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Rettet ein junger Deutscher den gefallenen Giganten?

Vom Flick-Assistenten zum Retter?

Die Glasgow Rangers stecken tief in der Krise. Nun soll der 36-jährige Danny Röhl, einst enger Vertrauter von Hansi Flick, den schottischen Giganten wieder auf Kurs bringen.
Danny Röhl soll die Glasgow Rangers zurück zum Erfolg führen
Danny Röhl soll die Glasgow Rangers zurück zum Erfolg führen
© IMAGO/Shutterstock
Die Glasgow Rangers stecken tief in der Krise. Nun soll der 36-jährige Danny Röhl, einst enger Vertrauter von Hansi Flick, den schottischen Giganten wieder auf Kurs bringen.

„Packt eure Sachen und geht, bevor wir sie für euch packen“: Mit diesem unmissverständlichen Banner richteten sich die Fans der Glasgow Rangers beim jüngsten Ligaspiel gegen Dundee United an die Vereinsführung. Keine Frage: Im Ibrox Stadium herrschten schon bessere Zeiten - und bessere Stimmung.

In die Erfolgsspur zurückführen soll den strauchelnden schottischen Giganten nun ein ehemaliger Vertrauter von Hansi Flick: Der 36-jährige Danny Röhl übernimmt bei den Rangers als Cheftrainer das Kommando.

Obwohl der gebürtige Zwickauer bereits in Leipzig, München und beim DFB Erfahrungen sammelte, ist es erst seine zweite Station als Chefcoach - und zweifellos die bislang größte Herausforderung seiner Laufbahn.

Ein großer Traditionsklub im freien Fall

Denn Röhl übernimmt Glasgow in einer prekären Situation: Nach einem Fehlstart mit nur neun Punkten aus acht Spielen rangiert der schottische Rekordmeister in der Premiership lediglich auf Platz sechs, in der Europa League setzte es zwei Niederlagen in zwei Partien.

Noch schwerer wiegt das große Ganze: Im ewigen Duell mit dem Erzrivalen Celtic kämpft der Traditionsklub bereits seit Jahren um Konkurrenzfähigkeit. In den zurückliegenden 14 Spielzeiten konnten die Rangers den Titel nur einmal gewinnen und müssen nach Celtics 55. Meisterschaft sogar ihre Ablösung als Rekordchampion fürchten.

Röhl betritt also ein Pulverfass. Die Geduld der Fans ist - wie das eingangs erwähnte Plakat zeigt - längst am Ende. Trainer-Vorgänger Russell Martin musste das Stadion Anfang Oktober unter Polizeischutz verlassen, während wütende Anhänger versucht hatten, den Rangers-Teambus zu blockieren.

Prekäre Situation: „Ich liebe diese Herausforderung“

Die aufgeheizte Stimmung scheint Röhl aber nicht abzuschrecken. Im Gegenteil: „Die Erwartungen sind hoch, und ich liebe diese Herausforderung, weil ich auch an mich selbst und an die Mannschaft hohe Ansprüche stelle“, ließ er bei seiner Vorstellung verlauten.

Übereinstimmenden Berichten zufolge hatte Röhl den Rangers nach der Freistellung Martins zunächst aber abgesagt. Der Klub sondierte ohnehin mehrere Kandidaten.

Das Umfeld hoffte insbesondere auf eine Rückkehr von Fanliebling Steven Gerrard, der die Rangers 2021 zum bislang letzten Meistertitel geführt hatte. Doch der frühere Liverpool-Profi sagte nach intensiven Gesprächen noch ab - die BBC sprach von einem „Schock“ für die Rangers.

Röhl: „Vertrauen muss verdient werden“

Jetzt ist Röhl da: Als schon vierter Trainer im laufenden Kalenderjahr unterschrieb er einen Vertrag bis 2028. Es sei „ein großes Privileg“, als Cheftrainer bei einem weltweit anerkannten Verein zu arbeiten, teilte er mit.

Viel Zeit zur Eingewöhnung bleibt ihm aber nicht: Schon am Donnerstag steht Röhls Debüt an der Seitenlinie an, wenn es in der Europa League gegen Brann Bergen geht.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir legen sofort los. Ich weiß, dass Vertrauen verdient werden muss, und mir ist klar, dass wir den Fans von Anfang an auf dem Platz zeigen müssen, dass sie Vertrauen in unsere Arbeit haben können“, betonte Röhl.

Über Leipzig und Southampton zum FC Bayern

Laut Sportdirektor Kevin Thelwell ist der Deutsche genau der richtige Mann für neue Impulse: „Danny hat in einigen der anspruchsvollsten Umfeldern gearbeitet, wo Siege die einzige Erwartung sind. Das hat ihn gut auf die Rangers vorbereitet.“

Röhls Karriere abseits des Platzes begann schon mit knapp über 20, als ein Kreuzbandriss seine aktive Laufbahn früh beendete: Er begann 2010 als Videoanalyst in der Jugend von RB Leipzig. Der studierte Sportwissenschaftler arbeitete später in dieser Funktion unter Ralf Rangnick bei den Profis, ehe er 2016 zum Co-Trainer von Ralph Hasenhüttl aufstieg.

Der Österreicher nahm seinen Assistenten im Dezember 2018 mit zum FC Southampton. Auf Initiative des damaligen Bayern-Trainers Niko Kovac landete Röhl im Sommer 2019 beim FC Bayern. Nach 15 Spielen unter dem Kroaten arbeitete er dann im Trainerteam von Hansi Flick.

„Relevanter Beitrag“ in der Triple-Saison

In der Triple-Saison 2020 mauserte sich Röhl zum wichtigen Mann hinter Flick. Er war einer der wenigen, die den Cheftrainer kritisieren oder korrigieren durften.

Der damalige FCB-Sportdirektor Hasan Salihamidzic lobte bei Röhls Vertragsverlängerung 2020: „Dazu, dass unsere Mannschaft wieder einen erfolgreichen und attraktiven Fußball spielt, hat Danny als Assistent von Hansi Flick einen relevanten Beitrag geleistet.“

2021 begleitete Röhl Flick zur deutschen Nationalmannschaft. Der damals erst 32-Jährige sollte als Pressing-Experte der Leipziger Schule dabei helfen, der DFB-Elf einen modernen Spielstil zu verpassen. „Großen Fußballsachverstand und Innovationsfreude“ attestierte ihm damals Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff.

Moderne Methoden und Pressing-Schule

Röhl selbst beschrieb seinen Stil einst in einem kicker-Interview als „geprägt vom Red-Bull-Fußball mit viel Pressing in der Kombination mit Ballbesitzphasen, in denen Lösungen zu finden sind, wie es beim FC Bayern praktiziert wurde“.

Doch nicht überall kamen seine Methoden gut an. Nach dem Debakel bei der WM 2022 wurde der aufstrebende Assistenzcoach auch zur Zielscheibe der Kritik.

„Ich glaube, dass Flick bei der WM verrückt gemacht wurde von seinem Co-Trainer-Studenten, der ihn mit dem iPad permanent abgelenkt hat“, ätzte der bekennende Laptoptrainer-Skeptiker Mehmet Scholl 2024: „Da hat Hansi so ein bisschen den Überblick verloren, weil er dem falschen Mann vertraut hat.“

Sensationeller Klassenerhalt in England

Im Oktober 2023 trat Röhl dann erstmals bei Sheffield Wednesday in der englischen Championship als Cheftrainer in Erscheinung. Auf dem letzten Tabellenplatz, ohne Sieg und mit nur drei Punkten nach elf Spielen übernahm er die Eulen und führte sie sensationell zum Klassenerhalt.

Gefeiert wurde Röhl mit einer umgedichteten Version von „Daddy Cool“ von Boney M.: „Danny, Danny Röhl“, hallte es durch die Kabine und von den Rängen.

In der Saison 2024/2025 belegte er mit seiner Mannschaft zum Abschluss einer sorgenfreien Spielzeit Rang zwölf. Doch kurz vor Saisonbeginn verkündete Röhl bei dem finanziell angeschlagenen Traditionsklub seinen Rücktritt.

Das muss Röhl mit den Rangers verbessern

Zwischen Röhls beiden Amtsantritten in Sheffield und Glasgow lassen sich demnach durchaus Parallelen erkennen: In beiden Fällen lag der Verein am Boden - doch während es in England ums Überleben ging, geht es in Schottland eigentlich um Titel.

Zudem liegt bei den Rangers kein technisches oder taktisches Problem vor, wie Röhls Vorgänger Martin kurz vor seiner Entlassung diagnostizierte: „Das ist eine Frage der Mentalität.“

Qualität im Kader ist auf dem Papier vorhanden: Mit einem Kaderwert von rund 105 Millionen Euro liegen die Rangers hinter Celtic (133 Millionen) auf Rang zwei im internen Liga-Ranking, die nächsten Klubs folgen erst bei etwa 20 Millionen.

Stattdessen bemängelt die heimische Presse derzeit vor allem fehlende Grundtugenden: Leidenschaft, Einsatz, Kampfgeist - und die Fähigkeit, über 90 Minuten konstant zu bleiben.

„Auf höchstmöglichem Niveau“: Röhl verfolgt große Ziele

Ob Röhl als junger, moderner Taktikfuchs in den rauen Alltag der Scottish Premiership passt und einer mental schwachen Mannschaft neues Leben einhauchen kann, wird sich zeigen.

Am nötigen Selbstvertrauen mangelt es ihm augenscheinlich nicht: „Ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich in naher Zukunft gerne auf höchstmöglichem Niveau arbeiten möchte - mit den besten Spielern“, betonte Röhl im Juni bei der Bild, als Gerüchte über Interesse aus der Bundesliga aufkamen.

Glasgow zählt vielleicht noch nicht zum allerhöchsten Regal - könnte aber für ihn der richtige Zwischenschritt sein, um endgültig zu beweisen, dass er für mehr bereit ist.