Zumindest einer der beiden deutschen Nationalspieler konnte nach seinem Wechsel in die Premier League seinen Namen bereits durch das Stadion hallen hören. „Woltemade, Woltemade, olé, olé, olé“, jubelten die Fans von Newcastle United, als Nick Woltemade Mitte September mit seiner Mannschaft zur obligatorischen Ehrenrunde aufbrach.
Womit Wirtz und Woltemade zu kämpfen haben
Womit Wirtz und Woltemade kämpfen
Bei seinem Debüt erzielte der 23-Jährige tatsächlich gleich einen goldenen Treffer und führte die Magpies zum ersten Saisonsieg. Sein DFB-Kollege Florian Wirtz wartet beim FC Liverpool wiederum auf einen Treffer. Beide Stars haben nach dem Wechsel Probleme. Doch woran liegt das?
England-Experte und Premier-League-Kommentator Joachim Hebel sagt bei SPORT1: „Die Premier League ist intensiver, das Tempo ist noch höher, das merkt man. Selbst die Aufsteiger gehen in jedem Spiel sehr intensiv ran. Die gehen scharf und intensiv drauf.“
Das bekommen die beiden Deutschen zu spüren. Nach dem gefeierten 1:0 gegen die Wolverhampton Wanderers ließ Woltemades Teamkollege Bruno Guimaraes aufhorchen.
„Ich mag ihn sehr. Aber wir haben gesehen, dass er noch nicht an die Geschwindigkeit der Premier League gewöhnt ist. Nach 45 Minuten bekam er Krämpfe“, lachte der Brasilianer und ergänzte: „So etwas habe ich noch nie gesehen!“
„Es ist eine andere Liga, es ist ein anderer Fußball“
Und auch Florian Wirtz zeigte in England bereits körperliche Probleme. Gegen den FC Arsenal musste er vorzeitig vom Platz. Der Grund: Oberschenkelprobleme. „Es war keine Verletzung, es war ein Willkommen in der Premier League“, scherzte Trainer Arne Slot hinterher.
Die große Umstellung könnte für durchwachsene Spielzeiten des deutschen Duos sorgen. Das prophezeit jedenfalls Experte Hebel. „Du wirst da eine Anpassungszeit brauchen. Wir sagen, es braucht immer ungefähr ein Jahr, dann wirst du sehen, ob du dafür gemacht bist oder nicht.“
Aber wird Wirtz und Woltemade so viel Zeit gegeben? Immerhin zahlten ihre Klubs horrende Summen. Wirtz kam für 125 Millionen Euro auf die britische Insel, tut sich im Dress des FC Liverpool bislang schwer und sieht sich schon jetzt Kritik ausgesetzt.
In seinen ersten fünf Premier-League-Einsätzen konnte Wirtz weder ein Tor noch eine Vorlage verbuchen.
Woltemade kam für 90 Millionen erst nach Saisonstart vom VfB Stuttgart zu den Magpies. Auf seine Torpremiere zum Einstand folgten zwei Einsätze ohne direkte Torbeteiligung.
„Das erste Jahr ist so eine Art Gnadenfrist“
„Ich glaube, dass es beiden gelingt. Woltemade hat schon getroffen und Wirtz hat auch schon Spiele gehabt, wo du gesehen hast, der hat es einfach. Das wird auf jeden Fall funktionieren, aber es wird Zeit brauchen, das ist fast bei jedem so. Wenn du in dieser Liga so intensiv angegangen wirst, kann es schon mal dauern“, sagt Hebel.
Er zieht auch die hohen Ablösen heran, um die Probleme zu erklären. Denn die Gegner sind in seinen Augen besonders motiviert. „Gerade Wirtz mit dem Geld… ich kann mir gut vorstellen, dass die Gegner sich da sagen, pass auf, dem zeigen wir es jetzt."
Vor allem die herausragenden Athleten im englischen Oberhaus machen den besonderen Reiz aus. Hebel sagt dazu: „Das erste Jahr ist so eine Art Gnadenfrist. Da musst du dich einfach daran gewöhnen, es ist eine andere Welt. Wenn in der nächsten Woche jemand kommt, der dich physisch auseinandernimmt - das hast du in der Bundesliga so vielleicht noch nicht erlebt.“
„Bemerkenswert, welche individuelle Qualität da auf dich zukommt“
Ein weiterer Deutscher, der es wissen muss, ist Trainer Fabian Hürzeler. Der 32-Jährige stieg im Sommer 2024 mit dem FC St. Pauli in die Bundesliga auf und ging anschließend zu Brighton & Hove Albion in die Premier League.
Seine klare und unverrückbare Meinung: Die Intensität und Qualität sind in der ersten englischen Liga höher als in der deutschen Bundesliga. So äußerte sich Hürzeler jedenfalls noch vor rund einem Jahr in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Die Premier League sei „die beste Liga der Welt, du spielst gegen die besten Spieler, die besten Teams, dementsprechend kann der Gegner in jeder Sekunde ein Tor erzielen. Es ist bemerkenswert, welche individuelle Qualität da auf dich zukommt“, schilderte Hürzeler.
Eine Rolle spiele dabei auch die großzügigere Leitung der Schiedsrichter: „Dadurch, dass die Schiedsrichter mehr laufen lassen, wird das Spiel intensiver, wilder, du hast viele Umschaltmomente.“
Statistische Erhebungen untermauern dies teilweise. Entsprechend werden in England (98,8) mehr Zweikämpfe pro 90 Minuten als in Deutschland (95,2) geführt. Auch bei Tacklings ist die Premier League (33,1) der Bundesliga (28,9) überlegen. Für Wirtz und Woltemade ist somit noch Neuland zu erkunden.