Dele Alli waren nur zehn Minuten vergönnt. Der lang ersehnte Auftritt, der einen Neustart markieren sollte, wurde zum nächsten Tiefschlag. Und vielleicht war der Platzverweis, den das einstige Wunderkind im März bei seinem Debüt für Como 1907 kassierte, sogar ein endgültiger Abschied.
Serie A: Dele Alli wieder vor dem Aus - diesmal für immer?
Wunderkind vor endgültigem Aus?
Alli soll mittlerweile das Ende seiner Profikarriere in Betracht ziehen. Wie die Gazzetta dello Sport schreibt, könnte sein erstes und einziges Spiel für Como auch sein letztes gewesen sein.
Nach der verhängnisvollen Premiere im Frühjahr machte der Engländer keine Partie mehr. Ein paar Mal stand er noch im Kader, nun ist er von Trainer Cesc Fàbregas quasi aussortiert. Der Hochbegabte findet sich derzeit alleine auf dem Trainingsplatz wieder - einmal mehr gefangen in der sportlichen Bedeutungslosigkeit.
Während Como im offensiven Mittelfeld mit dem kroatischen Youngster Martin Baturina für 22 Millionen Euro nachrüstete und bereits das spanische Juwel Nico Paz zum Kader zählt, reicht es für Alli nicht einmal mehr fürs Teamtraining - obwohl er noch bis 2026 an den Klub gebunden ist.
Alli: Drogendealer mit Todesängsten
Alleine dürfte sich Alli schon häufig gefühlt haben, vor allem abseits des Rasens. Seine sportliche Talfahrt ist vermutlich nur Symptom einer menschlichen Tragödie, die in der Kindheit des einstigen Nationalspielers ihre Anfänge fand.
„Mit sechs Jahren wurde ich von einem Freund meiner Mutter missbraucht, die eine Alkoholikerin war“, hatte Alli vor rund zwei Jahren in einem Interview öffentlich gemacht. Unter Tränen erzählte er damals seine Geschichte.
„Dann wurde ich nach Afrika geschickt, um Disziplin zu lernen und wieder zurückgeschickt. Mit sieben habe ich angefangen zu rauchen, mit acht habe ich mit Drogen gedealt”, berichtete er. Schon in jungen Jahren musste er Todesängste durchstehen: „Mit elf wurde ich von einem Mann aus der Nachbarschaft von einer Brücke gehängt.“
Rund ein Jahr später wurde er adoptiert, von einer wunderbaren Familie. Sie rettete sein Leben, auch wenn er sich ihr nicht wirklich öffnen konnte.
Wunderkind legt steilen Aufstieg hin
Der Fußball war der nächste Anker im Leben des jungen Alli, doch die Probleme von einst konnte er nicht komplett hinter sich lassen.
Als er schließlich mit 16 Profi wurde, nahm „alles seinen Lauf“. In den Augen der Öffentlichkeit habe er den Kampf gewonnen, aber „innerlich habe ich den Kampf verloren“.
Den Schritt ins Rampenlicht machte Alli bei Tottenham Hotspur. Sieben Jahre spielte er für den englischen Erstligisten. Zunächst mit großem Erfolg. Als offensiver Mittelfeldspieler vereinte er Technik mit spielerischer Finesse. Zwischen den Linien war er schwer zu greifen, stets gefährlich.
Alli war ein Jungstar auf dem Weg nach ganz oben: Mit zarten 19 Jahren wurde er erstmals für die Three Lions berufen.
Innerlicher Kampf tobt ungebremst weiter
Keine fünf Jahre später dachte er bereits ernsthaft über den endgültigen Abschied nach: „Ich erinnere mich, wie ich in den Spiegel schaute und mich fragte, ob ich jetzt in Rente gehen könnte. Mit 24 Jahren.“
Die sportlichen Hochglanzmomente wurden weniger. Trainer José Mourinho nannte ihn „faul“. Und der damals noch unbekannte innerliche Kampf des jungen Mannes tobte ungebremst weiter. Alli griff zu Alkohol und Schlaftabletten.
Nach dem Abschied von Tottenham zog es ihn zum FC Everton, nach einem halben Jahr wurde er per Leihe zu Besiktas transferiert. In der Türkei besuchte er eine „Reha-Einrichtung für psychische Gesundheit, Sucht und Trauma“.
Wie er damals selbst angab, habe er einige der emotionalen Altlasten abgeworfen. Mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit wollte er auch anderen Menschen helfen und Mut machen.
In einem fußballerischen Aufschwung mündete der bewundernswerte Ansatz nicht. Bei Besiktas wurde er nicht gebraucht, ab Sommer 2024 war er ohne Verein, für ein halbes Jahr. Bis Como anklopfte und ihm eine Chance gab. Über Monate hinweg kämpfte sich Alli wieder in Form, bot sich an - und bekam tatsächlich seine Chance.
Nach dem erlösenden Moment waren ihm nur zehn Minuten vergönnt.