Steven Cherundolo hat in der Bundesliga tiefe Spuren hinterlassen: 15 Jahre lief er im Trikot von Hannover 96 auf, ehe er seine Trainerkarriere startete, die ihn 2021 in seine Heimat USA führte. Gleich in seiner ersten Saison als Cheftrainer von Los Angeles FC gewann er den MLS-Titel. Am Ende des Jahres ist Schluss, Cherundolo kehrt nach Deutschland zurück.
Geplatzter Wechsel von Thomas Müller! MLS-Trainer nennt bei SPORT1 die Hintergründe
MLS-Trainer erklärt Müller-Absage
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der ehemalige US-Nationalspieler über den gescheiterten Transfer von Thomas Müller, den Reiz der MLS und die anstehende WM. Auch für seine Zeit in Deutschland hat er klare Pläne.
MLS-Regeln verhindern Müller-Transfer
SPORT1: Herr Cherundolo, in diesem Sommer war der Wechsel von Thomas Müller in die USA ein großes Thema. Auch Sie haben sich als Trainer von Los Angeles FC offen für einen Wechsel ausgesprochen. Wieso hat es mit dem Transfer nicht geklappt?
Steven Cherundolo: Es gibt in der MLS zwei Dinge, die man beachten muss: Erstens muss es finanziell mit der Salary Cap passen. Man muss dahingehend Platz haben im Kader. Und zweitens gibt es die Priority List. Wenn sich der LAFC nicht als Erstes meldet, dann müssen wir warten. Eine Kombination aus beidem hat dazu geführt, dass Thomas in Vancouver und nicht bei uns gelandet ist.
SPORT1: Macht Thomas Müller die Vancouver Whitecaps zu einem Titelfavoriten?
Cherundolo: Er macht sie auf jeden Fall besser. Sie spielen eine herausragende Saison und einen sehr guten Fußball mit dem neuen Trainer. Thomas ist natürlich auch ein Schlitzohr, ist noch fit und kann den Unterschied machen.
Wechsel in die USA? „Nicht jeden Tag Vollgas“
SPORT1: Sie haben schon vor über einem Jahrzehnt mit Hannover 96 selbst gegen ihn gespielt. Hätten Sie sich jemals erträumen können, dass Sie einmal um einen Spieler wie Thomas Müller als Trainer buhlen würden?
Cherundolo: Zum Glück habe ich das schon ein paar Mal gehabt, dass ich Spieler trainiere, gegen die ich selbst schon gespielt habe. So zum Beispiel mit Giorgio Chiellini, Gareth Bale oder jetzt Heung-Min Son. Ein tolles Gefühl, das auch immer wieder für viel Lachen unter uns gesorgt hat.
SPORT1: Was ist die größte Herausforderung, wenn man solche Top-Stars im Herbst ihrer Karriere trainiert?
Cherundolo: Das ist eine Balance zwischen Professionalität und dem Spaß am Fußball. Solche Spieler standen auf den größten Bühnen der Welt. Sie sind mit Sicherheit nicht in die USA gewechselt, um nochmal jeden Tag Vollgas zu geben. Wir finden in Los Angeles eine sehr gesunde Mischung. Wir wollen Titel gewinnen, aber wir können auch in Ruhe trainieren.
SPORT1: Mit Heung-Min Son konnten Sie für 22,5 Millionen Euro einen weiteren Star nach Los Angeles locken und haben damit den MLS-Ablöserekord gebrochen. Wie wichtig wird der Südkoreaner für diese Saison noch?
Cherundolo: In unserer Liga ist es sehr wichtig, offensiv stark zu sein und Tore zu schießen. Sonny wird uns dabei helfen. Er ist noch sehr fit, ziemlich zügig unterwegs und verfügt nach wie vor über seine Abschlussqualitäten.
„Gute Spieler machen gute Trainer und nicht umgekehrt“
SPORT1: Sie haben 2022 den Los Angeles FC als Cheftrainer übernommen und sind direkt in der ersten Saison MLS-Champion geworden. Wie ist Ihnen das gelungen?
Cherundolo: Das ist eine gute Frage (lacht). In erster Linie wegen guter Spieler. Ich glaube, gute Spieler machen gute Trainer und nicht umgekehrt. Man braucht aber auch einen guten Plan, einen guten Stab und eine große Portion Disziplin. Das ist uns 2022 gelungen und 2023 fast. In der vergangenen Saison hat uns ein bisschen die Luft gefehlt in den Playoffs.
SPORT1: Immer mehr Spieler wechseln im Herbst ihrer Karriere entweder nach Saudi-Arabien oder in die USA. Die Saudis locken mit dem Geld – was sind die Argumente der MLS?
Cherundolo: Es ist eine ganz andere Lebensqualität in den USA. Das Niveau ist trotzdem hoch und die Spieler können sich noch messen. Gleichzeitig können sie aber auch den Fußball wieder genießen. Das sehe ich in den Gesichtern der Jungs, die davor in Europa gespielt haben. Man hat zwar lange Anreisezeiten zu den Auswärtsspielen, besucht dafür aber tolle Städte und Stadien, die relativ voll sind.
SPORT1: Sie sprechen von gut besuchten Stadien. Bei der Klub-WM ergab sich im vergangenen Sommer ein ganz anderes Bild in den USA. Viele Stadien blieben halbleer. Wie erklären Sie sich das?
Cherundolo: Es war die erste Klub-WM in dieser Form und es gab sehr viel Fußball in den verschiedensten Wettbewerben. Als Teilnehmer kann ich sagen, dass das Erlebnis für mich als Trainer und die Spieler sehr positiv war. Ich denke, die Klub-WM hat eine super Zukunft, aber so etwas muss heranwachsen. Vielleicht war es für die US-Amerikaner einfach etwas, das sie noch nicht verstanden haben.
Cherundolo erwartet erfolgreiche WM
SPORT1: Erwarten Sie bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr ein ganz anderes Bild?
Cherundolo: Ich denke schon. Ich erwarte eine fußballbegeisterte Stimmung wie 2006 in Deutschland. Einen Monat lang nur Fußball und Partystimmung. Die USA sind noch eine Ecke größer, aber ich glaube trotzdem, dass man diese Grundstimmung sehr gut wird spüren können.
SPORT1: Zum Ende der Saison werden Sie den LAFC verlassen und nach Deutschland zurückkehren. Haben Sie das Ende Ihrer Lernkurve in den USA erreicht?
Cherundolo: Nein, für mich persönlich werden solche Entscheidungen immer durch eine Mischung aus privaten und beruflichen Gründen beeinflusst. Es lief sehr gut. Es gibt aktuell keine Gründe, zu gehen. Wir als Familie haben uns aber entschieden, dass die nächsten Jahre wieder in Deutschland stattfinden sollen.
SPORT1: Peilen Sie nun einen Job als Cheftrainer in der Bundesliga an?
Cherundolo: Ich kann mir das durchaus vorstellen. Ich bin ausgebildeter Trainer und habe die vergangenen fünf Jahre als Cheftrainer gearbeitet. Davor auch in Deutschland. Das wäre die natürlichste Sache der Welt, wenn ich das wieder mache. Welchen Verein ich trainieren darf, entscheiden andere.
SPORT1: Ihr Herzensverein Hannover 96 hat in der 2. Bundesliga einen Traumstart hingelegt. Vier Siege aus vier Spielen. Was macht die Mannschaft derzeit so stark?
Cherundolo: Sie haben einen ganz klaren Plan, wie sie agieren wollen. In den ersten vier Spielen konnten sie ihr Fußballspiel dem Gegner aufdrücken. Sie waren im taktischen Sinne relativ diszipliniert und konnten die Spiele für sich entscheiden. Ich hoffe, dass die Mannschaft fit und gesund bleibt.
Hannover 96? „Zeitpunkt wird kommen“
SPORT1: Sie waren im vergangenen Sommer in Hannover bereits als Trainerkandidat im Gespräch. Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?
Cherundolo: Jemand, der 15 Jahre im Verein gespielt hat und dort als Jugend- und Co-Trainer unterwegs war, kann sich das natürlich vorstellen. Der Zeitpunkt muss für den Klub und für mich passen. Ich bin guter Dinge, dass dieser Zeitpunkt irgendwann kommen wird. Im Moment geht es dem Verein sehr gut und man sollte alles so lassen.
SPORT1: Klappt es bei Hannover 96 dieses Jahr mit dem Aufstieg?
Cherundolo: Ich wäre froh, wenn sie von Spiel zu Spiel denken. Jetzt Ziele zu setzen und darüber zu sprechen, ist nicht der richtige Weg.