Wieder eitel Sonnenschein in Katalonien - oder kommt doch noch die ganz große Schlammschlacht zwischen Marc-André ter Stegen und dem FC Barcelona? Zumindest für den Moment sind der Nationaltorhüter und der Verein wieder einen Schritt aufeinander zugegangen.
Diese entscheidende Frage bei ter Stegen bleibt offen
Jurist klärt im Fall ter Stegen auf
Denn wie Barca am Freitagabend mitteilte, wird das zuvor eingeleitete Disziplinarverfahren eingestellt. Der Torhüter bekommt sogar mit sofortiger Wirkung seine Kapitänsbinde zurück.
Zuvor hatte ter Stegen doch eine Genehmigung unterzeichnet, die es dem Verein erlaubt, den Verletzungsbericht des Torhüters an die spanische Liga zu schicken. Barca hofft, Teile seines üppigen Gehalts zur Registrierung neuer Spieler nutzen zu können, wenn es von der Liga durch die langwierige Verletzungspause des Nationaltorhüters die entsprechende Erlaubnis gibt.
Dafür müsse die Ausfallzeit aber mindestens vier Monate sein. Ter Stegen selbst hatte aber davon gesprochen, dass er nur drei Monate fehlen werde. Anschließend hatte eine große öffentliche Schlammschlacht gedroht, spätestens mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens bei Barca.
„Ich glaube nicht, dass ter Stegen aus Angst eingeknickt ist“
Doch danach gingen ter Stegen und der Verein wieder einige Schritte aufeinander zu. „Ich glaube nicht, dass ter Stegen unter dem Druck, also aus Angst vor dem Disziplinarverfahren, eingeknickt ist“, erklärte Jurist Dr. Sven Wassmer von der Kanzlei Monero Meyer Abogados mit Sitz in Madrid im Gespräch mit SPORT1.
Wassmer, der Experte für das spanische Sportrecht ist, schätzt eher, dass beide Parteien „die Eskalation der letzten Tage bzw. Wochen zum Anlass genommen haben, sich zusammenzusetzen und eine für beide Seiten vertretbare Einigung zu erzielen.“
Kurzfristig heißt das: Ter Stegen gibt seine medizinischen Daten frei, Barca kann diese jetzt zur Prüfung an die Liga schicken.
Diese Folgen hat der Deal für ter Stegen
„Wenn die medizinische Kommission der Liga zu dem Ergebnis kommt, dass die vermutliche Ausfalldauer aufgrund der Verletzung mindestens vier Monate beträgt, hat Barca das Recht, innerhalb der wirtschaftlichen Vorgaben der Liga 80 % seines Gehalts dafür zu verwenden, einen anderen Spieler für die Liga zu registrieren“, erklärt Wassmer.
Für diese Zeit wäre ter Stegen selbst dann logischerweise nicht spielberechtigt. „Ter Stegen würde dann also bezüglich des Spielbetriebes bei der Liga quasi durch einen anderen Spieler ersetzt“, erklärt der Jurist.
In der Theorie könnte der 33-Jährige ab der Rückrunde wieder eingesetzt werden - aber nur, wenn dann auch genug Gehalt für die notwendige Registrierung frei ist.
Da der deutsche Nationaltorhüter in dieser Saison nur als maximal dritter Torhüter eingeplant ist, wäre zumindest für Barca eine spätere Nicht-Registrierung zu verkraften.
Ramelow schießt gegen Barca: „Was da abläuft, ist unwürdig“
Macht die Liga den Weg frei und Barca kann wie gewünscht einen anderen Spieler für das frei werdende Ter-Stegen-Budget melden, haben die Katalanen ihren Willen bekommen - allerdings zu einem hohen Preis.
Denn der menschliche Umgang mit dem Kapitän und langjährigen Barca-Leistungsträger sorgte und sorgt für massive Kritik. „Was da jetzt abläuft, ist unwürdig“, fällte auch Carsten Ramelow, Ex-Profi und heutiger Präsident der deutschen Spielergewerkschaft VDV, im Gespräch mit SPORT1 ein hartes Urteil.
Ter Stegen sei schließlich seit über zehn Jahren im Klub und ein verdienter Spieler. „Was für ein Bild gibt der FC Barcelona denn jetzt nach außen ab? Ich finde das ganz schlecht. Das Thema so beenden zu wollen. Da fehlen mir ein bisschen die Worte. Nur scheint das leider die aktuelle Entwicklung im Fußball zu sein. Das macht vieles kaputt”, befand Ramelow kurz vor der überraschenden Wende am Freitag.
Selbst wenn sich ter Stegen und Barca vorerst wieder zusammengerauft haben, ist der öffentliche Schaden schon angerichtet. „Es kann nicht sein, dass man als Spieler nur so lange interessant ist, wie man das Trikot des Vereins trägt und Leistung bringt“, stellte Ramelow klar.
Disziplinarstrafe gegen ter Stegen „wäre rechtswidrig gewesen“
Wäre ter Stegen weiter Kampflinie gefahren, hätte Barca in Sachen Disziplinarverfahren schlechte Karten gehabt, verrät Jurist Wassmer.
Formal habe der Klub zwar das Recht, solch ein Verfahren einzuleiten, weil der Tarifvertrag zwischen Liga und Spielergewerkschaft „bei leichten, mittleren und schweren Verstößen gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen“ diese Möglichkeit beinhaltet. „Diese Verfahren könnten eingeleitet werden, wenn ‚Ungehorsam gegen Anweisungen des Arbeitgebers, die einen wirtschaftlichen Schaden für den Verein bedeuten‘ vorliegen", erklärt der Experte.
Unter Berufung auf diesen Tatbestand hätte der Verein laut des Rechtsexperten durchaus versuchen können, ein schweres Vergehen auf diesen Tatbestand zu stützen, was dann „zu einer Suspendierung bis hin zur Kündigung“ führen könnte.
Allerdings: Mit einem solchen Vorgehen wäre Barca nach Analyse des Experten am Ende trotzdem gescheitert. „Meiner Meinung nach wäre eine vom Verein ausgesprochene Sanktion rechtswidrig gewesen, weil ter Stegen das Recht hat, die Einwilligung zur Weiterleitung seiner besonders geschützten personenbezogenen Gesundheitsdaten an die Liga oder Dritte zu verweigern“, stellt der Anwalt klar. Dies sei ganz klar in der EU-Datenschutzverordnung und auch im spanischen Datenschutzgesetz festgeschrieben.
„Seine Einwilligung ist erforderlich und freiwillig, und wenn er von seinem Recht zur Verweigerung Gebrauch macht, kann dies aus meiner Sicht keine arbeitsrechtliche Sanktion nach sich ziehen“, erklärte Wassmer.
Ohne Liga-Zusage kann Barca keine neuen Spieler registrieren
Zu diesem äußersten Schritt wird es jetzt - vorerst - nicht kommen. Ob Barca die eigene Wunschlösung aber tatsächlich bekommt, ist alles andere als sicher.
„Sollte die medizinische Abteilung der Liga zu dem Ergebnis kommen, dass die voraussichtliche Verletzungsdauer unter vier Monaten liegt, kann ter Stegen nicht durch einen anderen Spieler ersetzt werden, es kann also kein weiterer Spieler bei der Liga registriert werden“, sagte Wassmer.
Dann bliebe Barca nur die Möglichkeit, Spieler abzugeben, wie es in dieser Woche schon mit Inigo Martínez geschah, oder durch zusätzliche Einnahmen die finanzielle Position auf andere Weise zu verbessern.
Spätestens, wenn ter Stegen dann aber wieder genesen und spielbereit ist, dürften in Barcelona aber wieder dunkle Wolken aufziehen - immerhin braucht der deutsche Nationalkeeper Spielpraxis für die WM 2026.