Der steile Weg nach oben sollte fortgesetzt werden, stattdessen droht mit Nottingham Forest ein englischer Traditionsverein zum größten Chaos-Klub der Nation zu werden.
Wie lange geht das noch gut?
Wie lange geht das noch gut?
Dabei hatte der Klub letztes Jahr erst den größten Erfolg seit drei Jahrzehnten gefeiert.
Vom Europacup-Sieger zum Stammgast in der 2. Liga
Zwischen 1978 und 1980 wurde Nottingham noch englischer Meister (1978) und gewann gleich zweimal den Europapokal der Landesmeister (1979 und 1980). An diese erfolgreichen Jahre konnte der Klub bisher jedoch nie wieder anknüpfen und spielte nach dem Abstieg 1999 ganze 23 Jahre lang in der zweiten englischen Liga.
2022 gelang die Rückkehr ins englische Oberhaus und damit zunächst der Beginn einer Erfolgsgeschichte. Nach zwei Jahren im Abstiegskampf (Platz 16 und 17) gelang Forest in der vergangenen Saison eine kleine Sensation.
Als Tabellensiebter qualifizierte man sich nach fast drei Jahrzehnten wieder für einen europäischen Wettbewerb – und befand sich sogar lange auf Kurs in Richtung Champions League.
Blitz-Wechsel: Postecoglou sollte Titel-Erfahrung mitbringen
Doch schon wenige Monate nach dem Saisonstart droht der Klub im Chaos zu versinken. Nach gerade einmal drei Saisonspielen und vier geholten Punkten entschloss sich Forest, als erster Premier-League-Klub der Saison seinen Trainer zu entlassen. Die Trennung von Teammanager Nuno Espírito Santo erfolgte „aufgrund der jüngsten Ereignisse“, erklärte der Klub zum damaligen Zeitpunkt.
Ein Nachfolger ließ nicht lange auf sich warten. Ange Postecoglou übernahm noch am selben Tag das Traineramt. Der Australier feierte mit Tottenham Hotspur in der Vorsaison den Gewinn der Europa League, wurde nach einem enttäuschenden 17. Platz in der Liga allerdings entlassen.
„Wir holen einen Trainer in den Klub, der nachweislich und konsequent Trophäen gewonnen hat“, erklärte der griechische Klub-Besitzer Evangelos Marinakis die Entscheidung in einer Pressemitteilung und betonte, „mit den Besten mithalten und um Trophäen kämpfen“ zu wollen.
Verheerende Bilanz unter Postecoglou
Anstelle des Kampfs um Trophäen blickt Nottingham nach sechs Spielen unter Postecoglou jedoch auf beängstigende Statistiken zurück. Wie das Statistikportal Opta herausstellte, ist Postecoglou der erste Forest-Trainer seit 100 Jahren, der keines seiner ersten sechs Spiele gewinnen konnte.
Zudem hat das Team wettbewerbsübergreifend mehr Gegentore kassiert (13) als jedes andere Team der Premier League im gleichen Zeitraum.
Forest-Fans wenden sich ab: „Du wirst morgen früh entlassen“
Die Geduld der eigenen Fans scheint nach etwa einem Monat bereits aufgebraucht zu sein. „Du wirst morgen früh entlassen“, hallte es bei der 2:3-Niederlage gegen den FC Midtjylland – beim ersten Europa-League-Heimspiel seit Jahrzehnten – von den Rängen. Nicht etwa von überschwänglichen Gästefans aus Dänemark, sondern aus dem eigenen Fanblock.
Auf dem Weg in den Spielertunnel folgten lautstarkes Buhen der Fans und einige Lobgesänge auf seinen Vorgänger Espírito Santo.
„Die Fans sind enttäuscht. Sie haben das Recht, eine Meinung dazu zu haben, und ich habe ihre Meinung gehört“, sagte Postecoglou nach dem Spiel, bevor er kritisierte: „Mich überrascht im Fußball nichts mehr. Ich nehme an, es ist einfach das Klima, in dem wir uns befinden, und es scheint, dass das der Weg ist, den wir gehen.“
In der Liga ist Nottingham seit der Übernahme durch Postecoglou um sieben Plätze abgerutscht und steht auf Platz 17, mitten im Abstiegskampf. Hinzu kommen das Aus im League Cup und nur ein Punkt aus zwei Spielen in der Europa League. Droht dem Trainer nach rund einem Monat schon wieder das Blitz-Aus?
Auf der Pressekonferenz am Donnerstag zeigte sich Postecoglou noch zuversichtlich und versicherte weiterhin, den Negativtrend abwenden zu können. „Nichts von dem, was ich gesehen habe, ändert daran etwas“, meinte der 60-Jährige, der bei vielen Buchmachern bereits der Favorit auf die nächste Trainerentlassung in der Premier League ist.
Lange Skandal-Akte von Klub-Boss Marinakis
Ein weiterer Grund, der ein mögliches Blitz-Aus wahrscheinlicher macht, ist die Rolle von Klub-Boss Marinakis. Der griechische Reeder, Geschäftsmann, Politiker, Oligarch und seit 2010 auch Fußball-Funktionär gilt als einer der größten Heißsporne im Geschäft.
Als Nottingham vergangene Saison drei Spieltage vor Schluss beim 2:2 gegen Leicester City wichtige Punkte im Kampf um die Champions League verspielte, zeigte sich, dass Marinakis sich in Zeiten der Krise nicht unbedingt schützend vor seinen Trainer stellt.
Der exzentrische Klub-Boss marschierte nach dem Abpfiff schnurstracks auf den Rasen, nahm sich den damaligen Trainer Espírito Santo zur Brust und schimpfte in aller Öffentlichkeit fast 20 Sekunden auf den Portugiesen ein.
Es ist nur ein Vorfall in einer langen Skandal-Akte, die Marinakis den Ruf als Problem-Boss verschafft hat. Im Oktober 2024 wurde der Multimillionär – der auch Eigentümer von Olympiakos Piräus (Griechenland) und Rio Ave (Portugal) ist – für fünf Spiele gesperrt. Der Grund: Nach Nottinghams 0:1-Heimpleite gegen Fulham hatte er im Spielertunnel demonstrativ auf den Boden gespuckt, als der Schiedsrichter an ihm vorbeilief.
Bei Olympiakos Piräus beschimpfte er 2018 nach einer 0:3-Pleite zum Abschluss einer enttäuschenden Spielzeit die gesamte Mannschaft: „Ihr seid nicht einmal das Toilettenpapier in unserem Trainingszentrum wert. Statt euch einen schönen Urlaub zu wünschen, sage ich: geht und erstickt.“
Klub-Boss geriet auch mit der Justiz in Konflikt
In Griechenland geriet der Klub-Boss zudem mehrfach mit der Justiz in Konflikt. Ohne für eine der Anklagen verurteilt zu werden, tauchte Marinakis‘ Name unter anderem in Verbindung mit Verfahren um Korruption, Spielmanipulationen und Gründung einer kriminellen Organisation auf. Hintergrund waren ein Manipulationsskandal und ein Prozess wegen Heroinschmuggels.
„Die Dinge, die da behauptet werden, sind nicht nur ungeheuerlich, sie sind auch undenkbar und könnten nicht weiter weg von meiner Mentalität sein, und wie ich mich als Person verhalte“, beteuerte er einst seine Unschuld.
Die Vorwürfe wurden aber erst Ende August von den Fans von Crystal Palace erneut aufgegriffen. Beim 1:1 gegen Nottingham zeigten die Anhänger ein Protestbanner, das Marinakis zeigt, wie er Forest-Spieler Morgan Gibbs-White eine Pistole an die Schläfe hält.
In einer Sprechblase werden Gibbs-White folgende Worte in den Mund gelegt: „Herr Marinakis ist nicht in Erpressung, Spielmanipulation, Drogenhandel oder Korruption verwickelt!“
Wie lange geht das noch gut?
Der langen Skandal-Akte zum Trotz durfte sich der Forest-Boss nach der vergangenen Saison auf die Schulter klopfen. „Heute ist ein Tag zum Feiern“, jubelte der Grieche, „denn nach dreißig Jahren hat Nottingham Forest nun die Garantie, wieder auf der europäischen Bühne zu spielen, ein Versprechen, das ich unseren Fans bei unserem Aufstieg gegeben habe!“
In dieser Saison gibt es in Nottingham allerdings nur noch wenig zu feiern. Ausbleibender sportlicher Erfolg, Fans, die sich gegen den eigenen Trainer wenden und ein heißblütiger Klub-Boss, dessen Blicke nach der jüngsten Niederlage Bände sprachen - ein chaotisches Gesamtpaket, das turbulente Wochen nach sich ziehen könnte, sollte es nicht schnell zu einer sportlichen Wende kommen.