Die Personalsorgen bei Real Madrid steigen ins Unermessliche, die Notsituation könnte größer nicht sein - insbesondere in der Abwehr.
Schlägt jetzt seine große Stunde?
Aufgrund der jüngsten Ausfälle des - ohnehin gesperrten - Nationalspielers Antonio Rüdiger (Meniskusoperation), von Ex-Bayern-Star David Alaba (Innenmeniskusriss im linken Knie) sowie von Ferland Mendy (Sehnenriss im hinteren rechten Oberschenkel) stehen Trainer Carlo Ancelotti im gesamten Kader nur noch vier (!) nominelle Verteidiger zur Verfügung.
Schon seit Längerem fehlen Éder Militao und Daniel Carvajal.
Real Madrid gehen die Verteidiger aus
Übrig bleiben die Dauerbrenner Raúl Asencio, Fran García sowie Lucas Vázquez, aber auch der fast schon in Vergessenheit geratene Jesús Vallejo.
Der spanische Innenverteidiger stand in der laufenden Spielzeit immerhin 41-mal im Kader der Königlichen, kommt aber auf lediglich zehn Einsatzminuten! Ein Kurzeinsatz am 24. September beim 3:2-Heimerfolg gegen Deportivo Alavés steht zu Buche, ansonsten wurde Vallejo von Ancelotti nicht berücksichtigt.
Doch ausgerechnet jetzt, da das Lazarett bei Real weiter wächst und die Königlichen noch immer um die Meisterschaft kämpfen, scheint Vallejo eine immer wahrscheinlichere Option zu werden.
Mit Fredi Bobic hat Vallejo zumindest schon mal einen Fürsprecher: „Ich würde mich freuen, wenn er seine Chance kriegt. Er ist immer bereit, wenn er gebraucht wird“, bekräftigt der Experte im Gespräch mit SPORT1.
„Er hat in Frankfurt herausragend gespielt“
Bobic kennt Vallejo bestens. Zu seiner Zeit als Sportvorstand bei Eintracht Frankfurt hatte er den Spanier im Sommer 2016 auf Leihbasis an den Main geholt. Dort wusste der Spanier zu beeindrucken und entwickelte sich zu einer festen Größe bei den Hessen.
„Er hat in Frankfurt herausragend gespielt und dann den großen Vertrag bei Real unterschrieben“, sagt Bobic: „Ich weiß, dass es sein Traum war, bei Real Madrid zu spielen. Der Vertrag hat ihn sehr stolz gemacht.“
Doch seit seiner Rückkehr nach Madrid im Jahr 2017 hatte Vallejo Schwierigkeiten, sich in den Fokus zu rücken, und wurde kaum noch berücksichtigt.
„Wenn man sich natürlich den größten Klub der Welt aussucht, ist es auch nicht einfach, sich durchzusetzen. Er hat natürlich brutale Konkurrenz, das muss man ganz klar sagen. Real strebt ja immer nach dem Höchsten“, merkt Bobic an.
Dabei wurde Vallejo eigentlich als Nachfolger von Ex-Abwehrchef Pepe gehandelt, der sich 2017 Besiktas Istanbul anschloss, bevor er 2024 seine Karriere beim FC Porto beendete. Schnell wurde jedoch klar, dass man Vallejo diese Rolle in Madrid nicht zutraut - zumindest noch nicht.
„Immer wieder bei Real gelandet“
Es folgte ein weiteres Leihgeschäft zu den Wolverhampton Wanderers und ganze drei Leihen zu LaLiga-Konkurrent Granada. „Er wurde ja zwischenzeitlich auch verliehen, dass er mehr Spielpraxis bekommt. Vielleicht haben sie mal an einen Verkauf gedacht, aber irgendwie ist er immer wieder bei Real gelandet“, erklärt Bobic.
„Es sieht schon komisch aus, dass er über die Jahre immer wieder verliehen wurde, aber sein Vertrag bei Real trotzdem immer wieder verlängert wurde. Sie halten trotzdem große Stücke auf ihn, sonst wäre er nicht mehr da. Sonst hätten sie ihn sicherlich ausbezahlt oder irgendwohin verkauft“, sagte Bobic.
In Madrid wird man dennoch froh sein, an Vallejo festgehalten zu haben.
Wird Vallejo der nächste Eric Dier?
„Jetzt kommt vielleicht seine Zeit, dass er noch seine Spiele bekommt - auch aufgrund der Verletzungen“, glaubt Bobic.
Er zieht den Vergleich zu Eric Dier, der bei den Bayern seit Wochen die Rolle des verletzten Dayot Upamecano in der Innenverteidigung ausfüllt, den deutschen Rekordmeister aber wohl im Sommer verlassen soll.
„Er ist wie Eric Dier beim FC Bayern München: Du weißt, wenn du ihn brauchst, dann kannst du ihn immer einsetzen. Sonst würde er aber auch 30 Spiele auf der Bank sitzen, keinen Stunk machen und immer super trainieren“, sagte Bobic.
Der aktuelle Fußballabteilungsleiter beim polnischen Erstligisten Legia Warschau ist fest davon überzeugt, dass Vallejo den Madrilenen in der aktuellen Situation enorm weiterhelfen kann: „Er ist sehr bescheiden und diszipliniert. Er wird immer hundert Prozent geben. Dass er kicken kann, das weiß man.“
Vallejo von Ancelotti kaum berücksichtigt
Eine Art von Spieler, die für Bobic nicht ganz unwichtig ist. „Es gibt Kaderspieler, Rollenspieler - wie man so schön sagt. Und jetzt muss er eine Rolle vielleicht auch mal ausfüllen.“
Ob Vallejo jedoch tatsächlich die Chance dazu bekommt, bleibt trotz der Verletztenmisere abzuwarten. Denn Ancelotti ließ in der Vergangenheit auch immer mal wieder den gelernten Mittelfeldspieler Aurélien Tchouaméni in Innenverteidigung spielen. „Ancelotti setzt halt auf die Top-Leute mit Erfahrung und lässt jemand auch mal auf einer fremden Position spielen - das macht er gerne.“
Bobic hält es sogar für möglich, dass Vallejo zu „schüchtern“ oder zu „demütig“ rüberkommt. „Er ist ein sehr genügsamer Mensch, der keine großen Ansprüche hat.“
Mitunter auch ein Grund, weshalb Bobic so angetan von seinem bodenständigen Ex-Schützling ist. Wie er gegenüber SPORT1 verriet, hätte er Vallejo 2020 gerne zurück nach Frankfurt geholt. „Das hatten wir vor, aber da war er schon Richtung Wolverhampton unterwegs. Das Wirtschaftliche war am Ende des Tages auch nicht mehr stemmbar. Wir haben es versucht, aber da war keine Chance.“