Einen Tag nach dem angeordneten Zwangsabstieg von Olympique Lyon waren viele Banner in Lyons Innenstadt zu sehen.
Die Wut richtet sich gegen den Investor
Etwa am Gitter der Basilika Notre-Dame de Fourvière und an mehreren Brücken der Ringautobahn hingen Plakate mit der Aufschrift: „Textor raus!“ Auch auf dem Vereinsgelände in Décines machten Fans ihrem Ärger über Investor John Textor Luft.
Beim ehemaligen Mittelfeldspieler Vikash Dhorasoo, der von 1998 bis 2004 bei Lyon unter Vertrag stand, sitzt der Schock tief. „Ich bin schlichtweg entsetzt“, sagte der ehemalige französische Nationalspieler (1999-2006).
Kritik an Textor! „Er ist ein Schönredner“
„Nicht unbedingt über das Urteil, sondern über die Tatsache wie der Verein mittlerweile geführt wird. Wieder einmal hat uns Textor ausgetrickst. Er ist ein Schönredner, aber am Ende folgen nie irgendwelche Taten“, sagte Dhorasoo.
Die Nationale Kontroll- und Verwaltungsdirektion (DNCG) ordnete am Dienstag wegen Verstößen gegen die Finanzauflagen die Rückstufung in die Ligue 2 an, die Begründung ihrer Entscheidung wird die DNCG dem Klub per Post übermitteln. Lyon kündigte umgehend an, Berufung einlegen zu wollen.
Doch es ist kein Geheimnis: Die Behörde war nicht von dem Geschäftsplan überzeugt, der von Textor und Michael Gerlinger, ehemaliger Direktor der Rechtsabteilung beim FC Bayern, vorgelegt wurde.
Textor gab sich optimistisch
Während Lyon-Boss Textor regelmäßig einen vordergründigen Optimismus an den Tag legte, erschütterte die Strafe den früheren Serienmeister und seine Anhänger.
Zwar hatten die Finanzkontrolleure schon im November vergangenen Jahres provisorisch einen Zwangsabstieg zum Saisonende verhängt. Doch seit mehreren Wochen gab es angesichts der Fakten die Tendenz zu einem positiven Ausgang.
Mit mehreren Verkäufen, einer Finanzspritze von 83 Millionen Euro im Januar, einer erheblichen Reduzierung der Lohnkosten und internen Umstrukturierungen ging der Verein mit vorsichtigem Optimismus in dieses für seine Zukunft entscheidende Treffen.
Die Barmittel aus dem am Montag angekündigten Verkauf der Anteile von Textor am englischen Verein Crystal Palace - über 200 Millionen Euro - sollten die DNCG ebenfalls besänftigen. Daraus wurde nichts.
Hat Olympique Lyon zu spät gehandelt?
Die Kommission hat den von Lyon vorgelegten Plan nicht gebilligt. Womöglich herrscht Verbitterung, weil etwa einige Versprechen nicht eingehalten wurden.
So lässt der US-Börsengang von Textors Eagle Football Holding, zu der Lyon seit 2022 gehört, noch immer auf sich warten. Auch die Veräußerung der Anteile an Crystal Palace könnte für die DNCG zu spät gekommen sein.
„Es war bereits von Beginn an kompliziert“, sagte der ehemalige Lyon-Trainer Raymond Domenech bei SPORT1 und kritisierte Textor: „Nun hat er in meinen Augen keine Glaubwürdigkeit mehr.“
Der 73-Jährige trainierte OL von 1988 bis 1993 und bedauert die Entwicklung: „Heute bin ich traurig. Es gab alles in Lyon, um dafür zu sorgen, dass OL ein großer Verein bleibt. Was passiert ist, ist auch bei anderen Vereinen passiert und wird auch bei anderen Vereinen passieren, weil man eine finanzielle Strategie verfolgt und keine sportliche mehr.“
„Alles, was rentabel war, hat er zunichte gemacht“
Es regiere „ein Kapitalsystem mit einem Präsidenten, der mit Geld von rechts und links jongliert. Es sind Fonds, die kommen, um Geld zu machen und die einfach nur Rendite wollen. Es gibt keine Politik mehr, keine Strategie und kein Herz für den Verein.“
Textor habe investiert, um Geld zu verdienen, fügte Domenech an, „in der Hoffnung, in vier, fünf oder sechs Jahren wieder zu verkaufen. Es ist nicht überraschend, dass das passiert, weil es keine echte sportliche Aufbaupolitik ist.“
Und Domenech warf dem US-Geschäftsmann konkrete Fehler vor: „Textor hat das Ausbildungszentrum getötet, er hat den Frauenfußball verkauft, er hat die Halle nebenan (LDLC Arena, Anm. d. Red.) verkauft.“
Domenechs bitteres Fazit: „Alles, was rentabel war, hat er zunichte gemacht.“