So ausführlich redet Mesut Özil nicht oft! Der deutsche Weltmeister von 2014 hat im Vorfeld des Clásico zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona am Sonntagabend ein seltenes, langes Interview gegeben.
Özil spricht - ausführlich wie selten
Özil macht sich vor allem in Deutschland medial rar - spätestens seit den anhaltenden Irritationen rund um die „Erdogan-Affäre“ vor der WM 2018. In der spanischen Marca äußert sich der frühere Real-Star dafür nun umfassend, nicht nur über das Gipfeltreffen der Erzrivalen im Estadio Bernabeu (Sonntag, ab 21.00 Uhr im LIVETICKER).
Der heute 35-Jährige erzählt auch über sein neues Leben nach der Karriere, seine neu entflammte Bodybuilding-Leidenschaft - und schwärmt von seinem früheren DFB-Kollegen Antonio Rüdiger.
Mesut Özil schwärmt von Rüdigers „Weltklasse-Saison“
„Er spielt eine Weltklasse-Saison. Ich meine, welche Abwehr hat in Europa eine bessere Saison gespielt als seine?“, sagt Özil über den Real-Verteidiger. Dies habe auch im dramatischen Champions-League-Viertelfinale der Königlichen den Unterschied zu Manchester City ausgemacht.
„Tonis Mentalität ist unglaublich“, so Özil weiter, der auch erwähnte, dass Rüdigers eigentlicher Gegenspieler Erling Haaland daher bewusst die Zweikämpfe mit dem Innenverteidiger mied.
Als Rüdiger dann auch noch zum Helden im Elfmeterschießen avancierte, gab es für Özil kein Halten mehr: „Ich rief ‚Hala Madrid!‘ Es war sehr aufregend. Ich denke, Real Madrid ist jetzt der große Favorit. Ich bin zuversichtlich, dass sie die Champions League gewinnen können.“
Reals Superstar Jude Bellingham ist für Özil ein Kandidat für den Ballon d‘Or: „Seine erste Hälfte der Saison war unglaublich und hat alle sprachlos gemacht. Wenn er die Liga, die Champions League und die Europameisterschaft gewinnt, ist er ein Kandidat für den Ballon d‘Or.“
Özil: „Ich hatte Angebote aus Saudi-Arabien“
Dass Özil, bei Real zwischen 2010 bis 2013 und zuletzt bei Istanbul Basaksehir, im Vorjahr seine Karriere beendet hat, bewertete der 35-Jährige als richtige Entscheidung: „Ich wusste genau, was ich wollte. Ich genieße das Leben mit meiner Familie in Istanbul in vollen Zügen. Es ist eine große Freude, meine beiden Kinder aufwachsen und sie jeden Tag zu sehen.“
Özil verriet auch: „Ich hätte jetzt wieder die Möglichkeit gehabt, meine Karriere fortzusetzen oder sogar wieder zu spielen. Ich hatte Angebote aus Saudi-Arabien, Katar und anderen Ligen, aber ich wollte nicht und bereue es nicht.“
Was auch daran liegen mag, dass er inzwischen aktiv dem Muskelaufbau frönt - wenngleich er nach eigenen Angaben keine Ambitionen hat, in die Fußstapfen seines früheren Werder-Kollegen Tim Wiese zu treten: „Ich bin ins Fitnessstudio gegangen, um in Form zu kommen, ich warte nicht auf ein Angebot von WWE.“ Als sportlichen Ausgleich hat er zuletzt auch das Reiten für sich entdeckt.
Nicht ausschließen wollte Özil gleichwohl, in Zukunft als Trainer oder Sportdirektor zu arbeiten: „Man weiß ja nie, aber im Moment kommt das nicht in Frage. Ich bin zufrieden damit, wie die Dinge im Moment sind. Ich langweile mich noch nicht, wir werden sehen, wie es in ein paar Jahren läuft.“
Özil stichelt gegen Barcelona
An die persönlichen Erlebnisse beim Clásico hat Özil gemischte Gefühle: „Leider war Barca vielleicht das beste Barca der Geschichte. Peps (Trainer Guardiola, Anm. d. Red.) Barca war auf einem anderen Niveau, sicherlich anders als das aktuelle Barca.“
Dass heutzutage die Premier-League-Duelle zwischen dem FC Liverpool und Manchester City mehr im internationalen Fokus stehen, bezeichnete Özil als „eine Schande. Aber das ist nicht die Schuld von Real Madrid, denn sie sind zweifellos eine der besten Mannschaften der Welt. Das Problem ist Barca, das Potenzial verloren hat.“
Aus Sicht Özils hat das Team seines Weggefährten Ilkay Gündogan derzeit verschiedene Probleme: „Sie haben gute Spieler auf allen Positionen, aber sie hatten in dieser Saison zu viele Verletzungen und vielleicht sollten sie ein bisschen mehr auf sich selbst und ihre Fehler schauen und sich nicht immer über die Schiedsrichter beschweren.“
WM-Medaille „sehr gut geschützt“
Für die kommende Europameisterschaft in Deutschland hat Özil zwei Top-Favoriten: „Die englischen und französischen Mannschaften sind unglaublich. Nicht nur wegen ihrer Startelf, sondern auch wegen der Tiefe ihres Kaders.“
Er sieht aber auch Chancen für Deutschland: „Eine Entscheidung des Schiedsrichters kann den Unterschied ausmachen, und es ist nicht möglich, jedes Spiel 90 Minuten lang komplett zu dominieren. Deshalb sollten auch Mannschaften wie Deutschland, Spanien oder Portugal eine Chance haben, das Finale zu erreichen.“
Im Sommer jährt sich die WM 2014 zum zehnten Mal, der ehemalige Nationalspieler spricht von unglaublichen Erinnerungen und verrät, dass seine Medaille „sehr gut geschützt“ bei ihm zu Hause sei. Özil, der 2014 in Brasilien Weltmeister wurde, bestritt insgesamt 92 Länderspiele für Deutschland.