Nach 25 Jahren beim FC Bayern stürzt sich Thomas Müller in ein neues Abenteuer und wagt den Sprung „übern großen Teich“, wie das Münchner Urgestein vor wenigen Tagen in einem Video ankündigte. Doch nicht etwa in die USA, wie zunächst vermutet, sondern nach Kanada zieht es den Oberbayern.
Worauf sich Thomas Müller jetzt einstellen muss
Worauf sich Müller einstellen muss
Am Mittwoch verkündete zunächst Müller selbst den Transfer zu den Vancouver Whitecaps, ehe kurz darauf die MLS-Franchise nachzog. „Ich freue mich darauf, nach Vancouver zu kommen und diesem Team zu helfen, die Meisterschaft zu gewinnen“, rief Müller gleich mal ehrgeizige Ziele aus.
Lange galt ein Wechsel zum Los Angeles FC als wahrscheinlicher. Doch letztlich überzeugten ihn die guten Gespräche mit Sportdirektor Axel Schuster und Trainer Jesper Sörensen vom Projekt in Vancouver, wie Müller selbst in der Pressemitteilung bekräftigte.
Vancouver freut sich auf den „ultimativen Raumdeuter“
Der frühere Schalke-Sportdirektor Schuster pries Müller als den „ultimativen Raumdeuter“ und sprach von einem „Statement-Transfer des Klubs“.
Müller soll nicht aufgrund seiner Strahlkraft als Botschafter kommen, sondern vor allem als Fußballer geschätzt werden.
Daher hob Schuster auch Müllers sportliche Qualitäten hervor. Der 35-Jährige sei „bekannt für seine herausragende Chancenverwertung, sein unübertroffenes Raumverständnis und seine unermüdlichen Bewegungen ohne Ball“.
Wie die Sport Bild zuletzt berichtete, habe außerdem Trainer Sörensen, ehemaliger Bröndby-Coach, Müller ein klares sportliches Konzept aufgezeigt: Das 4-3-3-System soll so angepasst werden, dass die Qualitäten des ehemaligen Nationalspielers bestmöglich zur Geltung kommen.
Vorfreude auf das Müller-„Wunder“
Die Bedeutung des Müller-Wechsels war in Kanada schon vor der offiziellen Verkündung spürbar. „Das Ding mit Wundern ist, dass sie extrem selten sind - aber sie geschehen“, schrieb die Vancouver Sun euphorisch.
Die Unterschrift der Münchner Klub-Ikone bei den „Caps“ sei „der mit Abstand größte Transfer in der Geschichte des Teams und würde als einer der größten sportlichen Schritte in die Geschichte der Stadt eingehen“, kommentierte das Blatt schon, bevor die Tinte trocken war. Und das in Vancouver, 2010 immerhin Gastgeber der Olympischen Winterspiele.
Doch was genau erwartet Müller bei seinem neuen Arbeitgeber? Deutschen Fans dürfte beim ersten Gedanken an die Whitecaps zunächst Alphonso Davies in den Sinn kommen. Der heutige Bayern-Star spielte dort im Nachwuchsbereich, ehe er sein Profidebüt feierte und 2019 als Rekordverkauf in die Franchise-Historie einging.
Vier Titel in der Canadian Soccer League
Der Klub selbst blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Die ursprünglichen Vancouver Whitecaps wurden 1974 gegründet und spielten in der North American Soccer League. Nach dem Ende der NASL trat das Team als Vancouver 86ers in der Canadian Soccer League an.
Zwischen 1988 und 1991 gewannen die 86ers dort gleich vier Titel in Folge - darunter eine Rekordserie von 46 Spielen ohne Niederlage. Seit 2000 ist Vancouver wieder unter dem ursprünglichen Namen Whitecaps aktiv.
2011 schlossen sich die Whitecaps als zweite kanadische Mannschaft nach Toronto der nordamerikanischen Major League Soccer an. Seit jenem Jahr bestreitet der Klub seine Heimspiele im BC Place Stadium, das im Rahmen der Winterspiele 2010 modernisiert wurde. Die Multifunktionsarena verfügt über 50.000 Plätze, für die Spiele der Whitecaps wird die Kapazität auf rund 27.000 Fans begrenzt.
Erfolge in der MLS sind Mangelware
Allzu verwöhnt mit sportlichen Erfolgen sind die Anhänger der „Caps“ allerdings nicht. In der MLS reichte es bislang nicht zum Titel, das Playoff-Viertelfinale war das höchste der Gefühle. 2024 landete das Team auf Platz acht der Western Conference und schied in der ersten Playoff-Runde aus.
Aktuell, in der Saison 2025, läuft es jedoch deutlich besser: Nach 24 Spielen stehen die Whitecaps mit nur fünf Niederlagen auf Platz zwei.
Zusätzlich spielte Vancouver Anfang Juni erstmals im Endspiel des Champions Cup, dem CONCACAF-Pendant zur Champions League. Auch wenn das Finale gegen den mexikanischen Vertreter Cruz Azul mit 0:5 verloren ging, war bereits der Einzug ein Meilenstein in der Franchise-Geschichte.
Wirbel hinter den Kulissen
Der aktuelle sportliche Höhenflug erhält vor dem Hintergrund eines Wandels hinter den Kulissen eine besondere Bedeutung. Denn die Whitecaps gehören einer Gruppe von vier Investoren, zu der auch NBA-Legende Steve Nash zählt. Doch im Dezember 2024 kündigten die Besitzer an, dass sie die Franchise verkaufen wollen.
Ein Grund soll sein, dass Gespräche mit der Stadt über den Bau eines eigenen Stadions stocken. Das BC Place Stadium, in dem 2026 auch WM-Spiele ausgetragen werden sollen, steht mit seinem Kunstrasen unter anderem bei MLS-Boss Don Garber in der Kritik.
Von den strukturellen Entwicklungen lassen sich die Spieler jedoch offenbar nicht ablenken. Die Arbeit von Schuster, der seit 2019 als Geschäftsführer und Sportdirektor die Whitecaps anführt, scheint zu fruchten. Der 53-jährige Deutsche arbeitete einst mit Jürgen Klopp und Thomas Tuchel in Mainz zusammen, bevor er 2016 Christian Heidel zu Schalke 04 folgte.
Die Mission bei Vancouver sei es, „auf und neben dem Spielfeld etwas Großartiges aufzubauen“, wie Schuster bei seiner Vertragsverlängerung bis 2026 vor drei Jahren betonte.
Kaum Prominenz in Vancouver
In seinen sechs Jahren in Vancouver lotste er durch seine Kontakte bereits einige deutschsprachige Spieler an die kanadische Westküste - wie zum Beispiel Ex-Schalker Alessandro Schöpf und den langjährigen Zweitligaprofi Florian Jungwirth, die inzwischen aber beide nicht mehr dort spielen.
International bekannte Namen sucht man im aktuellen Kader der Whitecaps vergebens. Rekordtorschütze des Klubs ist der US-Amerikaner Brian White, der bereits 71 Treffer erzielte und nach wie vor für die Kanadier auf Torejagd geht.
Mit Sebastian Berhalter spielt zudem der Sohn von Gregg Berhalter, der insgesamt sieben Jahre bei Energie Cottbus sowie 1860 München spielte und bereits das US-Nationalteam trainierte, für die Whitecaps.
Junges Team: Müller als Anführer
Kapitän ist der inzwischen 29-jährige Ryan Gauld, der einst als schottisches Ausnahmetalent galt und bereits mit 16 Jahren in der ersten Liga debütierte. Bei Sporting Lissabon konnte er sich später aber nicht durchsetzen. Aktuell laboriert Gauld an einer schweren Knieverletzung, die ihn bereits seit Mitte März außer Gefecht setzt.
Mit einem Durchschnittsalter von 25,7 Jahren ist das Team jung - Müller ist nicht nur der prominenteste, sondern der mit Abstand erfahrenste Spieler der Whitecaps.
Klar ist ohnehin: Er steigt sportlich wie medial zum neuen Gesicht des Klubs auf.