Vergleich der Kulisse in der Kölner Lanxess Arena und jener beim Auftaktspiel der deutschen Handball-Nationalmannschaft im Düsseldorfer Fußballstadion gefragt wurde: „Die Lautstärke auf dem Spielfeld war nicht so hoch wie in der Kölner Arena, muss ich ehrlicherweise sagen, tut mir leid.“
Böse war Gislason für diesen Satz niemand, er sorgte eher für Schmunzler. Zumal der Isländer auch betonte, dass das Ambiente beim 27:14-Erfolg des DHB-Teams gegen die Schweiz zum Auftakt in die Heim-EM doch außergewöhnlich war.
Deutschland schlägt die Schweiz bei Weltrekord-Kulisse
Wesentlich euphorischer bewerteten seine Spieler die Party vor 53.586 Zuschauern - Weltrekord für ein Handballspiel.
Adjektive wie „gigantisch“, „überwältigt“, „brutal“, „geil“, „unfassbar“, „bombastisch“, „einmalig“ und „unbeschreiblich“ wählten die DHB-Stars für das, was sie zuvor erlebt hatten.
Dass etwas Besonderes in der Luft lag, merkte man in der Merkur Spiel-Arena bereits, als sich die Tribünen allmählich füllten. Beim vorgezogenen Auftaktspiel zwischen Frankreich und Nordmazedonien (39:29) lief das Fest noch mit angezogener Handbremse, doch je näher die Partie des deutschen Teams rückte, desto mehr stieg das Kribbeln unter allen Anwesenden.
DHB-Stars euphorisch: „Das war Wahnsinn“
„Der Einlauf war gigantisch. Ich musste sofort anfangen zu lächeln“, beschrieb Spielmacher Juri Knorr den Moment kurz vor Spielbeginn, als der Gastgeber vorgestellt wurde.
Nach Anpfiff wurde jede gelungene Aktion frenetisch gefeiert. Selbst die mehreren Tausend Schweizer Fans waren begeistert, auch wenn ihre Mannschaft keinen guten Tag erwischte. Nach Ansage des Hallen- - oder in dem Fall Stadionsprechers - bekamen die Mitgereisten Auswärtsanhänger sogar Applaus vom deutschen Publikum.
Diese Stimmung steigerte sich von Minute zu Minute, ehe es spätestens bei der Auswechslung von Andreas Wolff kein Halten mehr gab. Die gesamte Arena erhob sich, es gab Sprechchöre für den überragenden Torhüter und von da an wurde bis zum Spielende knapp zehn Minuten durchgesungen. Auch die Laola-Welle schwappte durch das Rund.
„Das war Wahnsinn. Das war das Krankeste, was ich erlebt habe“, formulierte es Rune Dahmke wohl am überschwänglichsten. „Und so eine Nationalhymne – das ging wirklich durch Mark und Bein. Das war wirklich brutal. Das werde ich nie vergessen“, fügte der Linksaußen, der mit seinen 30 Jahren nun schon einiges erlebt hat, hinzu.
„Da ist das Stadiondach das erste Mal weggeflogen“
Auch Julian Köster kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus: „Ich hatte zwei Momente, die extrem in Erinnerung bleiben. Als wir zum Warmmachen rauskamen, ist das Stadiondach das erste Mal weggeflogen. Der zweite Moment war dann die Nationalhymne. Das waren große Gänsehautmomente.“
Knorr meinte: „Niemand hat es schonmal erlebt und niemand wird es wohl nochmal erleben. Jeder wusste, dass es etwas Einmaliges wird. Es war gigantisch.“ Da störte es auch kaum, dass ein paar Aktionen misslangen. „In manchen Phasen waren einige vielleicht sogar zu sehr euphorisiert, fast schon übermotiviert. Aber ich denke, das gehört dazu“, wusste der Mann von den Rhein-Neckar Löwen einzuschätzen.
Sein Rückraum-Mitte-Ersatz Philipp Weber frohlockte: „Das nimmst du dir mit ins Grab, weil es unfassbar war. Das war eine bombastische Stimmung. Man hätte sich nicht vorstellen können, dass es so geil wird. Es war ein sensationeller Tag.“
Auf SPORT1-Nachfrage ergänzte der Spieler des SC Magdeburg: „Es hätte uns auch hemmen können, aber wir sind damit offenbar besser umgegangen. Die Stimmung hat uns zu 100 Prozent beflügelt.“
Timo Kastening wiederum sagte auf SPORT1-Nachfrage: „Es war ein einmaliges Erlebnis. Wir haben es alle sehr genossen. Es war nicht wie in einer Handballhalle, trotzdem war es unglaublich, mal so in einem großen Stadion spielen zu dürfen. Es war ein Handball-Fest. Ich habe nur gute Laune wahrgenommen.“
„Ich hatte die ganze Zeit Gänsehaut“
Lukas Mertens betonte, dass man diese Nacht kaum runterkommen und schlafen werde können. Diesen Eindruck machte auch Justus Fischer, der sein Interview in der Mixed Zone mit einem Dauergrinsen absolvierte. „Unbeschreiblich. Das war einmalig, das werden nicht viele Spieler erleben. Ich bin unglaublich glücklich und dankbar, einer davon zu sein“, fasste der 20-Jährige euphorisiert zusammen.
„Ich habe es in vollen Zügen genossen. Ich hatte die ganze Zeit Gänsehaut. Bei der Hymne war ich den Tränen nahe. Es ist ein unglaublich großer Traum heute in Erfüllung gegangen, Handball zu spielen in einem Fußballstadion vor 53.000 Menschen“, ergänzte der EM-Debütant, der mit der U21-Nationalmannschaft im vergangenen Jahr im eigenen Land Weltmeister geworden war.
Zwar wird eine so hohe Zuschauerzahl bei dieser Europameisterschaft nicht mehr erreicht, aber dennoch ist die Euphoriewelle bereits losgetreten. In Berlin dürfte die deutsche Mannschaft bei den verbleibenden beiden Vorrundenspielen gegen Nordmazedonien (Sonntag, 20.30 Uhr im LIVETICKER) und Frankreich (Dienstag, 20.30 Uhr im LIVETICKER) ähnlich stimmungsvoll begleitet werden.
Und dann geht es (hoffentlich) weiter Richtung Köln, wo Deutschland seine Hauptrunde spielen würde. Auch die K.o.-Phase wird in der Lanxess Arena ausgetragen. Und dort ist es ja bekanntlich noch lauter und werden ebenfalls große Handball-Party gefeiert.