Aus der Provinz auf die europäische Bühne, wieder zurück in die Versenkung - und vielleicht bald ein neuer Aufstieg? Kurz gefasst umschreibt dies die Historie des russischen Klubs Anzhi Makhachkala.
Vom Millionenteam zum Amateurklub
Vor dem Ausschluss russischer Vereine aus europäischen Wettbewerben dominierten vor allem Zenit St. Petersburg und die Moskauer Hauptstadtklubs Spartak, Dynamo, ZSKA und Lokomotive den nationalen Fußball und die Wahrnehmung durch den Rest Europas. Doch 2011 eroberte mit Anzhi ein neuer Klub die Schlagzeilen des russischen und internationalen Fußballs.
Heute liest man kaum noch etwas von der einstigen Millionentruppe. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Anzhi wird zum Millionenprojekt
Mitten in der von Kriegen gebeutelten Teilrepublik Dagestan wurde 1991 der Verein Anzhi Makhachkala gegründet. Ohne einen Investor gelang dem Klub vom Kaspischen Meer schnell der Sprung aus dem Amateurfußball. 1996 stieg Anzhi in die zweite Liga und 1999 erstmals in die höchste russische Spielklasse auf. Allerdings verbrachte der Verein von 2002 bis 2009 erneut sieben Jahre in Liga zwei und schien weit entfernt von einem plötzlichen Sprung in vordere Regionen der Premjer-Liga.
Im Jahr 2011 sollte sich das Schicksal von Anzhi jedoch ruckartig wandeln. Nach dem Vorbild von russischen Investoren wie Roman Abramowitsch beim FC Chelsea oder Dmitri Rybolowlew bei AS Monaco kaufte der Oligarch und Parlamentsabgeordnete Suleyman Kerimov seinen Heimatverein Anzhi.
Gleich im ersten Versuch stieg der unter neuer Führung stehende Klub zurück in die Premjer-Liga auf. Aufgebaut werden sollte der Erfolg künftig durch große Investments und die Verpflichtung von Spielern von internationalem Format. Roberto Carlos, Weltmeister und dreimaliger Champions-League-Sieger, war nur der erste Name in einer Flut von hochkarätigen Neuverpflichtungen.
Mit Samuel Eto‘o, Yuri Zhirkov, Lassana Diarra oder Willian folgten weitere Stars, die den Klub innerhalb von nur drei Jahren rund 200 Millionen Euro gekostet haben sollen. Auch auf Gehaltsebene soll der Klub eklatante Summen gezahlt und allein Star-Stürmer Eto’o rund 60 Millionen Euro angeboten haben. Doch damit nicht genug: Weitere 200 Millionen Euro pumpte Kerimov in die Modernisierung des Stadions.
Der rasante Auf- und Abstieg eines Provinzklubs
Sportlich schien der Plan in den Folgejahren aufzugehen. Unter dem ehemaligen Real-Madrid-Trainer Guus Hiddink verpasste das Team in der Saison 2011/12 nur knapp die Qualifikation für die Champions League und landete auf Platz fünf. Im Jahr darauf zog Anzhi punktgleich mit dem FC Liverpool in die K.o.-Phase der Europa League ein und bezwang dort zunächst Hannover 96, ehe man im Achtelfinale an Newcastle United scheiterte.
Doch auf den schnellen Aufstieg kann bekanntlich ein ebenso schneller Absturz folgen. Die Saison 2013/14 führte für Anzhi zwar wieder ins Achtelfinale der Europa League, doch in der heimischen Liga ließen sich die Sorgen erkennen, die den Verein mittlerweile prägen. Als 16. der Liga und mit nur 20 Punkten stieg der Klub in die zweite Liga ab und auch Trainer Hiddink musste sein Amt niederlegen.
Der Absturz kam allerdings nicht aus dem Nichts. Hintergrund des Niedergangs war eine drastische Budgetkürzung durch Eigentümer Kerimov. Ein Schlussverkauf von Stars wie Eto’o, Willian oder Diarra wurde offiziell mit Bedenken bezüglich des Financial Fairplays und ausbleibendem Erfolg begründet.
Diese Begründung stieß öffentlich aber auf massive Zweifel, da Kerimovs private Finanzsituation durch dubiose Geschäfte ins Wanken geraten sein soll und ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgesprochen worden war. Die Vermutung, dass der finanzielle Druck auf den Oligarchen die Strategie von Anzhi beeinflusst habe, wurde immer größer.
Verkauf und Absturz in den Amateurfußball
2016 verkaufte Kerimov den Klub an den russischen Geschäftsmann Osman Kadiev. Aufgrund der anhaltenden finanziellen Probleme musste Anzhi regelmäßig auf Jugendspieler setzen. Ein Plan, der sich als nicht erfolgreich erwies und den weiteren sportlichen Abstieg nicht verhindern konnte.
Nach der Saison 2018/19 verlor Anzhi erstmals die Lizenz und musste aus der ersten Liga direkt in Liga drei absteigen. Der endgültige Tiefpunkt folgte schließlich 2022, als dem Klub erneut die Lizenz verweigert wurde. „Das Fehlen einer Klublizenz bedeutet, dass der Verein automatisch seinen professionellen Status verliert“, teilten die Verantwortlichen damals in einem Statement mit.
Für das Team aus dem Kaukasus ist damit der endgültige Absturz aus dem internationalen Geschäft bis in den Amateurfußball besiegelt. Trotzdem zeigten sich die Klub-Bosse zuversichtlich und vermeldeten: „Wir glauben, dass dies nicht das Ende ist. Wir glauben, dass Anzhi eines Tages zurückkehren wird. Eines Tages wird dieser Stern wieder aufleuchten und noch heller strahlen!“
Tatsächlich könnte dieser Tag allmählich näherrücken. Zwar befindet sich Anzhi weiterhin in der russischen Amateurliga, führt allerdings die Tabelle der Nordkaukasus-Bezirke an und kann daher wieder von der Rückkehr in den Profifußball träumen.