Es liegt noch gar nicht so lange zurück, da trafen sich die beiden Mailänder Klubs in einem denkwürdigen Stadtderby im Halbfinale der Champions League, im selben Jahr holte die AC die Meisterschaft in der Serie A. Danach schlugen die beiden Rivalen jedoch ziemlich unterschiedliche Wege ein.
Tabula rasa! „Auch Ibra vor Gericht“
Denn zwei Jähre später ist der sportliche Unterschied riesig. Inter steht im Endspiel der Königsklasse und hat noch in einem dramatischen Duell noch Chancen auf den Scudetto - die AC versinkt derweil im Mittelmaß und steht am „Scheideweg“, so schrieb es die Sport-Zeitung Corriere dello Sport.
Den Rossoneri steht eine Saison ohne Teilnahme am internationalen Wettbewerb bevor. In der Liga droht die schlechteste Platzierung in den letzten zehn Jahren. Einen Spieltag vor dem Ende steht Milan auf Rang neun. Nur in der Spielzeit 2014/15 (zehnter Platz) war man schlechter.
„Nichts mehr, woran man sich festhalten kann“
Gerettet werden sollte die mehr als enttäuschende Saison in der Coppa Italia. Doch auch im italienischen Pokal ging die AC leer aus. Im Pokalfinale scheiterten die Mailänder an Bologna. Auch in der Champions League flog man enttäuschend in den Playoffs gegen Underdog Feyenoord aus dem Wettbewerb. Im Sommer steht deswegen ein großer Umbruch an, das hätte wohl selbst ein Pokalsieg nicht verhindern können.
„Jetzt gibt es wirklich nichts mehr, woran man sich festhalten kann“, schrieb die Gazzetta dello Sport, die zudem von einem Ausverkauf im kommenden Transfer-Fenster berichtete.
Leao, Hernández und Co. vor Abgang
In dem von Stars gespicktem Milan-Kader sei kein einziger Spieler unverkäuflich. Superstar und Dribbelkünstler Rafael Leao dürfe den Verein verlassen, Theo Hernández soll nach einer schwachen Spielzeit sogar auf dem Abstellgleis stehen.
Auch Kapitän und Frankreichs Nummer eins, Mike Maignan, soll im Sommer verkauft werden, falls er seinen 2026 auslaufenden Vertrag nicht verlängern möchte. In Malick Thiaw ist auch ein deutscher Nationalspieler involviert. Entweder er oder Innenverteidiger-Kollege Fikayo Tomari sollen gehen.
Europäische Top-Klubs werden nun mit Sicherheit ganz genau nach Mailand blicken, denn die individuelle Klasse der Einzelkönner bleibt unbestritten. Nur als Team haben die Rossoneri ihre Qualität in dieser Saison nicht auf den Platz bringen können.
Tabula rasa: „Auch Ibra landet vor Gericht“
Auf Spieler-Ebene hört der Umbruch allerdings nicht auf. Auch eine Neustrukturierung der Führungspositionen steht im Raum, Klubbesitzer Gerry Cardinale will wohl wirklich jeden Stein umdrehen. Tabula rasa!
Auch Zlatan Ibrahimovic, der im Zuge des Abwärtstrends unter Kritik steht, droht das Aus. Der 43-Jährige ist als Berater des Klubs tätig. „Milan im Dunkeln, Zweifel an Ibrahimovic“, titelte Corriere dello Sport. „Auch Ibra landet vor Gericht“, fügte die Gazzetta an.
Entscheidend dafür sind vor allem die Winter-Transfers, für die der Schwede mitverantwortlich war. Vor allem Joao Felix (20 Einsätze, zwei Tore) und Santiago Gimenez (19, sechs) stehen in der Kritik.
Ibrahimovic hatte den Portugiesen als „magischen Spieler“ vorgestellt, Gimenez als „Killer im Strafraum“. Wenngleich ihre Statistiken nicht völlig katastrophal waren, blieben beide hinter den Erwartungen zurück.
Trainerwechsel blieb wirkungslos
Auch der Trainerwechsel von Paulo Fonseca auf Sergio Conceicao zu Jahresabschluss blieb wirkungslos. Fonseca (1,75 Punkte pro Spiel) holte durchschnittlich sogar mehr Punkte als sein Nachfolger (1,67). Im Sommer sind deshalb auch Änderungen auf der Trainerbank denkbar.
„Jeder muss seine Arbeit bewerten, ich bin sehr anspruchsvoll mit mir selbst, ich werde alles bewerten, was ich getan habe“, erklärte Conceicao selbst nach der Liga-Pleite gegen die Roma, die das Aus für die Europapokal-Plätze endgültig besiegelte. Er hob aber auch Erfolge unter seiner Leitung hervor: „Diese Saison war alles andere als perfekt, aber es gab auch positive Momente. Wir haben den italienischen Supercup gewonnen und sind ins Coppa-Italia-Finale eingezogen.“
„Ich will keine Ausreden suchen“
Trotz des noch ausstehenden Saisonfinals am kommenden Wochenende könnte er bereits das letzte Mal bei einem Spiel der AC auf der Trainerbank gesessen haben. Denn gegen Monza wird er aufgrund einer Sperre nicht dabei sein. Gegen Rom sah er in der Nachspielzeit die Rote Karte, weil er sich vehement beim Schiedsrichter beschwert hatte.
„Ich will keine Ausreden suchen. Fußball ist meine Leidenschaft, und es schmerzt zutiefst, nicht an der Seitenlinie bei meinen Spielern sein zu können“, ärgerte er sich über den Platzverweis und ließ Durchhalte-Parolen anklingen. Wir müssen diese harte Saison annehmen und gemeinsam stark bleiben".
‚Gemeinsam‘ ist in diesem Kontext aber wohl der falsche Begriff. Denn sowohl die Spieler und die Klub-Verantwortlichen wie auch der Trainer selbst werden in der kommenden Saison aller Voraussicht nach nicht mehr gemeinsam für die Rossoneri kämpfen.