Unmittelbar nach dem Schlusspfiff wurde Scott McTominay von seinen Gefühlen übermannt. Der Mittelfeldspieler der SSC Neapel lag flach auf dem Rücken auf dem Rasen des Stadio Diego Armando Maradona und schlug die Hände vor sein Gesicht.
Bei United überflüssig, nun der Held
Während sich um ihn herum der grenzenlose Jubel über den Scudetto entlud, konnte einer der Hauptdarsteller seine Tränen der Freude nicht mehr zurückhalten. Für McTominay war der erste Meistertitel seiner Karriere ein ganz besonderer.
Neapel-Held McTominay „fehlen die Worte“
„Mir fehlen die Worte, es ist unglaublich“, sagte der 28-Jährige etwas später bei DAZN. „Wie sich jeder Spieler in diesem Team aufgeopfert hat, ist einfach unglaublich. Die Menschen haben es verdient, denn sie haben vom ersten Tag an hinter uns gestanden. Hierherzukommen und das zu erleben, ist für mich einfach ein Traum.“
Mit seinem artistischen Seitfallzieher zur Führung vor der Pause (42.) ebnete McTominay der SSC Neapel beim 2:0-Sieg gegen Cagliari Calcio den Weg zum vierten Scudetto. Das sehenswerte Highlight war die passende Krönung seiner herausragenden Saison um Fuße des Vesuvs.
Mit zwölf Toren war McTominay in dieser Spielzeit der torgefährlichste Mittelfeldspieler der Serie A. Hinzu kamen noch acht Assists. Der Lohn: Die italienische Liga kürte den schottischen Nationalspieler zum Spieler des Jahres.
„Bei United galt er als überflüssig“
Und McTominay sorgte damit für eine besondere Pointe - etwa 48 Stunden nachdem sein Ex-Klub Manchester United mit dem verlorenen Europa-League-Finale gegen Tottenham Hotspur seiner Katastrophensaison einen ultimativen Tiefpunkt hinzugefügt hatte.
Noch vor einem Jahr wurde McTominay bei seinem Jugendklub Manchester United nicht mehr wirklich gebraucht, vielmehr war er eines der Gesichter der Krise beim englischen Rekordmeister. „Bei United galt er als überflüssig“, schrieb die Daily Mail. Nach über 20 Jahren kehrte er den Red Devils den Rücken und wechselte nach Neapel.
„Die 30 Millionen Euro fühlen sich nun wie ein Schnäppchen an“, urteilte die Daily Mail über die „erstaunliche Wende“, die McTominays Karriere durch den Schritt nach Italien erfuhr. Die Manchester Evening News bezeichneten McTominays Abgang als „ManUniteds größten Transferfehler“ in der Ineos-Ära.
Auch Italien feiert McTominay
„Return of the Mac“, titelte die Sun in Anlehnung an den 90er-Jahre Hit von Mark Morrison.
Bei der italienischen Tuttosport schaffte es McTominay mit einem Wortspiel aufs Titelblatt. „Pazzescott!“, schrieb die Sportzeitung in himmelblauen Lettern und färbte seinen Vornamen in die italienischen Farben grün, weiß, rot. Übersetzt steht „pazzesco“ für „wahnsinnig“.
Zudem kurios: Eigentlich wollte Neapel im vergangenen Sommer ursprünglich Marco Brescianini von Frosinone fürs Mittelfeld verpflichten. Doch der Transfer platzte und Brescianini wechselte zu Atalanta Bergamo.
Die zweite Wahl wird zum Königstransfer
Die „zweite Wahl” McTominay entpuppte sich als Königstransfer. Unter Coach Antonio Conte hat er eine beeindruckende Wiedergeburt erlebt. Agierte er zuvor bei United eher als defensiver Sechser, blühte er in Neapel in deutlich offensiverer Rolle auf.
Vor allem in der Schlussphase der Saison wurde McTominay mehr und mehr zum entscheidenden Faktor. In den letzten sieben Ligaspielen traf er sechs Mal und bereitete noch zwei weitere Treffer vor.
Der Mann für die wichtigen Tore
Insgesamt war er häufig der Mann für die wichtigen Tore. Gegen Cagliari gelang ihm zum achten Mal in dieser Saison der Treffer zum 1:0 - das ist der Bestwert in der Serie A. Nicht zufällig trägt er in Neapel den Spitznamen Dosenöffner.
McTominay hat sich mit seinen Leistungen in die Herzen der Fans gespielt. Bei den Anhängern wird er als „McFratm“ verehrt - eine liebevolle Anspielung auf die neapolitanische Bezeichnung für Bruder.
„Ich spüre viel Liebe“, sagte McTominay, der wie seine Teamkollegen mit blau gefärbten Haaren die Trophäe am späten Freitagabend in Empfang nahm. Es war der Startschuss einer langen Partynacht in Neapel.