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Thomas Müller? "Wir hatten vorher keinen Kontakt"

Müller? „Hatten vorher keinen Kontakt“

Neustart in der MLS statt Bundesliga: Sebastian Schonlau ist seit August Spieler der Vancouver Whitecaps. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der Ex-HSV-Kapitän über seinen Abschied aus Hamburg und seinen neuen Teamkollegen Thomas Müller.
Thomas Müller spricht über den Gewinn von Titel Nummer 35 in seiner Karriere. Zudem gibt er einen Einblick in seine Ziele aus seiner Anfangszeit beim FC Bayern.
Neustart in der MLS statt Bundesliga: Sebastian Schonlau ist seit August Spieler der Vancouver Whitecaps. Im exklusiven SPORT1-Interview spricht der Ex-HSV-Kapitän über seinen Abschied aus Hamburg und seinen neuen Teamkollegen Thomas Müller.

Vier Saisons, 115 Pflichtspiele, Kapitän und der lang ersehnte Aufstieg als Krönung der Zeit in Hamburg: Sebastian Schonlau prägte den HSV in den vergangenen Jahren wie kaum ein anderer Spieler.

Doch statt sich gemeinsam mit den Kollegen den Traum von der Bundesliga im Volksparkstadion zu erfüllen, zog es den Innenverteidiger in die Major League Soccer. Dort zählt bei den Vancouver Whitecaps nun auch Thomas Müller zu seinen Mitspielern.

SPORT1 traf den 31-Jährigen vor Ort in Vancouver und sprach mit ihm über die Gründe seines Abschieds aus Hamburg - und wie schwer es ihm fällt, auf das „absolut besondere Erlebnis“ zu verzichten.

Außerdem klärt er darüber auf, welche Rolle Müller bei seinem Wechsel gespielt hat und wie dieser die Whitecaps bereits nach wenigen Monaten prägt. Speziell eine Qualität beim langjährigen deutschen Nationalspieler und Bayern-Star hebt er positiv hervor.

Müller-Kollege statt Bundesliga mit dem HSV

Während Schonlau verletzungsbedingt noch auf sein Debüt warten muss, startete Müller bereits voll durch in Kanada: Nach sechs Spielen steht er bereits bei zehn Scorerpunkten, zudem schrieb er mit seinem 35. Titel deutsche Fußballgeschichte.

SPORT1: Herr Schonlau, seit Mitte August stehen Sie bei den Vancouver Whitecaps unter Vertrag. Ihr Start verlief unglücklich …

Sebastian Schonlau: Ich bin eigentlich topfit hierhergekommen. Ein paar Tage nach dem Wechsel stand bereits das erste Spiel an, ich war zumindest im Aufgebot. Das blieb bisher leider mein einziger Ausflug in den Kader. Denn danach hatten wir eine relativ lange Pause und ich durfte ein paar Minuten Spielpraxis in der zweiten Mannschaft sammeln. Ich hatte ja in der Vorbereitung in Hamburg nicht so viel gespielt.

SPORT1: Bei diesem Einsatz in der MLS Next Pro gegen Portland 2 mussten Sie aufgrund von Problemen an der Achillessehne ausgewechselt werden.

Schonlau: Genau. Und das hat sich jetzt doch etwas länger gezogen, als wir alle erwartet hatten. Das trübt natürlich den Start, das muss man deutlich sagen. Ich bin ja zum Fußballspielen hier. Wir glauben, auf einem guten Weg zu sein. Trotzdem ist es schwierig, genaue Prognosen abzugeben. Aber ich bin wieder mit Ball zurück auf dem Platz und das ist auf jeden Fall ein erster Fortschritt.

Ex-HSV-Kapitän nennt Gründe für Wechsel

SPORT1: Lassen Sie uns auf Ihren Wechsel vom Hamburger SV nach Kanada blicken. Vier Jahre waren Sie Kapitän beim HSV, absolvierten 115 Pflichtspiele. In der vergangenen Saison gelang dann endlich die lang ersehnte Rückkehr in die Bundesliga.

Schonlau: Zuerst einmal war es natürlich cool, dass wir den Aufstieg geschafft haben. Das war das ganz klare Ziel, mit dem ich 2021 nach Hamburg gewechselt bin. In der vergangenen Saison hat sich jedoch ein bisschen was verändert an meiner Rolle. Ich habe ein paar Spiele weniger gemacht und deswegen war es auch durchaus vorstellbar, dass es für mich in Hamburg nicht mehr so weitergeht, wie ich es gewohnt war. In der Vorbereitung habe ich mir meine Gedanken darüber gemacht, aber trotzdem gesagt: „Hey, ich bin hier, und solange ich hier bin, werde ich in Hamburg immer eine gute Zeit haben und für den Verein alles geben.“ Und das habe ich auch bis zum letzten Tag getan. Aber trotzdem wusste ich auch, dass es im Fußball manchmal einen Moment gibt, an dem du etwas Neues machen musst. Ich hatte vier ganz, ganz intensive Jahre in Hamburg, die ich wirklich nicht missen möchte - es war eigentlich alles an Höhen und Tiefen dabei, was man sich vorstellen kann. Ich habe jede Sekunde genossen, aber es war nun ein guter Zeitpunkt für mich für eine Veränderung. Dann hat sich die Chance mit Vancouver ergeben. Und da hat für mich vieles gepasst.

SPORT1: Gab es einen konkreten Zeitpunkt, an dem klar war: In Hamburg geht es für Sie nicht weiter?

Schonlau: Es wurde frühzeitig kommuniziert, dass es für mich nicht einfach werden würde in der neuen Saison. Das merkst du dann auch im Laufe der Vorbereitung: Man spricht über die eigene Rolle und es war von Anfang an klar, dass ich nicht den Stellenwert auf dem Feld haben werde wie in den vergangenen Jahren. Dazu kamen die geringen Einsatzzeiten in den Testspielen. Deshalb war es im Endeffekt keine große Überraschung mehr, wie sich die Dinge entwickelt haben.

SPORT1: Zu Beginn der Vorbereitung hatten Sie dennoch an Ihre Chance geglaubt?

Schonlau: Die Tendenz des Vereins war, wie bereits angesprochen, früh klar. Und trotzdem bin ich ja von mir und meinen Qualitäten überzeugt - unabhängig davon, was sich aus Trainersicht geändert hat. Ich habe gar nicht so sehr beurteilt, was in den Medien geschrieben und spekuliert wurde, sondern einfach mein Ding durchgezogen. Es gab zwei Optionen: bleiben oder was anderes machen. So bin ich es angegangen. Ich wusste, es kann vielleicht noch eine Veränderung geben, aber für mich war auch klar, wenn es keine Veränderung gibt, dann bin ich weiter Spieler des HSV und das wäre auch eine coole Geschichte gewesen. Nichtsdestotrotz führst du Gespräche mit dem einen oder anderen Verein. Und dann hat sich eine gute Lösung gefunden.

HSV? „Das werde ich jetzt nicht mehr haben“

SPORT1: Sie haben lediglich eine Saison Bundesliga mit dem SC Paderborn gespielt. Wie sehr trauern Sie der verpassten Chance auf weitere Spiele nach?

Schonlau: Natürlich macht man sich Gedanken darüber. Man muss ja auch keinen Hehl daraus machen, dass Bundesligaspiele mit dem HSV ein absolut besonderes Erlebnis gewesen wären. Das werde ich jetzt aber nicht mehr haben. So läuft es manchmal im Fußball. Als ich nach Hamburg gekommen bin, war natürlich die Idee: Wir steigen direkt auf! Und ich spiele ein paar Jahre Bundesliga mit dem HSV. Aber so läuft es nicht im Fußball. Diese Dinge kannst du nicht planen. Und deswegen bereue ich nichts und bereue auf gar keinen Fall meinen Schritt nach Vancouver. Im Gegenteil: Die Zeit war reif für einen Wechsel. Weil sich die Dinge dann eben so ergeben haben. Weil sich die Sicht des Trainers auf mich sportlich verändert hat. Und dann liegt es in meiner Verantwortung, für mich selbst zu sorgen, für meine Karriere zu sorgen - und das habe ich getan.

SPORT1: Wie blicken Sie aktuell noch auf den HSV? Wie eng ist der Kontakt mit den ehemaligen Kollegen?

Schonlau: Klar gibt es noch einen Austausch mit Spielern und Leuten aus dem Staff. Ich hatte in Hamburg eine ganz intensive Zeit und die Jungs sehr gut kennengelernt. Es sind sicherlich Leute dabei, die mich über mein Fußballerleben hinaus begleiten werden und zu Freunden geworden sind. Deshalb interessiert es mich natürlich nach wie vor, wie sich der HSV schlägt. Der Verein ist mir einfach ans Herz gewachsen. Durch den Zeitunterschied ist es nicht immer möglich, alles zu verfolgen. Aber zumindest die Highlights der Spiele sind natürlich Pflicht.

SPORT1: Warum wurde es letztlich Vancouver und wie lief der Wechsel ab?

Schonlau: Der erste Kontakt kam klassischerweise über meinem Berater und über Whitecaps-Sportdirektor Axel Schuster zustande. Ich wollte frühzeitig offen sein für alles und hatte mir gar kein konkretes Ziel gesetzt, wohin es gehen soll. Ich wusste, ich möchte eine coole Herausforderung finden, sowohl menschlich als auch sportlich. Das habe ich hier definitiv erreicht. Mal in einem anderen Land zu leben, sich neu zurechtzufinden, ist eine tolle Aufgabe und sicherlich auch eine große Herausforderung. Klar, ich bin nicht mehr der Jüngste, aber im Ausland gelebt habe ich noch nicht. Andererseits haben wir hier eine richtig gute Mannschaft mit richtig guten Kickern. Wir sind sehr gut unterwegs in der Liga, haben jetzt auch den nationalen Pokal gewonnen. Hier ist schon viel dabei - sowohl was das Leben angeht, aber vor allem sportlich.

SPORT1: Inwiefern hat Thomas Müller, der wenige Wochen vor Ihnen bei den Whitecaps unterschrieben hat, den Wechsel beeinflusst?

Schonlau: Ich glaube, ich habe in meiner Karriere zweimal gegen Thomas gespielt und habe immer relativ deutlich verloren. Es waren also nicht die schönsten Begegnungen, die ich mit ihm hatte, und die besten Erinnerungen, die ich mit ihm verbinde (lacht). Dennoch ist es natürlich cool, dass er hier ist. Er zieht ganz viel Aufmerksamkeit auf den kanadischen Fußball und generell auf die MLS. Unabhängig davon ist er ein Spieler, von dem man viel lernen kann, weil er alles erreicht hat, was du irgendwie erreichen kannst. Meine Entscheidung hat es aber nicht beeinflusst. Dafür war die Zeit zwischen seinem und meinem Wechsel viel zu kurz. Bei mir ist die Sache auch innerhalb von wenigen Tagen entschieden worden. Wir hatten vorher keinen Kontakt. Als es dann durch war, haben wir uns kurz ausgetauscht. Ich freue mich total, dass er hier ist. Meine Entscheidung ist aber unabhängig von ihm gefallen.

„Thomas ist der Star und das Gesicht der Mannschaft“

SPORT1: Wie sehr spüren Sie, dass er hier die Massen bewegt und für Euphorie sorgt?

Schonlau: Ich weiß natürlich nicht im Detail, wie es vorher hier ohne ihn war. Aber klar: Die Spiele sind jetzt besser besucht, Thomas ist der Star und das Gesicht der Mannschaft. Das Schöne an ihm ist aber, dass er das nicht raushängen lässt. Er fügt sich in die Mannschaft ein wie jeder andere. Natürlich hören ihm alle zu, weil er ganz viel Erfahrung hat, wenn es darum geht, erfolgreich zu sein. Es ist einfach ein gutes Match zwischen ihm und dem Verein und es kann nur positiv sein, wenn sich durch ihn mehr Leute dazu entscheiden, Spiele von uns zu schauen.

SPORT1: Merkt man bei Thomas auch im höheren Fußballeralter noch, dass er sich von den allermeisten Mit- und Gegenspielern qualitativ abhebt?

Schonlau: Ich finde es schwierig, die einzelnen Spieler miteinander zu vergleichen und zu sagen: Thomas ist besser als dieser oder jener. In jeder Liga, in der Thomas spielen würde, würdest du seine Qualitäten sehen. Was ich aber auch betonen will: Wir haben ganz viele Spieler mit einer richtig guten Qualität im Kader. Wenn man sich die Jungs offensiv anschaut, dann sind da ein paar geile Zocker dabei, ob das Sebastian Berhalter im Mittelfeld ist oder unsere Jungs auf den Außen mit Ahmed Ali und Emmanuel Sabbi. Ryan Gauld, unser Kapitän, hat jetzt gerade erst sein Comeback nach langem Ausfall gegeben, auf ihn bin ich auch wirklich gespannt. Generell bin ich total happy, was unseren Kader angeht.

SPORT1: Die Verletzung ausgeklammert: Wie sind Ihre ersten Eindrücke vom Verein und der Stadt Vancouver?

Schonlau: Die Bedingungen sind super, die Plätze sind gut, ein paar Mal konnte ich ja immerhin schon trainieren. Es wird sich um alles gekümmert. Das ist unglaublich. Es wird ganz viel Wert darauf gelegt, dass wir uns wohlfühlen. Es ist viel Feuer drin. Die Jungs sind sehr offen und haben mich vom ersten Tag an gut aufgenommen. Hier kann ich wieder richtig Spaß am Fußball haben. Deswegen brennt es auch unter den Füßen, endlich loszulegen. Das Stadion ist auch cool. Klar: Kunstrasen ist anders. Darauf habe ich lange nicht mehr gespielt, aber das kriegen andere ja auch hin. Der Start war wirklich gut, so gut er eben angesichts einer ärgerlichen Verletzung sein kann. Die Stadt hat ganz viel zu bieten und ist extrem vielseitig, aber der Fokus liegt auf dem Fußball und da passt in meinen Augen sehr viel.

„Das würde überragend reinpassen“

SPORT1: Sportlich läuft es ja gut, die Whitecaps stehen derzeit auf Platz zwei der Western Conference - mit besten Chancen auf Rang eins. Ende Oktober beginnen die Playoffs. Das wäre doch der perfekte Zeitpunkt für Ihr Debüt, oder?

Schonlau: Das würde überragend reinpassen. Wenn Sie mich fragen, habe ich eh schon viel zu viele Spiele verpasst. Ich will einfach schnellstmöglich dem nachgehen, wofür ich geholt wurde.

SPORT1: Sie sind als erfahrener Spieler sicher selbstbewusst genug, dann auch direkt eine tragende Rolle in der Mannschaft einnehmen zu wollen …

Schonlau: Darauf hoffe ich natürlich. Ich bin sicherlich nicht hierhergekommen, um ein Jahr nur rumzuhängen und ein bisschen Sightseeing zu machen. So oft habe ich in meiner Karriere auch noch nichts gewonnen. Mit dieser Mannschaft und mit diesem Verein haben wir definitiv das Potenzial - und darauf habe ich Bock! Und wenn ich mit meiner Art und meinen Qualitäten einen Beitrag leisten kann, dann werde ich das mit 100 Prozent tun.

SPORT1: Ihr Vertrag läuft bis Ende 2026 mit Option auf eine weitere Saison. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Spielt auch die Bundesliga noch eine Rolle in Ihren Gedanken?

Schonlau: Nein. Das wäre etwas unglücklich, wenn ich so weit vorausplanen würde. Der Sommer hat ja deutlich gezeigt, dass es schwierig ist, im Fußball weit in die Zukunft zu schauen. Ich bin erst seit ein paar Wochen hier, darauf liegt mein gesamter Fokus. Ich will die Zeit wirklich genießen und voll für die Mannschaft und den Verein da sein. Da wären andere Gedanken völlig fehl am Platz. Ich bin ein Spieler der Whitecaps und das ist auch gut so.