1:4-Klatsche, ein verschossener Elfmeter und die Tabellenführung an Rivale Real Madrid verloren: Das Wochenende in La Liga hätte für den FC Barcelona und Hansi Flick nicht schlechter laufen können.
Das Flick-System: Durchschaut und brüchig?
Das System Flick wankt gewaltig
Besonders erschreckend: Wie Barca im Ramón Sánchez Pizjuán vom FC Sevilla aufgetreten ist. Flicks Mannen wurden regelrecht überrannt und schienen zu keinem Zeitpunkt der Partie die nötige Einstellung an den Tag zu legen. „Wir sind nicht mit der Intensität ins Spiel gegangen, die dieses Spiel erforderte, wir sind schläfrig gestartet“, resümierte Verteidiger Pau Cubarsí. Die Folge: Die höchste Niederlage für Barca in der Ära Flick.
Dieser musste sich nach der Partie vor allem aufgrund seiner taktischen Ausrichtung viel Kritik anhören. In seinem bevorzugten und sehr offensiv ausgerichteten 4-2-3-1-System offenbarte insbesondere die Defensive teils eklatante Schwächen und wirkte häufig nicht griffig genug. Die unglaublich hochstehende Viererkette spielte diverse Male extrem auf Abseits und verteidigte teilweise auf Höhe der Mittellinie – und das als letzte Absicherung vor dem eigenen Tor.
Barcelona: Abseitsfalle funktioniert nicht mehr
Was Flicks Verteidiger in der vergangenen Saison fast perfektionierten und so reihenweise die Stürmer gegnerischer Teams geschickt ins Abseits lockten, funktioniert auf diese Weise nicht mehr. Die Kommunikation und Koordination, die es für eine solch riskante Spielweise benötigt, ist nicht ausreichend und vor allem zeigte sich eins: Die Gegner passen sich an – und Flick nicht.
Sevilla schaffte es unzählige Male, die offensive Ausrichtung auszunutzen und sich hinter die letzte Abwehrkette zu spielen. Sie stellten einen Spieler bewusst ins Abseits und nutzten so die Gegenbewegung der Verteidiger, um einen anderen Spieler durchzuschicken. So fiel auch das 0:2 aus Sicht von Barca.
Doch Flick verpasste es, taktisch umzustellen und so für mehr Ruhe zu sorgen. Bezeichnend: Die TV-Kameras fingen eine Konversation während einer Spielunterbrechung zwischen Pedri, Ferran Torres und Frenkie de Jong ein. Offenbar ohne Erfolg und verwirrt versuchten die drei, Meinungen und taktische Korrekturen vorzunehmen.
„Es gibt keine taktischen Anpassungen, die eine schlechte Dynamik schnell ändern können“, schrieb die Mundo Deportivo und nahm Flick in die Pflicht, Korrekturen eher durchzuführen. Als Beispiel nannten sie unter anderem die nicht getätigte Auswechslung von Lamine Yamal im CL-Kracher gegen Paris Saint-Germain (1:2).
Flick: Legenden warnen und kritisieren
Schon dort zeigten sich erste Schwachstellen des Flick-Systems. Das entscheidende Tor durch Goncalo Ramos fiel nur deshalb, weil die Viererkette erneut zu hoch stand und so zu viel Platz vor dem Tor freigab. „Man kann die Champions League nicht mit so einer hohen Linie spielen, es tut mir leid“, warnte Ex-Barca-Spieler Thierry Henry als Experte bei CBS Sports.
„Wir erwähnen es immer wieder, aber sie wollten es nicht ändern. Manchmal möchten Trainer unbedingt an ihrer Strategie festhalten, aber in wichtigen Spielen kann das teuer werden“, führte der Franzose aus und übte Kritik an Flick.
Auch Toni Kroos, der mit Flick 2014 Weltmeister wurde, warnte in seinem Podcast Einfach mal Luppen ebenfalls vor der offensiven Ausrichtung: „Barcelona hat mit das attraktivste Spiel in ganz Europa, und sie können den Großteil der Mannschaften dominieren und schlagen. Irgendwann kommt jedoch die Mannschaft, die dich aus der Champions League schmeißt.“
„Alle sind ein bisschen müde. Wenn du diese Formation dann aber trotzdem behältst, wird es augenscheinlich, wie offen du bist“, beobachtete er beim CL-Auftritt gegen PSG. Barca wolle „mehr Tore schießen als der Gegner“, man sei aber „nicht in jedem Spiel in der Lage, so viel zu kreieren“.
„Realitätscheck“ für Barcelona und Flick
Die Marca sprach von einem „Realitätscheck für Barcelona“. Nicht nur für Barcelona, sondern auch für Flick, der nun in der Länderspielpause Zeit hat, mögliche taktische Anpassungen vorzunehmen.
Denn: In drei Wochen steigt der Clásico gegen Real Madrid und in der derzeitigen Verfassung könnte das für Barca böse enden.
Gegnerische Mannschaften haben sich an seine taktische Ausrichtung angepasst und Wege gefunden, diese auszuhebeln. Jetzt ist es an Flick, passende Antworten zu finden – sonst bekommt das bröckelnde System ganz schnell irreparable und tiefe Risse.