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Robin Gosens am Pranger

Gosens am Pranger

Bei der Nationalmannschaft gerät Robin Gosens bereits etwas in Vergessenheit, denn auch in Florenz läuft es für den Linksverteidiger nicht. Sein Klub startete historisch schlecht in die Saison. Er selbst gibt sich kämpferisch, doch die Presse zählt auch ihn an.
Deutschlands Nationalspieler Robin Gosens fordert in einem emotionalen Aufruf Verständnis für Themen wie psychische Gesundheit oder Depression.
Bei der Nationalmannschaft gerät Robin Gosens bereits etwas in Vergessenheit, denn auch in Florenz läuft es für den Linksverteidiger nicht. Sein Klub startete historisch schlecht in die Saison. Er selbst gibt sich kämpferisch, doch die Presse zählt auch ihn an.

Noch im Frühjahr überschlug sich die italienische Presse mit Lobeshymnen. Robin Gosens spiele „wie zu seinen besten Zeiten bei Atalanta Bergamo“, jubelte der Corriere dello Sport. Doch mittlerweile hat sich der Wind gedreht.

Die Gazzetta dello Sport zählte den 31-Jährigen kürzlich bei der AC Florenz zu den „wahren Enttäuschungen“ der bisherigen Saison. „Er scheint nicht er selbst zu sein und wirkt bereits wie ein Ersatzspieler“, schrieb das Blatt.

Der linke Schienenspieler, der mit seinen Flankenläufen immer wieder offensive Akzente setzt, wartet in dieser Saison noch auf seine erste Torbeteiligung.

Gosens von Nagelsmann nicht mehr berücksichtigt

Von Bundestrainer Julian Nagelsmann wurde er bei den vergangenen beiden Lehrgängen nicht mehr berücksichtigt. Und in seiner Abwesenheit hat sich David Raum in der Nationalmannschaft als Linksverteidiger erstmal festgespielt.

In seiner Wahlheimat Italien steht Gosens derweil nicht allein am Pranger. Der historische Fehlstart der Fiorentina, die erstmals seit der Saison 1928/29 ihre ersten drei Heimspiele in der Serie A verlor und dazu auswärts nur dreimal unentschieden spielte, hat viele Gesichter. Aufgrund seiner Erfahrung wird Gosens aber besonders in die Pflicht genommen.

Zusammen mit Keeper David de Gea und dem mittlerweile 39 Jahre alten Ex-Wolfsburger Edin Dzeko sieht der Corriere dello Sport Gosens in der Verantwortung, im Team von Stefano Pioli voranzugehen: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für Piolis Veteranen, ins Rampenlicht zu treten.“

„Die Medien fangen an, auf uns herumzuhacken“

Die sportlich unbefriedigende Situation nagt an Gosens. „Das Problem ist, dass der Druck von außen jetzt größer wird. Die Fans verlangen Resultate. Die Medien fangen an, auf uns herumzuhacken“, sagte er Ende September im Podcast Copa TS.

Vor der Leidenschaft der Fans hat er großen Respekt. „Jeder, der in Florenz lebt oder was mit Florenz zu tun hast, ist gefühlt ein Ultra von Florenz“, ergänzte Gosens: „Wenn du am Ende eines Spiels ein Pfeifkonzert bekommst, gehst du wirklich mit Bauchschmerzen nach Hause, weil du weißt, dass du über 30.000 Fans hier enttäuscht hast. Ich bin ein Spieler, der das mitnimmt nach Hause.“

Es sei daher essenziell, sich nicht von der Stimmung außenherum anstecken zu lassen. „Jeder kriegt Nachrichten von Freunden geschickt, wird von Fans auf der Straße angehalten. Der O-Ton ist immer: Ey, was zieht ihr da gerade für eine Scheiße ab? Wollt ihr uns verarschen?“

Zwar verlief auch im Vorjahr der Saisonstart holprig, doch die folgende Erfolgsserie trug den Klub trotz einiger Schwankungen schließlich in die Conference League. Mit Transferausgaben von über 90 Millionen Euro stieg nun aber auch die Erwartungshaltung.

„Auf der anderen Seite kriegst du es auf dem Platz nicht geschissen“

„Du kannst nicht auf der einen Seite labern wie toll und super alles dieses Jahr wird und auf der anderen Seite kriegst du es auf dem Platz aber nicht geschissen“, brachte es Gosens in drastischen Worten auf den Punkt.

Gerade die neu verpflichteten Offensivkräfte wie Königstransfer Roberto Piccoli (kam für 25 Millionen Euro aus Cagliari) und Albert Gudmundsson (für 13 Millionen von Genua verpflichtet) waren bislang noch nicht die erhofften Verstärkungen.

Topstürmer Moise Kean steht auch erst bei einem Saisontor, ist aber unumstritten. Allerdings reiste Kean wegen einer Knöchelverletzung vorzeitig von der italienischen Nationalmannschaft ab, sein Einsatz im Spiel bei der AC Mailand am Samstag (20.45 Uhr im LIVETICKER) ist fraglich.

„Ich glaube nach wie vor, dass sich diese Qualität, die wir in der Truppe haben, zeigen wird“, gab sich Gosens kämpferisch. „Ich glaube an diesen Spruch, auch wenn er scheiße klingt: Harte Arbeit wird immer irgendwie belohnt. Und da wir hart arbeiten, bin ich mir sicher, dass die Belohnung dafür auch kommen wird.“

Doch das Herbeireden der Trendwende ist nicht so leicht. Auf Gosens Worte folgten zwei weitere sieglose Spiele unmittelbar vor der Länderspielpause. Und die Aufgaben in der Liga werden nicht einfacher. Nach dem Gastspiel bei Milan wartet das Derby dell’Appennino gegen den FC Bologna, danach geht es zu Vizemeister Inter Mailand.