Die Nachspielzeit war gerade angebrochen, da rutschte ein Querpass zu Olivier Giroud durch. Auf Höhe des Elfmeterpunktes fackelte der 38-Jährige nicht lange und ließ mit einem Schuss aus der Drehung dem Ex-Leverkusener Lukas Hradecky im Tor der AS Monaco keine Chance.
350. Karriere-Tor! Legende sorgt für Gänsehaut-Moment in Frankreich
Schon wieder der Held
„Es ist bekannt, dass sich für Stürmer die Chancen manchmal erst in letzter Minute ergeben“, sagte Giroud hinterher. Und es sind genau die Situationen, auf die der Routinier lauert - und in denen er immer noch die Qualität hat, Spiele zu entscheiden.
So geschehen am Sonntag: Mit seinem Treffer führte der Angreifer den OSC Lille zu einem späten 1:0-Sieg. Schon vor einer Woche hatte der einstige Starstürmer, der für Arsenal, Chelsea und Milan auflief, seine Rückkehr nach Frankreich mit seinem ersten Tor für seinen neuen Klub gekrönt. Beim 3:3 bei Stade Brest reichte es dann jedoch nicht zum Sieg.
Besonderes Tor! Girouds Fußballmärchen geht weiter
Beim Heimdebüt fügte die lebende Legende dem Fußballmärchen mit dem 350. Karriere-Treffer gleich das nächste Kapitel hinzu - auch wenn ein Makel blieb. Denn in der neunten Minute der Nachspielzeit vergab Giroud per Elfmeter die Chance auf ein weiteres Tor, der Ball segelte über die Latte.
„Wir hätten effizienter sein müssen, vor allem ich selbst beim Elfmeter“, gab sich Giroud selbstkritisch: „Als Sportler bin ich ein wenig wütend auf mich selbst, aber ich will nicht undankbar sein. Ich bin sehr froh, dass ich der Mannschaft helfen konnte.“
Die Presse feierte ihn auch so. Auf dem Titelblatt der Sportzeitung L‘Équipe prangte am Montag sein ausgelassener Jubel mit ausgebreiteten Armen und einer herausgestreckten Zunge. Dazu die Zeile: „Giroud, das ist großartig!“
Le Figaro titelte: „Lange ruhig, dann ließ Giroud seine Erfahrung sprechen und erlöste Lille gegen Monaco.“
Pause für Giroud? „Im Moment will er das nicht“
Bemerkenswert: Wie schon beim Auftaktspiel vergangene Woche spielte Giroud die vollen 90 Minuten durch - und das mit bald 39 Jahren.
„Ich spreche regelmäßig mit ihm, um zu erfahren, ob er bei bestimmten Trainingseinheiten eine Pause braucht oder sich behandeln lassen muss“, sagte sein Trainer Bruno Genesio: „Aber im Moment will er das nicht. Er trainiert. Er will arbeiten, Tore schießen.“
Der Coach lobte Girouds Bescheidenheit. „Er ist ein Vorbild für junge Menschen, aber nicht nur für sie.“
Giroud selbst fühle sich „körperlich gut“, wie er nach dem Spiel bekräftigte: „Ich bin glücklich auf dem Platz und habe Spaß. Auch wenn die Erholung mit zunehmendem Alter etwas schwieriger ist, bin ich bereit, weiterzumachen.“
Vor 13 Jahren führte er Montpellier als Torschützenkönig sensationell zur Meisterschaft, anschließend setzte er seine Karriere im Ausland fort. Zuletzt schien seine Laufbahn bei Los Angeles FC in der MLS auszutrudeln.
„Fußball ist ein ewiger Neuanfang“
Doch im Sommer entschied er sich noch mal für ein neues Abenteuer in seiner französischen Heimat und unterschrieb für ein Jahr in Lille.
„Fußball ist ein ewiger Neuanfang“, sagte Giroud nun: „Man muss sich immer wieder hinterfragen und aus seiner Komfortzone herauskommen.“
Das spiegelt sich bei ihm auch auf dem Platz wider. „Ich habe bis zum Schluss daran geglaubt, habe meine ganze Entschlossenheit, meine Freude und meinen Siegeswillen zum Ausdruck gebracht. Es war cool, das mit dem Publikum zu teilen“, sagte Giroud.
Aber hätte er von solch einem Einstand mit zwei Toren in den ersten beiden Spielen überhaupt zu träumen gewagt? „Wenn ich nicht daran geglaubt hätte, wäre ich nicht gekommen“, sagte Giroud: „Es war eine Herausforderung, von der ich dachte, dass ich sie meistern könnte, auch wenn es erst der Beginn der Saison ist.“
Comeback in der Nationalmannschaft?
Dass nun schon wieder Stimmen laut werden, die ein Comeback des Rekordtorschützen in der französischen Nationalmannschaft fordern, nimmt er selbst eher gelassen bis amüsiert zur Kenntnis.
„Für mich ist es vorbei“, betonte Giroud: „Sag niemals nie, aber ich weiß, dass hinter mir große Talente aufsteigen, junge Menschen, die nach vorne drängen. Es liegt an ihnen, ihre eigene Geschichte zu schreiben. Ich habe meinen Teil der Arbeit getan, es liegt an ihnen, ihren Teil zu tun.“
Dafür schreibt Giroud in Lille einfach weiter an seinem ganz persönlichen Märchen.