Die Fans der PSV Eindhoven hingen gebannt an ihren Smartphones. Ihr Team hatte mit einem 4:1-Sieg gegen Heracles Almelo am Mittwochabend die Pflicht erfüllt, doch die Partie von Spitzenreiter Ajax Amsterdam beim FC Groningen lief immer noch.
Drama pur im Titelkampf
2:1 führte Ajax, spielte noch dazu nach einer Roten Karte gegen Groningens Luciano Valente (90.+3) in Überzahl, als die neunte Minute der Nachspielzeit anbrach. Es gab noch mal einen Freistoß für die Gastgeber.
Der Ball segelte aus dem Halbfeld geschlagen herein, Keeper Remko Pasveer griff daneben, es wurde unübersichtlich. Dann zappelte der Ball im Netz! Thijmen Blokzijl ließ sich als Torschütze feiern – und den Ajax-Spielern stand die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
Ajax gibt Meister-Entscheidung aus der Hand
Auch in Eindhoven verbreitete sich die Kunde und löste großen Jubel aus. Durch das 2:2 stürzte Ajax am vorletzten Spieltag der Eredivisie von Platz eins und hat bei nun einem Punkt Rückstand auf den Konkurrenten PSV die Entscheidung um die Meisterschaft plötzlich aus der Hand gegeben.
„Titelkampf erreicht bizarren Höhepunkt nach verrücktem Abend“, schrieb Voetbal International. Auch über die niederländischen Grenzen hinaus schlug das Nervenflattern beim Traditionsklub aus Amsterdam hohe Wellen.
Die Daily Mail schrieb von „der Mutter aller Patzer“, für die spanische Sport stieg Ajax „endgültig in die Hölle ab“. Und L’Équipe sah in dem Last-Minute-Ausgleich „ein unerwartetes Geschenk für PSV“.
Ende März unterlag Eindhoven im Spitzenspiel Ajax mit 0:2. Der Rückstand auf den Tabellenführer betrug damit neun Punkte, die Meisterschaft schien frühzeitig entschieden. Doch in den vergangenen Wochen hat sich das Blatt gewendet.
„Ich dachte, in Groningen wäre es schon vorbei, aber das war nicht der Fall“, sagte PSV-Coach Peter Bosz bei ESPN. Umso größer war die Freude nach dem späten Gegentreffer für Ajax. „Wunderschön, wirklich wahnsinnig“, versuchte der frühere BVB- und Leverkusen-Trainer seine Gefühle zu beschreiben.
„Enttäuschend“: Nächster Nackenschlag für Ajax
Ganz anders die Gemütslage beim Konkurrenten aus Amsterdam. Unmittelbar nach dem Abpfiff flüchtete der frühere Bundesliga-Stürmer Wout Weghorst – Schütze des zwischenzeitlichen 2:1 (68.) - im Vollsprint in den Kabinentrakt, als wollte er vor der Schmach flüchten.
Der Ex-Bremer Davy Klaassen suchte nach Erklärungen. „Enttäuschend“, kam ihm zunächst über die Lippen. „Es ist einfach enttäuschend, dass wir es nicht mehr selbst in der Hand haben.“
In den vergangenen Wochen hatte Ajax mehrfach die Chance, der 37. Meisterschaft einen entscheidenden Schritt näherzukommen. Doch eine 0:4-Klatsche beim FC Utrecht am 20. April läutete die beispiellose Meisterflatter ein.
Es folgten ein ernüchterndes 1:1 gegen Sparta Rotterdam, eine 0:3-Heimpleite gegen NEC Nijmegen am vergangenen Sonntag und nun das dramatische 2:2 in Groningen.
Ultimativer Showdown um die Meisterschaft
Konkurrent PSV startete nach der Niederlage im Spitzenspiel Ende März indes eine Serie von sechs Siegen in Folge – und hat nun die Chance am Sonntag bei Sparta Rotterdam (14.30 Uhr im LIVETICKER), die Titelverteidigung perfekt zu machen. Ajax steht parallel gegen Twente Enschede (14.30 Uhr im LIVETICKER) mit dem Rücken zur Wand.
Trainer Francesco Farioli gab die Hoffnung auf den Titel noch nicht auf. „Ich habe vor Wochen gesagt, dass es noch nicht vorbei ist. Es ist auch jetzt nicht vorbei“, sagte er. „Es gibt noch einen Kampf. Der Fußball hat uns gelehrt, dass alles möglich ist.“
Der dramatische Mittwochabend war das beste Beispiel dafür.