Eine solche Demütigung hat das stolze Juventus zuletzt vor über 50 Jahren erlebt. Der 36-malige Meister ging am Sonntagabend mit 0:4 gegen Atalanta Bergamo unter. Das letzte Mal verlor Juve am 22. Oktober 1967 (!) vor heimischer Kulisse mit vier Toren Unterschied.
Gibt es bei Juve kein Zurück mehr?
Entsprechend fielen die Reaktionen im Anschluss aus. Zahlreiche Zuschauer verließen das Stadion bereits Mitte der zweiten Halbzeit, als Ademola Lookmann das vierte Tor für die Gäste erzielt hatte (77.). Diejenigen, die geblieben waren, bedachten die Juve-Stars mit einem gellenden Pfeifkonzert und die Verantwortlichen mit bitterbösen Sprechchören.
Juve-Debakel: „Ein Ergebnis, das das Umfeld erschüttert“
Die italienische Sportzeitung Gazzetta dello Sport schrieb angesichts der Geschehnisse von einer „Blamage“ und einer Niederlage, die schwerwiegende Folgen haben könnte: „Es könnte der Punkt gewesen sein, an dem es kein Zurück mehr gibt in der Beziehung zwischen den Bianconeri und ihrem Publikum. Ein Ergebnis, das in die negative Geschichte eingeht und das Umfeld der Bianconeri erschüttert.“
Bezeichnend: Nach Abpfiff versuchte Mittelfeldspieler Manuel Locatelli seine Mannschaftskollegen vor die bereits halbleere Curva Sud, Heimat der eingefleischten Juve-Anhänger, zu beordern, was er nach einem kurzen Gespräch hinter der Mittellinie mit Keeper Michele Di Gregorio aber wieder aufgab.
„Das ist ein Spiel, das wehtut. Wir müssen als Gruppe arbeiten, an die tägliche Arbeit denken und uns auf das nächste Spiel konzentrieren, um unser Ziel zu erreichen“, gab Locatelli später zu Protokoll: „Wir sind eine junge und unerfahrene Mannschaft, wir müssen uns mit der Demut, die wir haben, darauf konzentrieren, uns zu verbessern.“
Umbruch bei Juve hat Folgen
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Juve-Coach Thiago Motta, der ebenfalls auf die Unerfahrenheit seiner Mannschaft verwies.
„Wir sind die jüngste Mannschaft der Liga, wir wollen uns weiterentwickeln und haben nach dem ersten Tor mental gelitten“, erklärte der 42-Jährige.
In der Tat schickt Juve nach Abstiegskandidat Parma regelmäßig die jüngste Startelf der Serie A ins Rennen. Nach 22 Abgängen im Sommer 2024 befindet sich der Umbruch in vollem Gange.
Dennoch gelang es Motta, seine Mannschaft nach einem eher schwachen Saisonstart zu stabilisieren. Von den zwischenzeitlich 16 Punkten Rückstand auf Platz eins waren vor der Partie gegen Atalanta nur noch sechs Zähler übrig. Seit dem 21. Spieltag hatte die Alte Dame nicht mehr verloren.
Fans verlieren die Geduld
Doch das Aus im Pokal gegen Außenseiter Empoli Ende Februar, das Scheitern in den Playoffs der Champions League gegen Eindhoven wenige Tage zuvor und nun die höchste Heimpleite seit 58 Jahren, die auch die letzten Träume von der Meisterschaft zerplatzen ließ, hat die Geduld der Anhänger überstrapaziert.
„Juve befindet sich auf einer Achterbahnfahrt. Sobald es ein wenig aufwärts geht, fällt es sofort wieder in seine eigene kleine Hölle zurück“, analysierte die Zeitung Corriere della Sera: „Das Stadion ist ein einziger Tumult aus Pfiffen, Gesängen und Beleidigungen.“ Die Gäste würden „über die Trümmer von Juventus spazieren“.